Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Übersicht der Kosten 2012-2016, Kosten für 2017 volljährig Gewordene
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 5.1.2017
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 5.1.2017 führen Sie Folgendes aus:
„Der Philosoph, Theologe und frühere Volkskammer-SPD-Fraktionschef Richard Schröder rief in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung ‚Die Welt‘ jetzt die explodierenden Kosten für die Betreuung sogenannter ‚unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge‘ (umF‘s) in Deutschland in Erinnerung und ebenso die Tatsache, dass es sich bei dieser Personengruppe – etwa wegen vergleichsweise häufiger Fälle von Erschleichung von Sozialleistun- gen, aber auch wegen Auffälligkeiten in puncto Delinquenzbelastung – um eine Problemgruppe handelt. Schröder rechnet vor: ‚Ein UMF kostet pro Monat etwa 5000 Euro, denn er muss ja rundum betreut werden, eben weil er unmündig und charakterlich noch ungefestigt ist. Das macht im Jahr 60.000 Euro. Für die 50.000 UMF des letzten Jahres werden wir also schlicht drei Milliarden Euro aufbringen müssen.‘ Anhand der vorliegenden Zahlen weist der Autor darüber hinaus darauf hin, dass sich die Zahl ‚unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge‘ in Deutschland allein innerhalb der letzten zwei Jahre verzehnfacht habe, und schlußfolgert: ‚Wenn wir das auf weitere zwei Jahre hochrechnen, hätten wir 2018 eine halbe Million zu erwarten. Diese Hochrechnung ist sehr fragwürdig, aber auch eine Verdopplung im nächsten Jahr wäre schwer zu verkraften.‘
Die frühere Sozialreferentin der LHM wies in einem Schreiben an die Bundesfamilienministerin bereits vom Januar 2016 darauf hin, dass die ‚Landeshauptstadt München (…) für die tausenden jungen Menschen, die in und außerhalb Münchens in der Zuständigkeit des Stadtjugendamtes München untergebracht wurden, viele Millionen Euro verauslagt, um rechtzeitig deren Unterkunft, pädagogische Betreuung, medizinische Versorgung sowie die Grundbedarfe wie Kleidung, Ernährung, Mobilität und Taschengeld sicherzustellen‘. Die verauslagten Kosten werden nach inzwischen geltender Rechtslage einheitlich mit dem Bezirk Oberbayern abgerechnet. Lokalpresse und Sozialreferat veranschlagen allein die angefallenen und verauslagten Kosten für rund 8500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die zwischen 2012 und Ende Oktober 2015 vom städtischen Jugendamt betreut wurden, auf rund 240 Millionen Euro an Steuergeldern. – Es stellen sich Fragen.“
Zu Ihrer Anfrage vom 5.1.2017 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wie viele Fälle von „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ wurden zwischen Ende Oktober 2015 und Jahresende 2016 neu vom städtischen Jugendamt der LHM in Obhut genommen?
Antwort:
Es wird davon ausgegangen, dass sich die Frage aufgrund des Bezugs zu den Gesetzesänderungen bezüglich Inobhutnahme und Kostenerstattung auf den Zeitraum ab 1.11.2015 bezieht. Im Zeitraum 01.11.2015 - 31.12.2016 wurden 378 unbegleitete Minderjährige nach § 42 SGB VIII in Obhut genommen.
Frage 2:
Verauslagte und erstattungsfähige Kosten in welcher Höhe fielen für diese Neufälle an?
Antwort:
Die Transferkosten des Stadtjugendamtes werden nach Haushaltsjahr (und nicht nach Hilfebeginn) im jährlichen Amtscontrollingbericht aufgeführt. Der Amtscontrollingbericht für 2016 erscheint voraussichtlich zum zweiten Quartal 2017.
Frage 3:
Kosten in welcher Höhe fielen zwischen 2012 und Jahresende 2016 für nicht erstattungsfähige, freiwillig von der LHM erbrachte Leistungen im Kontext der Betreuung „unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge“ an? Um welche Leistungen handelt es sich konkret?
Antwort:
Das Stadtjugendamt der LHM erbringt keine freiwilligen Leistungen im Kontext der Betreuung unbegleiteter Minderjähriger, die gesetzlichen Leistungen richten sich nach SGB VIII.
Frage 4:
Tausende „unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge“, als deren Geburtsdatum bei ihrer Einreise behördenseitig aus Gründen der Einfachheit der 1. Januar 1999 notiert wurde, wurden zum 1. Januar 2017 volljährig. Medien- berichten zufolge betrifft dies in Bayern einen Anteil von rund 65 Prozent der im Freistaat lebenden „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“. Weil die Betroffenen mit Erreichen der Volljährigkeit aus der Jugendhilfe herausfallen, müssen für weitere Betreuungskosten die Kommunen selbst aufkommen. Die bayerischen Kommunen und Bezirke befürchten deshalb für 2017 Mehrausgaben von rund 60 Millionen Euro (…). Welche Mehrkosten kommen nach Einschätzung des Sozialreferates auf die Landeshauptstadt München zu?
Antwort:
Vorbemerkung: Wenn ein junger Mensch aufgrund des Erreichens der Volljährigkeit aus der Jugendhilfe „herausfällt“, entstehen entsprechend auch keine Kosten für die Jugendhilfe.
Mit dem genannten Geburtsdatum befinden sich aktuell lediglich 22 Personen mit laufenden Hilfen in Zuständigkeit der LHM. Wir verweisen außerdem auf die Antwort zu Ihrer Anfrage vom 27.9.2016 (Nr. 14-20/F 00699): „Nach § 41 Abs. 1 SGB VIII soll jungen Volljährigen Hilfe für Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenständigen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die individuelle Situation dies erforderlich macht. Es besteht also in der Regel ein Rechtsanspruch auf Hilfe, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Prüfung der Voraussetzungen für Hilfebedarf sowie die Ermittlung der geeigneten Hilfe sind Gegenstand einer pädagogischen Einzelfallprüfung. Eine generalisierte Aussage über das Ergebnis dieser Einzelfallprüfungen kann deshalb nicht getroffen werden.“
Des Weiteren bezieht sich die Erstattungspflicht des überörtlichen Kostenträgers ebenso auf Jugendhilfe für junge Volljährige. Es entstehen entsprechend keine Mehrkosten.