Haftpflichtversicherung für „Flüchtlinge“
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 19.2.2016
Antwort Stadtkämmerer Dr. Ernst Wolowicz:
In Ihrer Anfrage haben Sie folgen Sachverhalt zugrunde gelegt:
„Städte, Gemeinden und Kreise sorgen für die Unterbringung und Be- treuung von Asylbewerbern und ‚Flüchtlingen‘. Für von diesen verursachte Schäden besteht in der Regel kein Versicherungsschutz, d.h. ‚Flüchtlinge‘ und Asylbewerber sind nach dem bürgerlichen Gesetzbuch persönlich zum Ausgleich der von ihnen verursachten Schäden verpflichtet. In den wenig- sten Fällen sind diese aber finanziell in der Lage, die Ersatzansprüche der Geschädigten zu erfüllen, weshalb für letztere ein nicht unerhebliches Ri- siko besteht, für entstandene Schäden selbst aufkommen zu müssen. In Ausnützung dieser Marktlücke bieten seit einiger Zeit verschiedene Versicherer eine spezielle Privat-Haftpflichtversicherung für Asylbewerber und ‚Flüchtlinge‘ an. Im Online-Werbetext eines einschlägigen Versicherers heißt es dazu etwa: ‚Unsere Privat-Haftpflichtversicherung für Asylbewer- ber und Flüchtlinge deckt diese Schäden. Als Kommune schließen Sie die Versicherung für alle in Ihrer Zuständigkeit untergebrachten Asylbewerber und Flüchtlinge mitsamt ihrer Familien ab. Die Versicherungssumme be- trägt 10 Mio. EUR je Schadenfall.‘
Allerdings bleiben Fragen offen. Durch die Unterbringungspauschale, die Landkreise und Städte für die Unterbringung von ‚Flüchtlingen‘ erhalten, ist der Versicherungsbeitrag nach geltender Rechtslage nicht abgedeckt. Im sächsischen Integrationsministerium wurde deshalb schon im Mai 2015 auf den problematischen Umstand hingewiesen, dass ‚eine vom Staat finanzierte Haftpflicht für Asylbewerber ein Geschenk an die Versicherungs- wirtschaft wäre. Das könne möglicherweise sogar die Rechnungshofprüfer auf den Plan rufen‘ (zit. nach: http://www.mdr.de/nachrichten/haftplicht- asyl100_zc-e9a9d57e_zs-6c4417e7.html zuletzt aufgerufen: 19.2.2016, 2.49 Uhr; KR). – Fragen nach der Handhabung durch die LHM sind nahelie- gend.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wie ist die Haftpflichtversicherung von durch die LHM untergebrachten Asylbewerbern und „Flüchtlingen“ geregelt? Konkret: inwieweit macht die LHM von einschlägigen Angeboten von Versicherern Gebrauch, die spezi-elle Privat-Haftpflichtversicherungen für Asylbewerber und „Flüchtlinge“ anbieten?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München versichert grundsätzlich nur ihre eigenen Risiken und keine Risiken Dritter. In Deutschland besteht mit Ausnahme der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung grundsätzlich keine Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Dies gilt auch für Asylbewerber und Flüchtlinge. Die Landeshauptstadt München hat für alle in ihrer Betreuung und damit in ihrer Verantwortung stehenden Minderjährigen eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen. Dieser Versicherungsschutz besteht damit auch für die in der Betreuung der Landeshauptstadt München stehenden unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber und Flüchtlinge.
Frage 2:
Welche Summe war dafür von der LHM im Jahr 2015 ggf. aufzuwenden?
Antwort:
Entfällt, siehe Antwort zu Frage 1. Für den Versicherungsschutz der in der Betreuung der Landeshauptstadt München stehenden Minderjährigen ist alleine die Tatsache der Minderjährigkeit relevant, weitere Informationen liegen nicht vor.
Frage 3:
Wie viele Fälle von durch in der LHM untergebrachten Asylbewerber und „Flüchtlinge“ verursachten konnten dadurch ggf. im Jahr 2015 abgewickelt werden?
Antwort:
Entfällt, siehe Antwort zu Frage 1 und 2.Grundsätzlich keine Sozialhilfe für erwerbsfähige Unionsbürger – wie entscheidet die LHM?
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 24.2.2016
Antwort Sozialreferentin Brigitte Meier:
In Ihrer Anfrage vom 24.2.2016 führen Sie Folgendes aus:
„Erwerbsfähige EU-Bürger, die aufgrund eines gesetzlichen Ausschlusses keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (‚Hartz IV‘) er- halten können, weil sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Ar- beitssuche ergibt oder sie kein Aufenthaltsrecht haben, sind grundsätzlich auch dann vom Bezug von Sozialhilfe ausgeschlossen, wenn sie sich be- reits sechs Monate in Deutschland aufgehalten haben. Das hat dieser Tage das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in einem Eilverfahren entschieden. Der Beschluss vom 10.2.2016 ist rechtskräftig (Az. L 3 AS 668/15 B ER, BeckRS 2016, 66282). Damit weicht das LSG von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab, wonach bei einem Aufenthalt von EU-Bürgern im Bundesgebiet von mindestens sechs Monaten Sozialhilfe geleistet werden muss, weil das vom Gesetz vorgesehene Ermessen der Sozialhilfeträger zur Leistung in diesen Fällen auf Null reduziert sei. Das LSG argumentiert demgegenüber, dass angesichts des gesetzlich ausdrücklich geregelten Leistungsausschlusses für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, dem Sinn und Zweck dieser Re- gelung, einer ‚Einwanderung in die Sozialsysteme‘ entgegenzuwirken und der Zielsetzung des Gesetzgebers, einen solchen Leistungsausschluss sicherzustellen, den
Ermessensleistungen, sofern man sie überhaupt für anwendbar halte, in diesem Zusammenhang allenfalls ein Ausnahmecharakter beigemessen werden könne. Es bedürfe daher im Einzelfall besonderer Umstände, um von dem grundsätzlich geltenden Leistungsausschluss abzuweichen. Eine Leistungsgewährung an den in Rede stehenden Personenkreis sei im übrigen weder europarechtlich geboten noch ergebe sich eine entspre- chende Verpflichtung aus dem Grundgesetz, denn der dem Grundgesetz verpflichtete Gesetzgeber habe keine verfassungsrechtliche Pflicht, über die gesetzlichen Regelungen hinaus jedem Menschen, der sich – aus wel- chen Gründen auch immer, also legal oder illegal – in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, voraussetzungslose Sozialleistungen zu gewähren und die drei bestehenden Existenzsicherungssysteme, deren verfassungs- rechtlicher Kern das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdi- gen Existenzminimums ist, um eine weitere Regelung zu ergänzen.“Zu Ihrer Anfrage vom 24.2.2016 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wie entscheidet die LHM bzw. das Jobcenter München?
Antwort:
Das Bundessozialgericht hat am 3.12.2015 in drei Entscheidungen festgestellt, dass Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, die gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
SGB XII erhalten sollen. Die Begründungen zu diesen Urteilen liegen erst seit kurzem vor. Über das weitere Vorgehen kann erst entschieden werden, wenn die Begründungen zu allen drei Urteilen geprüft werden konnten. Der Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz wird in die Prüfung einbezogen.
Das Jobcenter München entscheidet nach seinen Vorgaben, die höchstrichterlich bestätigt wurden, und schließt EU-Bürgerinnen und - Bürger, die sich zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, rechtmäßig von Leistungen nach dem SGB II aus.
Frage 2:
Wie viele Anträge wurden seit 1.1.2015 von der LHM bzw. vom Jobcenter München wie beschieden (bewilligt/abgelehnt) bzw. befinden sich noch im Widerspruch/Gerichtsverfahren?
Antwort:
Das IT-Verfahren der LHM für die Leistungsberechnung im SGB XII sieht keine Statistik über die Gründe für Leistungsbewilligungen bzw. -ablehnungen vor. Widersprüche und Klagen gegen die LHM in dieser Angelegenheit wurden bisher nicht bekannt. In sechs Verfahren gegen das Jobcenter München erfolgte eine Beiladung der LHM.
Das Jobcenter München geht in einer qualifizierten Schätzung (das dortige IT-System differenziert nicht zwischen den unterschiedlichen Leistungsausschlüssen in § 7 SGB II) von 36 Widersprüchen, 15 Klagen, 22 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, zwei Berufungen
und acht Beschwerden in dieser Rechtsfrage aus. Auch die IT des Jobcenters München sieht keine Auswertung der Gründe für bzw. gegen eine Bewilligung von Leistungen vor.