Umweltverbände und Öffentlichkeit frühzeitig in Planungsverfahren einbinden!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Gülseren Demirel, Anna Hanusch, Jutta Koller, Sabine Krieger, Sabine Nallinger und Dr. Florian Roth (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/Rosa Liste) vom 29.10.2015
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
In Ihrem Antrag vom 29.10.2015 haben Sie das Referat für Stadtplanung und Bauordnung aufgefordert, die Planungsverfahren zukünftig transparenter und mit größerer informeller Bürgerbeteiligung zu gestalten. Hierzu sollten die anerkannten Naturschutzverbände bereits zum Scoping-Termin im Rahmen der Bauleitplanverfahren obligatorisch eingeladen werden. Ferner sollen die informellen Beteiligungsformen für eine bessere Einbindung von Planungsbetroffenen, spezifischen Zielgruppen sowie der interessierten Öffentlichkeit ausgebaut und bereits von Anfang an in den Planungsprozess integriert werden.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil es sich hierbei um eine regelmäßige und wiederkehrende Aufgabe in der Verwaltungstätigkeit der Landeshauptstadt München im Rahmen des Bauleitplanverfahrens und der Bearbeitung der einzelnen Verfahrensschritte handelt. Eine Behandlung erfolgt deshalb auf diesem Wege.
Zu Ihrem Antrag vom 29.10.2015 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Zu 1.
Die Einbindung von Naturschutzverbänden in Bebauungsplanverfahren erfolgt, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB). In dieser Planungsphase liegt i.d.R. ein Planungsentwurf vor, der als Grundlage für eine Diskussion dienen kann, aber noch ausreichend Spielräume offen lässt, um die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Naturschutzverbände würdigen zu können. Bis dahin wurde bereits von Beginn an die Abteilung Grünplanung des Referates für Stadtplanung undBauordnung – Hauptabteilung II intensiv in die Planung eingebunden. Ebenso wurden die für den Arten- und Naturschutz zuständigen städtischen Dienststellen gehört. Alle genannten Stellen sind mit qualifizierten Fachkräften besetzt, sodass zum § 3 Abs. 1 BauGB Verfahren wesentliche Belange des Natur- und Umweltschutzes bereits umfänglich eingeflossen sind. Eine noch frühere Beteiligung von Naturschutzverbänden, z.B. zum Scoping-Termin im Rahmen des Bauleitplanverfahrens, wird daher nicht für erforderlich gehalten. Der vorgenannte Scoping-Termin ist als behördeninterne Veranstaltung auch einer Teilnahme Externer nicht zugänglich. Außerdem ist zu beachten, dass in Bebauungsplänen mit Grünordnung eine sorgfältige Abwägung sämtlicher Belange bzw. die Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen erfolgen muss und der Naturschutz dabei keine grundsätzliche Vorrangstellung inne hat.
Zudem erfolgen bereits jetzt schon in Einzelfällen, z.B. bei Planungen, bei denen landschaftliche und naturschutzfachliche Themen besonders im Vordergrund stehen, Abstimmungen in den regelmäßigen Jour fixe zwischen den Verbänden und dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung.
Zu 2.
Im Zuge der in München zu verzeichnenden Tendenzen in Stadt und Stadtgesellschaft ist dem Thema einer frühzeitigen und kontinuierlichen Bürgerbeteiligung über das gesetzliche Maß hinaus eine große Bedeutung beizumessen.
Die Beteiligung der Öffentlichkeit respektive der Bürgerinnen und Bürger bei Bauleitplanverfahren ist grundsätzlich im § 3 BauGB geregelt. Nach § 3 BauGB dienen die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung insbesondere der vollständigen Ermittlung und der zutreffenden Bewertung der von der Planung betroffenen Belange. Die Beteiligung der Öffentlichkeit entfaltet für die Bauleitplanung folglich eine Informationsfunktion. Die Bürgerinnen und Bürger ergänzen mit ihren Einwendungen und Stellungnahmen das von der Landeshauptstadt München zusammenzustellende Abwägungsmaterial und gewährleisten so die materielle Rechtmäßigkeit von Bauleitplänen. Die Öffentlichkeitsbeteiligung erhöht auf diese Weise nicht nur die Qualität, sondern auch die Akzeptanz der Bauleitplanung.
Handlungsspielraum für erweiterte Beteiligungsmöglichkeiten der Öffentlichkeit bietet die frühzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB. Die Standards für die frühzeitige Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB wurden durch den Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 15.12.1976 („Neufassung des Bundesbaugesetzes; Beteiligung der Bürger an der Bauleitplanung gemäß § 2 a Abs. 2 mit Abs. 5 der Bundesbaugesetznovelle, BBauG 1977“), modifiziert durch den Beschlussder Vollversammlung vom 21.9.1983 („Bürgerbeteiligung an der Bauleitplanung gemäß § 2 a Abs. 2 mit Abs. 5 Bundesbaugesetz“), konkretisiert. Die Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB ist durch das BauGB konkret vorgegeben, sodass hier kein weiterer Spielraum gegeben ist.
Bereits im Vorfeld der formellen Bauleitplanung besteht jedoch die Möglichkeit, die Öffentlichkeit, z.B. bei städtebaulichen Wettbewerben, in die Entscheidungsfindung einzubinden. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung ist grundsätzlich bestrebt, eine noch stärkere Einbindung der Öffentlichkeit in das Planungsgeschehen zu ermöglichen und damit die Planungsverfahren transparenter zu gestalten.
Im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB haben auch bisher schon unterschiedliche Veranstaltungen zur Partizipation stattgefunden, die deutlich über den gesetzlich vorgegebenen Umfang hinausreichen.
Bei stadteigenen Planungen hat es sich in den letzten Jahren als sehr hilfreich erwiesen, bereits vor dem Start eines städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerbes eine Diskussionsveranstaltung, z. B. ein Werkstattgespräch oder eine Podiumsdiskussion anzubieten. Erfreulicherweise haben sich auch private Investoren dieser Vorgehensweise angeschlossen und haben vergleichbare Veranstaltungen durchgeführt. Dabei kann die Öffentlichkeit sich genau über das geplante Vorhaben informieren und Bedenken und Anregungen einbringen. Das Podium, das sich in der Regel aus Vertretungen des Preisgerichtes, aus dem Sach- und Fachpreisgericht, zusammensetzt, hat die Möglichkeit, die Wettbewerbsaufgabe aus Sicht der Bürgerschaft zu reflektieren und eigene Schlussfolgerungen in die Preisrichtervorbesprechung einzubringen, in der der Auslobungstext endgültig verabschiedet wird.
Vor dem Hintergrund der immer komplexer werdenden Planungen – hoher Infrastrukturbedarf, Flächenknappheit, Nutzungskonkurrenzen, rechtliche Vorgaben – und dem steigenden Interesse vor Ort, ist es zielführend, diese Phase zu erweitern und einen moderierten Workshop o. ä. vorzuschalten, bei dem die einzelnen Themen vertieft mit und zwischen den interessierten Bürgerinnen und Bürgern diskutiert werden können.
Aber nicht nur vor den Wettbewerben ist Transparenz und Mitwirkung notwendig, sondern auch dann, wenn es um die endgültige Entscheidung der Jury geht. So wurden z.B. bei den städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerben für die ehem. Bayernkaserne, für das Paulaner-Gelände und für das E.On-Gelände vier bis fünf Preisträger gewählt. Diese wurden der Öffentlichkeit vorgestellt und ausführlich auch mit Vertretungen des Preisgerichtes diskutiert und ein Meinungsbild aus der Bürgerschaftformuliert, das in die Überarbeitung und in die Wettbewerbsentscheidung des Preisgerichtes eingeflossen ist. Nach der Prämierung der Projekte wurden mit Ausstellungen und Podiumsdiskussionen nochmals Gelegenheiten geboten, sich zu informieren und mit zu diskutieren, bevor dann das „übliche“ Bebauungsplanverfahren fortgeführt wurde.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine erweiterte Partizipation zum festen Bestandteil großer Bebauungsplanverfahren geworden ist. Grundsätzlich ist der Spielraum bei städtischen Planungen größer als bei privaten, wobei die Bereitschaft privater Investoren, wie bereits oben dargestellt, kontinuierlich zunimmt.
Um bei o.g. Beteiligungsansätzen zielorientiert und effizient zu handeln, gerade auch im Hinblick auf den Personaleinsatz, ist es unerlässlich, das jeweilige Procedere ganz spezifisch am Bedarf vor Ort, an bestimmte Zielgruppen, an der Bereitschaft zur Mitwirkung und am Projekt zu orientieren.
Die neu eingeschlagenen Wege der Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung werden konsequent angewendet und weiter ausgebaut. Im Referat für Stadtplanung und Bauordnung ist vorgesehen, vorbehaltlich der Zustimmung des Stadtrates, ein Handbuch bzw. einen Leitfaden zur Partizipation zu erarbeiten, das Standards bzw. Qualitätsstufen der planungsbezogenen Bürgerbeteiligung enthalten soll sowie Methoden und Maßnahmen zusammenfassen soll, die für Beteiligungsprozesse benötigt werden und gleichzeitig projektspezifisch eingesetzt werden können. Dieses Handbuch soll bei der Durchführung von Partizipationsverfahren unterstützen und den Bürgerinnen und Bürgern Transparenz darstellen. Dem Stadtrat soll dieser Vorschlag voraussichtlich in einer Stadtratsvorlage im ersten Quartal 2016 vorgelegt werden.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.