Was kann und muss das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) in einer Organisation heute leisten, um die psychische Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten und zu fördern? Diese Frage diskutierten am 18. und 19. April mehr als 400 Fach- und Führungskräfte aus dem öffentlichen Dienst mit Experten aus Wissenschaft und Praxis. Unter dem Motto „Geht‘s noch?!“ hatte die Landeshauptstadt München im Rahmen des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Projekts „psyGA“ zu einer zweitägigen Tagung in den Alten Rathaussaal eingeladen. Sie kooperierte dabei mit dem Deutschen Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung. Personal- und Organisationsreferent Dr. Thomas Böhle skizzierte die Ausgangslage: „In Zeiten wachsenden Arbeitsdrucks und einer immer älter werdenden Belegschaft ist der Erhalt der Arbeitsfähigkeit unserer Beschäftigten von enormer Bedeutung. Umso wichtiger sind die Instrumente des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, die dazu beitragen, die Arbeitsfähigkeit möglichst lange zu erhalten.“
Im Folgenden eine Zusammenstellung der Diskussionsschwerpunkte:
Ältere entlasten
„Nicht kleckern, sondern klotzen, man muss viel tun für den Erhalt der Arbeitsfähigkeit“, ist das Credo von Professor Dr. Heinrich Geißler, der sich an der Universität Potsdam und als selbstständiger Berater schwerpunktmäßig mit altersgerechter Arbeitsgestaltung beschäftigt. Er sieht in unserer Gesellschaft zu viel Schwarz-Weißdenken und zu wenig Denken in Übergängen. Altern sei ein Übergang, bei dem die körperlichen Fähigkeiten nachlassen, während sich die sozialen, geistigen und psychischen weiterentwickelten. Ältere müssten von körperlichen Anstrengungen und Zeitdruck entlastet werden. Pauschale Modelle seien allerdings nicht hilfreich, denn die individuellen Bedürfnisse einer älteren Arbeitskraft müssten berücksichtigt werden.
BGM ist mehr als nur Äpfel und Sportangebote
„Betriebliches Gesundheitsmanagement ist wie eine Wundertüte, man weiß nicht so recht, was drin ist“, stellte Olaf Schäfer, Personalchef des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft fest. In der Wundertüte muss heute mehr drin sein als bisher – Äpfel auf dem Konferenztisch oder Sportangebote allein genügten nicht mehr. Auch die Ziele des BGM müssen überdacht werden: „Aus Sicht von Führungskräften ist die Reduzierung des Krankenstandes wichtigstes Ziel eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements, erklärte Sabine Can, Leiterin des Betrieblichen Gesundheitsmanagements der Landeshauptstadt München. „Der Krankenstand ist als Spitze des Eisbergs ein sogenannter Spätindikator, der von vielen – nicht beeinflussbaren Faktoren – abhängig ist. Insofern muss primäres Ziel eines Gesundheitsmanagements vor allem sein, die Arbeitsfähigkeit unserer Beschäftigten zu erhalten oder zu verbessern.“ Die Gesundheitsmanagerin betonte die zentrale Rolle, die Führungskräften in diesem Kontext zukomme.
Führung ist der Knackpunkt
Auch Cans Kollegin aus Mannheim, Teresa Schultz, sprach dieses Thema an: „Führung ist für uns der Knackpunkt, ob sich Betriebliches Gesundheitsmanagement etablieren kann.“ Sie habe zum Beispiel festgestellt, dass ein guter Führungsstil der wichtigste Faktor sei für die Arbeitsfähigkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab 51 Jahren. Doch was macht eine gute Führungskraft aus? Für Professor Dr. Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, spielt dabei Vertrauen die Hauptrolle. Führungskräfte müssten sich das Vertrauen ihres Teams verdienen: „Was du als Führungskraft sagst und was du machst, muss deckungsgleich sein, sonst wird es eng.“ Eine Führungskraft müsse auch nahbar sein und jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter das Gefühl geben, an seinem Platz richtig und wichtig zu sein.
Konfliktmanagement reduziert Stress
Zusätzlich muss die Führungskraft ein gutes Konfliktmanagement beherrschen. „Konflikte gehören zu den häufigsten Stressoren in der Arbeitswelt“, erklärt Michaela Reichertz, die Leiterin der Zentralen Stelle für Mediation und Konfliktmanagement der Landeshauptstadt München. „Studien haben gezeigt, dass in Organisationen mit einer guten Konfliktkultur das Ausmaß von Krankheit insgesamt geringer ausgeprägt ist.“
Vitalität statt Überorganisation
Professor Dr. Hans Wüthrich, Managementforscher an der Universität der Bundeswehr, konstatierte eine Überorganisation und zu hohe Regelungsdichte im öffentlichen Dienst. Dadurch ginge Vielfalt verloren, die aber wichtig sei für die Vitalität einer Organisation. Er empfiehlt, Menschen mit interessanten und atypischen Lebensbiografien einzustellen. „Haben Sie den Mut, kantige Steine zu rekrutieren!“ Zudem rät er zur „Deprofessionaliserung“ bzw. „Entrümpelung“, zum Beispiel könnte man auf Zeiterfassung und Reporting gut verzichten. Gleichzeitig müsse man Raum für Experimente schaffen, wie zum Beispiel einen Führungsrollentausch. Über neue Erlebniswelten könne man wieder Lebendigkeit in die Organisation bringen.
Auf YouTube, Stichwort ArbeitgeberMuenchen, Tagung zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz oder unter dem Link http://www.youtube.com/watch?-v=8NnX_JcfDVs findet sich ein Video von der Veranstaltung.