Ulrich Chaussy wird mit dem Publizistikpreis der Landeshauptstadt München 2016 ausgezeichnet. Der Münchner Journalist hat sich unter anderem seit über 30 Jahren hartnäckig mit dem Münchner Oktoberfestattentat am 26. September 1980 auseinandergesetzt. Er hat Hintergründe recherchiert und Zusammenhänge aufgedeckt, die sonst nicht ans Tageslicht gekommen wären. Über die Vergabe hat der Kulturausschuss in seiner heutigen Sitzung auf Empfehlung einer Jury entschieden. Der Preis wird alle drei Jahre – alternierend mit dem Literaturpreis und dem Übersetzerpreis – verliehen und ist mit 10.000 Euro dotiert. Ausgezeichnet wird eine hervorragende publizistische Gesamtleistung. Frühere Preisträgerinnen und Preisträger waren Erich Kuby, Herbert Riehl-Heyse, Maria von Welser, Anneliese Friedmann, Dieter Hanitzsch, Dirk Ippen, Dieter Kronzucker, Mercedes Riederer und Heribert Prantl.
Die Begründung der Jury:
„Guter Journalismus braucht langen Atem. Ulrich Chaussy hat ihn: Der in Karlsruhe geborene Münchner Journalist recherchiert, schreibt und sendet seit über dreißig Jahren über das Münchner Oktoberfestattentat am 26. September 1980. Die Ermittlungsbehörden gingen von der Einzeltäter- schaft des beim Attentat ums Leben gekommenen Neonazis Gundolf Köh- ler aus.
Ulrich Chaussys Recherchen ergaben anderes. 1985, in seinem Buch ,Ok- toberfest. Ein Attentat‘ hat sich Chaussy erstmals sehr kritisch und sehr umfassend mit der Alleintätertheorie der Ermittlungsbehörden auseinan- dergesetzt und den terroristischen Hintergrund des blutigsten Terroran- schlags in der Geschichte der Bundesrepublik geschildert. Seither hat er eine Vielzahl von Texten darüber verfasst, zuletzt gemeinsam mit Daniell Harrich das Drehbuch zum Spielfilm ,Der blinde Fleck‘. Zum Kinostart im Januar 2014 legte Chaussy die Fortschreibung seiner Recherchen wiede- rum als Buch vor, diesmal mit dem Untertitel ,Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann‘.
Chaussy ist ein hartnäckiger und erfolgreicher Wahrheitssucher. Es gab Zei- ten, da wurde er für einen Staatsfeind gehalten, weil er nach den rechtsra- dikalen Hintermännern des Anschlags forschte. Seine Recherchen haben die Bundesanwaltschaft veranlasst, den begründeten Zweifeln an der Einzeltäter-Theorie nachzugehen und im Dezember 2014 die Ermittlungen wieder aufzunehmen.
Die Hypothesen von nicht politisch motivierten Einzeltätern prägten jahr- zehntelang den Blick auf den Rechtsextremismus und liegen auch dem
Versagen von Polizei, Staatsschutz und Staatsanwaltschaft u.a. bei den Ermittlungen der Verbrechen des NSU zugrunde. Aber diese Verbrechen haben Wurzeln, eine große Wurzel steckt in der Münchner Theresienwiese. Ulrich Chaussy hat diese Wurzel ausgegraben. Wenn die Ermittlungsbe- hörden seine Recherchen früher beachtet hätten – vielleicht hätte einiges Schlimme verhindert werden können.“
Der Jury unter dem Vorsitz von Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers gehörten in diesem Jahr an: Sibylle Bassler (ZDF München), Professor Dr. Hans-Bernd Brosius (Ludwig-Maximilians-Universität), Amelie Fried (Autorin und Publizistin), Christiane Grefe (Die Zeit), Professor Dr. Heribert Prantl (Preisträger 2013), Ruthart Tresselt (Presseclub München e.V.) sowie aus dem ehrenamtlichen Stadtrat Kathrin Abele und Klaus Peter Rupp (beide SPD-Fraktion), Dr. Florian Roth (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/Rosa Liste) sowie Beatrix Burkhardt und Marian Offman (beide CSU-Fraktion). Die öffentliche Preisverleihung findet im Sommer im Rahmen einer geschlossenen Festveranstaltung im Literaturhaus statt.
Weitere Informationen unter www.muenchen.de/kulturfoerderung, Stichwort „Preise“.