Aktueller Stand der Radwegebenutzungspflicht
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Kathrin Abele, Christian Amlong, Simone Burger, Verena Dietl, Hans Dieter Kaplan, Haimo Liebich, Bettina Messinger, Dr. Ingo Mittermaier, Heide Rieke, Jens Röver, Klaus Peter Rupp, Dr. Constanze Söllner-Schaar, Christian Vorländer und Beatrix Zurek (SPD-Fraktion) vom 13.11.2015
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Wilfried Blume-Beyerle:
In Ihrer Anfrage vom 13.11.2015 führen Sie aus:
„Dem Stadtrat wird dargestellt,
- wie viele Stadtbezirke bereits auf Aufhebung der Radwegebenutzungs- pflicht überprüft wurden.
- falls diese Überprüfung noch nicht in allen Stadtbezirken stattgefunden hat, wann diese Untersuchung ansteht und wann geplant ist, diese für die gesamte Stadt abzuschließen.
- wie viele v on den rund 360 Radverkehrsanlagen bereits von der Benut- zungspflicht befreit wurden (bitte Straßennamen und Stadtbezirk auf- listen)
- ob sich und falls ja wie sich die Vorgehensweise aktuell von der Stadt Köln unterscheidet.
Begründung:
‚Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom Herbst 2010 dürfen Radfahrer nur dort zur Benutzung der Radwege gezwungen werden, wo das Fahren auf der Straße eine ‚konkrete Gefahr‘ bedeu- tet. Vielmehr sollen Radfahrer überall dort, wo es möglich ist, auf der Straße im fließenden Verkehr mitfahren dürfen. Denn laut Unfallstatistik und Aussagen vieler Experten fahren Radfahrer auf der Straße häufig am sichersten, weil sie dort vom Kraftfahrzeugverkehr besser gesehen werden und es daher deutlich seltener zu Konflikten mit abbiegenden Fahrzeugen kommt. Seither überprüft das Kreisverwaltungsreferat nach und nach alle Radwege in München und hat bereits in über 70 Straßen die Benutzungspflicht durch Abbau der blauen Radwegschilder aufge-
hoben.‘ (Quelle: http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/ Kreisverwaltungsreferat/Verkehr/Radln-in-Muenchen/Radwegebenut- zungspflicht.html)
Gleichzeitig hört man, dass Köln jetzt einen anderen Weg einschlägt und die Radwegbenutzungspflicht flächendeckend aufhebt und den Radlern die Wahl gibt, ob sie zügig auf der Straße oder eher langsam auf dem Radweg fahren möchten.
Der ursprüngliche gemeinsame Antrag der Fraktionen im Kölner Stadtrat lautet aber etwas anders:
‚Die Verwaltung wird gebeten, 1. zügig die Radwegebenutzungspflicht auf- zuheben, wo nicht aufgrund einer qualifizierten Gefahrenlage eine Radwe- gebenutzungspflicht angeordnet werden muss, und somit den Radfahren- den durch Abnahme der blauen Schilder an den Radwegen die Wahlfreiheit zu geben, entweder den Radweg oder die Straße zu benutzen. Anhand vorhandener Daten soll die Verwaltung dem Verkehrsausschuss eine Liste der Sofortmaßnahmen sowie der Wege vorlegen, die erst nach weiterge- henden Maßnahmen von der Benutzungspflicht ausgenommen werden können….‘
Deshalb stellt sich hier die Frage, ob Köln einen anderen Weg als München einschlägt.“
Zu Ihrer Anfrage nimmt das Kreisverwaltungsreferat wie folgt Stellung: Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 6. April 2011 bestätigt, dass für die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht ein ganzes Bündel von Faktoren von Bedeutung ist und die Anordnung nur erfolgen darf, wenn eine auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruhende Gefahrenlage vorliegt.
Das Kreisverwaltungsreferat – Hauptabteilung Straßenverkehr – geht daher bei der Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht sehr umsichtig vor. Die Gesetzeslage setzt nämlich für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die – erstens – auf besondere örtli che Verhältnisse zurückzuführen ist und – zweitens – das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Nur in solchen Fällen dient die Trennung von motor- und muskelkraftbetriebenen Fahrzeugen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Die Anlage von Radwegen kommt im Allgemeinen dort in Betracht, wo es die Ver kehrssicherheit, die Verkehrsbelastung und der Verkehrsablauf erfordern. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. November 2010 entschieden, dass die Straßenverkehrsbehörde eine Radwegbenutzungspflicht durch Aufstellen der Zeichen 237, 240 oder 241 nur dann anordnen darf, wenn die Voraussetzungen von § 45 Abs. 9 S. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) erfüllt sind. Erforderlich ist danach eine auf besondereörtliche Verhältnisse zurückgehende qualifizierte Gefahrenlage. Radfahrer sind folglich nicht bereits dann auf einen Radweg zu verweisen, wenn er vorhanden ist, den baulichen Anforderungen nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 StVO genügt und keine im Einzelfall ungewöhnlich niedrige Gefahrenschwelle besteht.
Aktuell hat sich auch das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr mit Schreiben vom 4.1.2016 zum Thema Anordnung der Radwegbenutzungspflicht an die zuständigen Behörden gewandt. Darin weist das Innenministerium zusammenfassend auf die einschlägige Rechtsprechung, die hierbei getroffenen Kernaussagen und deren Beachtung bei der Anordnung der Verkehrszeichen 237, 240 und 241 StVO hin.
Zu den von Ihnen aufgeführten einzelnen Punkten dürfen wir Ihnen folgenden aktuellen Sachstand mitteilen:
Zu Spiegelstrich 1:
Wie viele Stadtbezirke bereits auf Aufhebung der Radwegebenutzungs- pflicht überprüft wurden.
Antwort:
Bisher wurden 7 Stadtbezirke abschließend geprüft.
Dies waren im Einzelnen: Laim, Maxvorstadt, Schwabing – Freimann, Au – Haidhausen, Bogenhausen, Obergiesing und Ludwigsvorstadt – Isarvorstadt.
Derzeit wird der Stadtbezirk Pasing – Obermenzing überprüft.
Zu Spiegelstrich 2:
Falls diese Überprüfung noch nicht in allen Stadtbezirken stattgefunden hat, wann diese Untersuchung ansteht und wann geplant ist, diese für die gesamte Stadt abzuschließen.
Antwort:
Eine abschließende Aussage ist derzeit nicht möglich, da die personellen Ressourcen begrenzt sind und mit der Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht auch verschiedene, teilweise erhebliche, Umbaumaßnahmen ver bunden sein können.Zu Spiegelstrich 3:
Wie viele von den rund 360 Radverkehrsanlagen bereits von der Benut- zungspflicht befreit wurden (bitte Straßennamen und Stadtbezirk auflisten)
Antwort:
Bisher konnte an 91 Radverkehrsanlagen (Stand Februar 2016) die bestehende Radwegbenutzungspflicht aufgehoben werden.
Die gewünschte Auflistung entnehmen Sie bitte der Anlage.
Zu Spiegelstrich 4:
Ob sich und falls ja wie sich die Vorgehensweise aktuell von der Stadt Köln unterscheidet.
Antwort:
Auf Nachfrage bei der Stadt Köln hinsichtlich der in der Presse publizierten Vorgehensweise haben wir folgende Stellungnahme erhalten:
„Der Verkehrsausschuss der Stadt Köln hat die Verwaltung mit einem Beschluss in der Oktobersitzung gebeten, ‚zügig die Radwegenutzungspflicht aufzuheben, wo nicht aufgrund einer qualifizierten Gefahrenlage diese angeordnet werden muss‘. Durch eine Abnahme der Schilder mit dem Verkehrszeichen Radweg (blaues Schild mit Fahrradsymbol) soll den Radlern die Wahlfreiheit gegeben werden, den Radweg oder die Straße zu benutzen.
In den vergangenen Wochen ist, auch durch Berichte in den Medien, der Eindruck entstanden, dass Radfahrer generell nicht mehr auf den benutzungspflichtigen Radwegen unterwegs sein müssen, sondern ihnen die Wahl gelassen wird, alternativ die Straße zu benutzen. Diese Annahme ist so jedoch nicht richtig, denn alleine durch eine politische Entscheidung ist es nicht möglich, bestehende Verkehrszeichen außer Kraft zu setzen.
Darum stellt das Amt für Straßen und Verkehrstechnik klar, dass – solange keine andere Regelung umgesetzt ist – der Radweg, der mit dem entsprechenden Verkehrszeichen beschildert ist, auch nach wie vor zwingend benutzt werden muss. Erst wenn das Schild entfernt ist, dürfen Radfahrer auch auf die Fahrbahn wechseln.
Diese Regelung basiert auf einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2010, wonach die Benutzungspflicht von Radwegen nurangeordnet werden darf, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko erheblich übersteigt. Diese Verhältnisse müssen durch die Straßenverkehrsbehörde und die Polizei in jedem Einzelfall überprüft werden. Hierbei spielen viele Faktoren eine Rolle, beispielsweise die Verkehrsbelastung der Straße, der Anteil an Lastkraftwagen, die Fahrgeschwindigkeit oder einmündende Straßen.
Aber selbst dann, wenn die Straßenverkehrsbehörde zu dem Schluss kommt, dass die Radführung gefahrlos auf die Straße verlegt werden kann, sind in Einzelfällen noch erhebliche Anpassungsarbeiten erforderlich. Beispielsweise kann es sein, dass Ampelphasen länger geschaltet werden müssen, da Radfahrer aufgrund der geringeren Geschwindigkeit länger brauchen, um eine Kreuzung zu räumen. Dies wiederum hat Auswirkungen auf den Verkehrsfluss in der Straße und darüber hinaus. Auch kann es in Einzelfällen notwendig werden, zusätzliche Markierungen wie Schutzstreifen oder Radfahrstreifen auf der Fahrbahn aufzutragen.
Die Verwaltung wird die Prüfungen vor Ort gemeinsam mit der Polizei zügig fortzusetzen und die Verfahren forcieren. Allerdings gilt weiterhin die generelle Benutzungspflicht für Radwege überall dort, wo diese durch das Schild Radweg angeordnet ist. Wenn die Voraussetzungen für einen Abbau dieser Schilder erfüllt sind, wird dies von der Verwaltung zügig umgesetzt.“
Wie den Ausführungen der Stadt Köln zu entnehmen ist, werden die bundesgesetzlichen Regelungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) dort so umgesetzt, dass die Überprüfung der Radwegbenutzungspflichten jeweils im Einzelfall erfolgt und nicht flächendeckend aufgehoben wird.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die von der Straßenverkehrsbehörde München praktizierte systematische Vorgehensweise hinsichtlich der Überprüfung der Radwegbenutzungspflichten sowohl im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen als auch mit der Umsetzungspraxis der Stadt Köln steht.
Ich darf Sie um Kenntnisnahme dieser Ausführungen bitten und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit erledigt ist.
Die Anlage zur Antwort kann abgerufen werden unter: