Wohnraum schaffen durch Aufstockungen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Richard Progl und Ursula Sabathil (Fraktion Bürgerliche Mitte – Freie Wähler/Bayernpartei) vom 23.9.2015
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Am 23.9.2015 haben Sie den im Betreff genannten Antrag gestellt, wonach alle Planungen für Neubauten und Neubaugebiete dahingehend zu überprüfen seien, ob durch eine Aufstockung der Gebäude und den Bau von Punkthäusern am Rande neuer Wohngebiete mehr Wohnraum geschaffen werden könnte. Dies sollte bereits bei den Planungen zu Freiham und zur Bayernkaserne berücksichtigt werden.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil es sich hier um eine abstrakte Frage zu möglichen Festsetzungen im Bebauungsplan handelt. Eine Behandlung erfolgt deshalb auf diesem Wege.
Zu Ihrem Antrag vom 23.9.2015 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung greift auch bisher schon sämtliche Möglichkeiten auf, an geeigneten Standorten zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. So wird auch bei größeren Siedlungsmaßnahmen dafür Sorge getragen, das zulässige Maß der baulichen Nutzung im städtebaulich vertretbaren Rahmen möglichst hoch anzusetzen.
Die zusätzliche Schaffung von Wohnraum im Sinne des gegenständlichen Antrages ist am einfachsten und effektivsten durch Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes möglich. Allerdings sind der Gewährung von Befreiungen Grenzen gesetzt. Befreiungen dürfen in erster Linie die Grundzüge der Planung nicht berühren und müssen mit den nachbarlichen Interessen und öffentlichen Belangen vereinbar sein. Weitere Voraussetzungen für die Gewährung von Befreiungen sind in § 31 Abs. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) aufgeführt.Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes bedürfen eines Antrages und einer städtebaulichen Begründung. Anträge auf Befreiungen im Sinne des Antrages werden dabei wohlwollend geprüft.
Punktuelle Erhöhungen der zulässigen Höhenentwicklung wie auch der baulichen Dichte an geeigneten Standorten werden im Befreiungswege grundsätzlich für möglich erachtet.
Eine (pauschale) Aufstockung von Wohngebäuden über ein gesamtes Quartier wird aber wegen des enormen Umfanges und der sich daraus ergebenden erheblichen Abweichungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB regelmäßig nicht zugänglich sein, da dann die Grundzüge der Planung nicht mehr gewahrt wären. In diesen Fällen müsste der zu Grunde liegende Bebauungsplan in dem nach dem BauGB vorgesehenen Verfahren geändert werden.
Bei der Änderung von Bebauungsplänen ist aber Folgendes zu beachten:
Im Bereich der Landeshauptstadt München werden nahezu in jedem
neueren Bebauungsplan für die Schaffung von Wohnraum die Obergrenzen des § 17 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bereits jetzt zum Teil deutlich überschritten.
§ 17 Abs. 1 BauNVO legt als Obergrenze des Maßes der Nutzung für reine und allgemeine Wohngebiete eine Geschoßflächenzahl (GFZ) von 1,2 fest. Diese Obergrenze kann aus städtebaulichen Gründen überschritten werden, wenn die Überschreitung durch Umstände ausgeglichen ist oder durch Maßnahmen ausgeglichen wird, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden und nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden werden. In den Begründungen der Bebauungspläne sind sowohl die spezifischen städtebaulichen Gründe für die Überschreitungen sowie die hierfür erforderlichen Ausgleichsumstände und -maßnahmen – konkret auf den jeweiligen Einzelfall bezogen – aufgeführt.
Die Tatsache, dass dringlicher Wohnbedarf besteht und Wohnungsknappheit herrscht, ist für sich allein betrachtet nach der bestehenden Rechtslage kein hinreichender städtebaulicher Grund.
Nachträgliche zusätzliche Gebäudeaufstockungen in planungsrechtlich gesicherten Bereichen haben Auswirkungen auf
- Abstandsflächen,
- Belichtung, Besonnung und Belüftung,- Freiflächenversorgung, Infrastrukturbedarfe,
- zusätzliche Stellplatzbedarfe und
- zusätzlichen Ziel- und Quellverkehr
und stellen somit die seinerzeit getroffene Abwägung aller erkennbaren öffentlicher und privater Belange in Frage. Inhaltlich müsste die neue Planung dann – insbesondere in Bezug auf sämtliche sozialen, verkehrlichen und freiräumlichen Infrastrukturen – noch einmal neu geprüft und abgewogen werden.
Zu den im Antrag beispielhaft aufgeführten Planungsgebieten Freiham und Bayernkaserne ist zusätzlich Folgendes anzumerken:
Für den Bereich Freiham wurde vor Kurzem erst der Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. 2068 Germeringer Weg (südlich), Freihamer Weg (westlich), … als Satzung beschlossen (Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 7.10.2015; Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 04016), allerdings mit der Maßgabe, dass „der Stadtrat die Verwaltung ermutigt, im Wege von Befreiungen die Dichte der Wohnbebauung im Einzelfall zu erhöhen, um den dringenden Bedarf an Wohnraum in München zu decken“. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wird diese Maßgabe des Stadtrates beachten und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten konsequent anwenden.
Zur Bayernkaserne wurde dem Stadtrat im Juli 2015 das Ergebnis des VOF-Verfahrens Bayernkaserne einschließlich des Wettbewerbs (Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 29.7.2015; Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Bayernkaserne …; Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 02994) vorgestellt. Die baulichen Dichten werden bei dieser Siedlungsmaßnahme im oberen Bereich des städtebaulich Vertretbaren liegen. Auf der Grundlage des Preisträgerentwurfes wird nun ein Masterplan erstellt, der dem späteren Bebauungsplanverfahren zu Grunde gelegt werden soll. Eine weitere punktuelle bauliche Verdichtung für Wohnen wäre im Laufe des Bebauungsplanverfahrens zu prüfen.
Als Ergebnis kann also festgehalten werden, dass dem Antrag Nr. 14-20/A 01393 schon derzeit im Befreiungswege von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes entsprochen wird.
Allerdings ist die beantragte pauschale und flächendeckende Aufstokkung von Neubauten in neuen Siedlungsgebieten und die Verdichtung der Planungsgebiete mit Punkthochhäusern an deren Rand dagegen nicht möglich, ohne bestehende Bebauungspläne zu ändern. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung geht bei neuen Siedlungsgebieten hinsicht-lich der Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung ohnehin schon an die Grenzen heran, die mit dem Erfordernis nachhaltiger Planung und den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse vereinbar sind und greift damit schon alle Möglichkeiten auf, möglichst viel Wohnraum zu generieren.
Gerade die Beispiele Freiham und Bayernkaserne zeigen, dass individuelle Möglichkeiten zur zusätzlichen Wohnraumschaffung prinzipiell darüber hinaus offen stehen und vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung auch genutzt werden.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.