Wann waren die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Stadtwerke bekannt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dr. Wolfgang Heubisch, Dr. Michael Mattar, Gabriele Neff, Thomas Ranft und Wolfgang Zeilnhofer-Rath (Fraktion Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung (FDP – HUT – Piraten)) vom 19.11.2015
Antwort Bürgermeister Josef Schmid, Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 19.11.2015 führen Sie als Begründung aus:
„Aus den Antworten des Oberbürgermeisters zu den Fragen der Stadtrats- kollegen von Bündnis90/Die Grünen/Rosa Liste am 17.11.2015 in der Rat- haus Umschau zur veränderten wirtschaftlichen Situation der Stadtwerke München GmbH und ihren Auswirkungen auf den städtischen Haushalt bleiben viele Fragen offen. Vor allem ist völlig unerklärlich, warum Informa- tionen, die sicherlich im Aufsichtsrat längst eine Rolle spielen mussten, die Verantwortlichen in der Stadt (OB, Kämmerer, 2. Bürgermeister und Wirt- schaftsreferent) nicht zum Nachdenken gebracht haben, welche Auswir- kungen sich auf den städtischen Haushalt hieraus ergeben werden. Wenn der Sprecher der Geschäftsleitung Herr Dr. Bieberbach in einem Interview des Münchner Merkurs bereits im März 2015 (Münchner Merkur 4.3.2015 http://www.merkur.de/lokales/muenchen/stadt-muenchen/stadtwerke- muenchen-chef-die-situation-ernst-4784276.html) deutlich gemacht hat, dass die Stadtwerke vor einem dramatischen Einbruch der Ertragssituation stehen, muss ein verantwortlicher Aufsichtsrat diese Situation diskutieren und möglichst Schritte einleiten, um das Ruder herumzureißen. Die Vorbe- reitung einer Rettungsaktion für die Stadtwerke mit 200 Millionen Euro Ka- pitalerhöhung und Grundstücksverkäufen in Höhe von 209 Millionen Euro kann nicht spontan erfolgt sein, sondern musste sicherlich entsprechend mit dem Aufsichtsrat und den städtischen Stellen besprochen worden sein. Allein die Bewertung der Grundstücke durch das Kommunalreferat hat sicher einen erheblichen Vorlauf gehabt.“
Vorbemerkung:
Die SWM sind nach wie vor ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen. Der Pressemitteilung vom 2.12.2015 kann entnommen werden, dass der operative Gewinn der SWM in 2015 mit rd. 400 Mio. Euro deutlich über Plan und sogar deutlich über dem Vorjahreswert von 366 Mio. Euro liegen wird. Zum guten operativen Ergebnis tragen nicht zuletzt die erneuerbaren Energien bei.Aufgrund von Sondereffekten in diesem Jahr wird allerdings ein negatives Ergebnis nach Steuern im SWM Konzern ausgewiesen werden. Beispielsweise werden aufgrund des derzeit sehr niedrigen Zinsniveaus die Rückstellungen für das Kernkraftwerk Isar II um rund 120 Mio. Euro erhöht. Zusätzlich werden – wie dies auch bei anderen großen Energieversorgern derzeit der Fall ist – bilanzielle Wertberichtigungen auf Anlagen zur Stromerzeugung und Gasgewinnung vorgenommen, da die Profitabilität einiger Projekte zwar noch positiv, aber aufgrund der gesunkenen Energiepreise deutlich schwächer einzuschätzen ist, als noch vor ein paar Jahren. Der Gewinn der Konzernmutter Stadtwerke München GmbH, der für die Finanzbeziehungen mit der Stadt München maßgeblich ist, wird rund 2 Mio. Euro betragen und an die Stadt abgeführt werden. Die übliche i.H.v. 100 Mio. Euro bei der Stadt München verbleibende Gewinnabführung wird damit verfehlt.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Energieversorgern finanziert die SWM auch den Münchner Nahverkehr und das Münchner Bäderangebot. Zusätzlich zu den Investitionen in die Ausbauoffensive Erneuerbare Energien, Geothermie zur Umsetzung „grüner Fernwärme“ und dem Netzausbau stehen auch im Verkehrsbereich hohe Investitionen an. Die Stadt München hat daher am 30.9.2015 beschlossen, einen Betrag in Höhe von 200 Mio. Euro der Kapitalrücklage der SWM zuzuführen, um das ehrgeizige Investitionsprogramm der nächsten Jahre durchzuführen in der Erwartung, künftige Gewinnausschüttungen zu erhalten. Die SWM hat angekündigt, in den Jahren 2016 ff. wieder entsprechend hohe Gewinne zu erwirtschaften, so dass eine Ausschüttung i.H.v. 100 Mio. Euro p.a. an die Stadt möglich ist.
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Hat der Oberbürgermeister, der 2. Bürgermeister und der Kämmerer das Interview mit Herrn Dr. Bieberbach im Münchner Merkur (MM) vom 4.3.2015 gelesen? Hierin fragte MM: Werden die Stadtwerke ein Sanie- rungsfall wie die Städtischen Kliniken? Dr. Bieberbach: Nein, dass wir dau- erhaft defizitär werden, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Antwort:
Das Interview ist der Stadtspitze bekannt.Frage 2:
Welche Schlüsse wurden hieraus gezogen?
Antwort:
Siehe hierzu die Ausführungen in Absatz 1 und 2 der Vorbemerkung.
Frage 3:
Kam es zu einer (außerordentlichen) Behandlung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens im Aufsichtsrat? Wann war dies?
Antwort:
Der Aufsichtsrat wird quartalsweise über die Ergebnisentwicklung des Unternehmens sowie in allen Aufsichtsratssitzungen hierzu informiert. Die Sitzungen fanden statt am 28.4.2015, 21.7.2015, 8.10.2015.
Frage 4:
Hat die Geschäftsleitung der Stadtwerke bereits vor dem Interview den Aufsichtsrat oder den Aufsichtsratsvorsitzenden über den Ertragseinbruch informiert?
Antwort:
Die Geschäftsführung ist ihren Berichtspflichten nachgekommen. Der Inhalt von Aufsichtsratssitzungen ist vertraulich. Zum Zeitpunkt des Interviews war die Höhe des Rückstellungs- und Wertberichtigungsbedarfs nicht bekannt, die Entwicklung des operativen Ergebnisses war auch im März gut; siehe auch die Ausführungen in der Vorbemerkung.
Frage 5:
Hat der Aufsichtsrat Maßnahmen beschlossen, um eine Verlustsituation der Stadtwerke für 2015 zu verhindern? Welche Maßnahmen wurden wann im Aufsichtsrat beschlossen?
Antwort:
Das Ergebnis des SWM Konzerns im Jahr 2015 ist auf Sonderfaktoren, insbesondere bilanzielle Wertberichtigungen, zurückzuführen, die vor allem durch die energiewirtschaftliche Lage bedingt sind. Das operative Ergebnis war im Jahr 2015 besser als geplant. Die Stadtwerke München haben jedoch das Projekt „Nachhaltig fit“ gestartet, um die großen Herausforderungen, vor denen alle Energieversorger stehen, zu meistern. Darüber hinaus wird die Ausbauoffensive Erneuerbare Energien vorangetrieben, da in die-sem Bereich die energiepolitische Zukunft gesehen wird. Der Aufsichtsrat steuert und überwacht die Gesellschaft im Rahmen seiner satzungsmäßigen Zuständigkeiten.
Frage 6:
Wer hat die Kapitalerhöhung von 200 Mio. Euro vorgeschlagen und wann war dies?
Antwort:
Siehe hierzu die Ausführungen in der Vorbemerkung sowie in der Stadtratsvorlage vom 30.9.2015 zu den Gründen der Kapitalerhöhung, die für die Gesellschafterin Anlass waren, diese vorzunehmen.
Frage 7:
Wann und von wem wurde angestoßen und der Vorstoß gemacht, Grund- stücke seitens der Stadtwerke an die Stadt zu verkaufen?
Antwort:
Die Planungen der SWM sahen stets vor, dass nicht betriebsnotwendige Grundstücke zur Finanzierung von Investitionen eingesetzt werden. Die Stadt München hat jedoch beschlossen, insbesondere Grundstücke, die von der Stadt selbst oder städtischen Töchtern genutzt werden, in ihr eigenes Grundstücksvermögen zu übernehmen. Im Juli 2015 wurde hierzu mit den konkreten Abstimmungen begonnen.
Ich hoffe, dass Ihre Fragen hiermit beantwortet werden konnten.