Funktioniert die Mietpreisbremse in München nicht?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Gülseren Demirel und Sabine Krieger (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 29.3.2016
Antwort Sozialreferat:
In Ihrer Anfrage vom 29.3.2016 führen Sie Folgendes aus:
„Am 1.8.2015 ist in München die Mietpreisbremse in Kraft getreten. Das bedeutet, dass bei Neuvermietungen die Miete maximal 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, die in München vom Münchner Mietspiegel definiert wird. Ausnahmen gibt es beim Neubau oder umfas- senden Modernisierungen. Ein Vermieter darf bei Neuvermietungen immer die bisherige Miete verlangen, selbst wenn sie über dem Mietspiegel liegt. Wenn man den freien Immobilienmarkt betrachtet, werden in den inner- städtischen Stadtbezirken aber fast nur Wohnungen angeboten, deren Mieten offensichtlich deutlich über dem Mietspiegel liegen. So wird z.B. in der Maxvorstadt eine 2-Zimmer-Wohnung mit 45 qm, Baujahr 1963 zu einem Quadratmeterpreis von 25 Euro angeboten. Ähnliche Angebote gibt es für Mieten zwischen 18 und 27 Euro. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Miete vorher auch schon so hoch war. Die ortsübliche Miete liegt zwi- schen 14 und 16 Euro.
Auch bei den Maklerkosten gilt jetzt das Bestellerprinzip. Offensichtlich wird dies, selbst bei Umzügen im selben Gebäude, umgangen.“
Zu Ihrer Anfrage vom 29.3.2016 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wie wird die Einhaltung der Mietpreisbremse in München gewährleistet?
Antwort:
Die Vorschriften zur Mietpreisbremse unterliegen dem Privatrecht, so dass ein öffentlich-rechtliches Tätigwerden der Stadt München nicht möglich ist. Der beste Mieterschutz wird dadurch gewährleistet, dass die Mieterinnen und Mieter ein umfangreiches Beratungsangebot erhalten, im Rahmen dessen sie sich über ihre Rechte informieren können. Diesbezüglich können sie sich an die Beratungsstelle in Miet- und Wohnungsfragen im Amt für Wohnen und Migration, an die örtlichen Mietervereine (bei Mitgliedschaft) oder an Fachanwälte für Mietrecht wenden.Frage 2:
Wird sie von der Stadt München kontrolliert, beispielsweise durch stichpro- benhafte Sichtung von Immobilienangeboten?
Antwort:
Derzeit wird dies nicht kontrolliert, da der Landeshauptstadt München ein hoheitliches Einschreiten auf Grund der Rechtslage nicht möglich ist, siehe Antwort zu Frage 1.
Frage 3:
Werden Mieter bei der Einforderung ihrer Rechte durch die LH München beispielsweise durch einen festen Ansprechpartner oder Hotline, unter- stützt?
Antwort:
Ja: Ratsuchende können sich an die städtische Mietberatungsstelle im Amt für Wohnen und Migration wenden. Die dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen über eine große mietrechtliche Kompetenz, insbesondere auch hinsichtlich der Anwendung des Münchner Mietspiegels. Die Kundinnen und Kunden erhalten eine eingehende – und kostenlose – Beratung.
Zu beachten ist aber, dass Beratungen nur dann durchgeführt werden können, wenn die Münchner Bürgerinnen und Bürger nicht bereits von einem Anwalt vertreten werden oder Mitglied bei einem Mieterverein sind.
Frage 4:
Stimmt es, dass die Miete als akzeptiert gilt, wenn die erste Mietpreiszah- lung stattgefunden hat? Kann der/die Mieter/in danach noch Geld zurück- verlangen?
Antwort:
Um eine Wohnung anmieten zu können, bleibt den Mieterinnen und Mietern in der Regel keine andere Wahl, als den vorgelegten Mietvertrag zu unterschreiben. Der Gesetzgeber hat allerdings geregelt, dass die Mietpartei damit nicht unwiderruflich eine zu hohe Miete akzeptieren und damit auf Dauer bezahlen muss: Wenn Vermieter und Mieter eine Miete vereinbaren, die gegen die Mietpreisbremse verstößt, bleibt der Mietvertrag bestehen. Nur die Vereinbarung über die Miethöhe ist unwirksam, soweit sie die zulässige Miete übersteigt (vgl. § 556 g Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Die Mietpartei kann Rückzahlungsansprüche nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung wegen zu viel gezahlter Miete nach Abs. 2 der genannten Vorschrift aber nur geltend machen,soweit sie den Verstoß gegen die Mietpreisbremse gerügt hat und die zurückverlangte Miete nach Zugang der Rüge fällig geworden ist. Dabei muss der Verstoß in Textform (z.B. E-Mail oder Fax) gerügt und müssen die Tatsachen mitgeteilt werden, aus denen ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse hergeleitet wird.
Frage 5:
Gibt es Anzeichen dafür, dass die Mietpreisbremse vermehrt durch Vermie- tung von möblierten Wohnungen umgangen wird, für die der Mietspiegel nicht gilt?
Antwort:
Hierfür sind keine belastbaren Zahlen bekannt.
Frage 6:
Wie kann verhindert werden, dass Mieten, die offensichtlich überteuert sind und bei einer Einhaltung der Regeln der Mietpreisbremse niedriger sein müssten, bei der Fortschreibung des Mietspiegels mit berücksichtigt werden?
Antwort:
Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gemäß § 558 Abs. 2 BGB aus den üblichen Entgelten, die in einer Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung und Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden sind, gebildet. Dem Mietspiegel für München 2017 werden die neu vereinbarten und geänderten Mieten der Jahre 2012 bis 2015 zugrunde gelegt (Stichmonat für die Datenerhebung: Januar 2016).
Laut Börstinghaus, WM 5/2012, S. 250 bedeutet „üblich“ im allgemeinen Sprachgebrauch, dass etwas in erheblich mehr als 50% der Fälle zutrifft.
Da durch die Mietspiegelwerte in der Regel nicht alle Mietunterschiede erklärt werden können, sollten im Sinne der vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen herausgegebenen „Hinweisen zum Erstellen von Mietspiegeln“ Spannen ausgewiesen werden. Diese Spannen müssen den jeweils niedrigsten und höchsten Wert des Feldes so bestimmen, dass zwischen diesen Werten die „üblichen“ Mietwerte liegen. In der Praxis wird häufig eine 2/3-Spanne als „üblich“ angesehen, d.h. zwei Drittel aller beobachteten Mietpreise liegen innerhalb der Spanne. Ein Sechstel im oberen und unteren Bereich der erhobenen Daten werdendabei jeweils gekappt. Die Landeshauptstadt München ist im Rahmen der Erstellung der Mietspiegel für München dieser Empfehlung stets gefolgt.
Nach Schmidt-Futterer, 12. Auflage, § 558 Rn. 130 werden Extremwerte auf diese Weise bereits eliminiert.
Nach Einführung der Vorschriften zur Mietpreisbremse kann eine mehr als 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegende Miete teilweise unwirksam sein. Solche mietpreiswidrigen Neuvertragsmieten dürfen nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Nichtige Rechtsgeschäfte können und dürfen nicht Maßstab für andere Rechtsgeschäfte sein.
Laut Schmidt-Futterer, 12. Auflage, § 558 Rn. 131 kann bei einer Datenerhebung i.d.R. nicht zwischen preisrechtlich zulässigen und preisrechtlich unzulässigen Mieten unterschieden werden. Gerade die Eliminierung mietpreisrechtswidriger Mieten sei in der Praxis schwierig. Theoretisch müssten die nichtigen Mietvereinbarungen alle eliminiert bzw. auf den zulässigen Wert reduziert werden. In der Praxis einer Massendatenerhebung ist es allerdings so gut wie unmöglich, eine solche Überprüfung vorzunehmen.
Daher spricht Schmidt-Futterer a.a.O. von einem Heranziehen pauschalierter Abzüge um diesem Phänomen zu begegnen. Die prozentualen Werte, um die der Datenbestand bereinigt werden sollte, dürfen jedoch nicht willkürlich sein. Sie müssen auf praktischen Erfahrungen oder einer eigenen Stichprobe beruhen. Hier bleiben die Erfahrungen im Rahmen der Datenanalyse für den Mietspiegel für München 2017 abzuwarten. In diesem Sinne meint auch Schmidt-Futterer, a.a.O., dass für Gemeinden mit Mietpreisbremse statistische Verfahren erst noch entwickelt werden müssten, da es zahlreiche Ausnahmen gäbe.
Da die Mietpreisbremse erst zum 1.8.2015 in der Landeshauptstadt München eingeführt wurde und der für den Mietspiegel für München 2017 relevante Erhebungszeitraum bereits die Jahre 2012 bis 2015 umfasst (vgl. oben), dürfte der Anteil an unrechtmäßig vereinbarten Neuvertragsmieten eher unbedeutend ausfallen. Dies hat zur Folge, dass die Auswirkung von Mieten, die entgegen der Einhaltung der Regeln der Mietpreisbremse vereinbart wurden, erst in den folgenden Mietspiegeln ein größeres Gewicht erlangen dürfte.Frage 7:
Ist der LH München bekannt, in welchem Umfang das Bestellerprinzip bei Maklerprovisionen umgangen wird?
Antwort:
Im zuständigen Fachbereich Makler- und Provisionsrecht des Kreisverwaltungsreferates gingen bislang vier Beschwerden von Mieterinnen und Mietern ein, wovon zwei unberechtigt waren. In den anderen beiden Fällen wurden Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, die derzeit noch anhängig sind (Stand 4.4.2016).
Frage 8:
Ist der LH München bekannt, wie viele Verfahren auf Grund einer Missach- tung der Mietpreisbremse bereits (erfolgreich) geführt wurden?
Antwort:
Hierfür sind keine belastbaren Zahlen bekannt.