Wohnungen statt immer mehr Hotels
Antrag Stadtrat-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch, Sabine Krieger und Sabine Nallinger (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 20.10.2016
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag vom 20.10.2016 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Zunächst bedanke ich mich für die eingeräumte Fristverlängerung für die Beantwortung Ihrer Anfrage vom 20.10.2016 recht herzlich.
Sie wünschen Aufklärung über die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Zulässigkeit von Hotels und Wohnungen in gewerblichen Lagen und
Mischgebieten. Ferner regen Sie ein strategisches Vorgehen an, um in diesen Gebieten einen überwiegenden Neubau zur Wohnnutzung statt weiterer Hotels und Boardinghäuser zu erreichen.
1. Rechtliche Rahmenbedingungen
a) Gewerbegebiete
Im Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) sind Wohnungen nur in Ausnahmefällen und auch dann nur für einen sehr beschränkten Personenkreis als Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen, Betriebsinhaber und Betriebsleiter zulässig (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO). Dagegen sind in diesem Gebiet Hotelbetriebe als Gewerbebetriebe aller Art allgemein zulässig. Der Begriff „Boardinghaus“ wird dabei nicht einheitlich verwendet. Boardinghäuser können im Einzelfall je nach konkreter Ausgestaltung und Betriebsform mal als Hotelbetrieb mal als „Wohnen“ zu qualifizieren sein. Tendenziell sind „Boardinghäuser“ aber in Abgrenzung zu „Appartmenthäusern“ (als Wohnen einzustufen) eher einem Beherbergungsbetrieb (als Gewerbe einzustufen) zuzuordnen. Ich gehe im Folgenden davon aus, dass Sie in Ihrem Antrag Boardinghäuser in dieser gewerblichen Ausprägung ansprechen. Dieser Typus ist im Gewerbegebiet grundsätzlich als Variation eines Hotelbetriebes zulässig.
Es besteht rechtlich keine Möglichkeit, den Anteil an klassischer Wohnnutzung im Gewerbegebiet zu erhöhen.b) Mischgebiete
Mischgebiete (§ 6 BauNVO) sind durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Wohnen und nicht störender gewerblicher Nutzung geprägt. Hier bestehen Möglichkeiten, den Wohnanteil bis zu der Grenze zu erhöhen, ab der das Gebiet den Charakter als Mischgebiet verlieren würde. Für die Einstufung eines „Boardinghauses“ als Wohnnutzung oder Beherbergungsbetrieb gelten die obigen Ausführungen zum Gewerbegebiet analog. Für das „Gemischtsein“ von Wohnnutzung und Gewerbenutzung kann kein festes Verhältnis bestimmt werden. Insgesamt darf weder Gewerbe noch Wohnen dominieren. Dies bedeutet aber gleichwohl, dass etwa auch ein Verhältnis der für Wohnzwecke genutzten Grundstücksflächen zu den gewerblich genutzten Grundstücksflächen von 70% zu 30% in einem besonders gelagerter Einzelfall noch den Charakter des Mischgebietes wahren kann. Ein Verhältnis von 60% zu 40% ist in der Regel stets zulässig. Hier muss jeweils der konkrete Fall betrachtet werden und eine städtebaulich legitimierte Begründung gefunden werden. So kann es – unabhängig von den sich dann ergebenden prozentualen Verteilung auf alle Flächen im Mischgebiet – gerechtfertigt sein, etwa gewerbliche Nutzungen nur auf Rückgebäude oder nur auf eine Erdgeschossnutzung zu beschränken und im Übrigen Wohngebäude zuzulassen. Dies Beispiel mag zeigen, dass im Mischgebiet größere Spielräume im konkreten Einzelfall bestehen können, um eine Wohnnutzung im größeren Umfang zuzulassen.
c) Kerngebiete
Hier sind Hotels als „Betriebe des Beherbergungsgewerbes“ allgemein zulässig (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Auch ein untergeordneter Wohnanteil ist im Einzelfall als Ausnahme (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) zulässig. Als Richtschnur kann hier aber gelten, dass im Regelfall ein Wohnanteil von 20%, maximal 30% nicht überschritten werden darf, um eine Ausnahme in Betracht zu ziehen.
2. Planerische Rahmenbedingungen und Strategische Ausrichtung bei der Anwendung der Baunutzungsverordnung
a) Praxis in der Stadtplanung
Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist eine der zentralen und anspruchvollsten Aufgaben der stetig wachsenden Landeshauptstadt München. Auch im Bereich der Stadtplanung hat die Schaffung von Baurecht für Wohnen durch städtebauliche Planungen absolute Priorität. Dazu kommt in den Bebauungsplänen fast ausschließlich die Festsetzung von reinen und allgemeinen Wohngebieten zum Einsatz. Der Ausweisung von Wohnbaurechten sind jedoch auf Grund tatsächlicher Gegebenheiten auch Grenzengesetzt. So lässt sich z.B. entlang von Hauptverkehrsstraßen auf Grund der Lärm- und Emissionsbelastungen in der Regel eine Wohnnutzung mit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse nicht oder nur schwer vereinbaren.
Aufgabe der Bauleitplanung ist es, eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten. Dazu gehört neben der Schaffung von Wohnraum zur Deckung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung auch die Beachtung der Belange der Wirtschaft zum Erhalt, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Insoweit haben auch Hotels ihre Bedeutung für das wirtschaftliche Leben und Wohlergehen in München.
Der Stadtrat hat in den letzten Jahren in mehreren Beschlüssen deutlich gemacht, dass zur Schaffung von neuem Wohnraum alle Wohnungsbau-
potenziale ausgeschöpft werden müssen. Dafür werden festgesetzte Wohnbaurechte regelmäßig und vollständig entsprechend den jeweiligen Regelungen im Bebauungsplan für Wohnzwecke verwendet. Die bauliche Umsetzung wird in der Regel mit städtebaulichen Verträgen begleitet. In einzelnen Bebauungsplänen werden Hotels aber manchmal auch auf Flächen, die im Gewerbeflächenentwicklungsprogramm (GE-A Flächen) erfasst sind, ausgeschlossen. Betriebe des Beherbergungsgewerbes sind in Mischgebieten und Kerngebieten allgemein zulässig, sofern und soweit die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes eingehalten wird und im Bebauungsplan keine gesonderte Regelung getroffen ist. Sind hier in Bebauungsplänen Wohnanteile explizit festgesetzt, z.B. bei der Gliederung hinsichtlich der zulässigen Arten der Nutzung, sind Beherbergungsbetriebe nur in den nicht für eine Wohnnutzung oder für Wohngebäude festgesetzten Bereichen zulässig. Sie stellen dann insoweit keine Konkurrenz zum festgesetzten Wohnen bzw. Wohnanteil dar. Es kann dann hier auf der anderen Seite auch nicht abgeleitet werden, dass bei einem Verzicht auf Hotels und „Boardinghäuser“ zusätzliche Kapazitäten für Wohnnutzungen frei werden. Insoweit existiert auch keine systematisierte Befreiungs- und Ausnahmepraxis. Sicherlich wäre in Mischgebieten bei einer Erhöhung des Wohnanteils das Ziel „mehr Wohnungen“ erreichbar, allerdings ist die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes zu wahren. Ob die Grenze hier bei 50% Wohnnutzung oder mehr liegt (vgl. dazu bereits unter Ziffer 1), kann pauschal nicht beantwortet werden.
Entscheidend ist, was von den Bauantragstellenden zum Gegenstand des Antrages gemacht wird. Ein zulässiger Antrag ist zwingend zu genehmigen, auch wenn er eine Nutzung zum Gegenstand hat, die Wohnen nicht vorsieht. Dies kann sogar dann gelten, wenn die Zulässigkeit des Vorhabens eine Befreiung (§ 31 Abs. 2 Baugesetzbuch-BauGB) erfordert, wenn die Voraussetzungen für deren Erteilung ohne jeden Zweifel vorliegen. Dann liegt eine Ermessensreduzierung auf Null vor.b) In Sanierungsgebieten
Im Rahmen der Stadtsanierung kann die Sicherung des Wohnungsbaus inhaltlich in den Sanierungszielen verankert werden. Bei Vorhaben, die den Sanierungszielen nicht entsprechen, kann die sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 144 BauGB versagt werden. Zudem steht der Stadtsanierung zur Sicherung des Wohnungsbaus das Instrument des Sanierungsbebauungsplans mit entsprechenden Festsetzungen zur Verfügung. Damit bestehen vielfältige Einflussmöglichkeiten, im Sanierungsgebiet den Wohnungsbau zu fördern. Entscheidend ist jedoch auch hier eine Betrachtung der konkreten Situation vor Ort.
Als Beispiel ist das vieldiskutierte Projekt am Pasinger Marienplatz zu nennen. Im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet „Zentraler Geschäftsbereich Pasing“ werden Maßnahmen im Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ umgesetzt. Das Städtebauförderungsprogramm zielt auf den Erhalt und die Weiterentwicklung zentraler innerörtlicher Versorgungsbereiche als Standorte für Wirtschaft, Kultur, Wohnen, Arbeiten und Leben. Der Pasinger Marienplatz ist für die Verwirklichung der planerischen Ansätze der Stadtsanierung von zentraler Bedeutung und stellt im Integrierten Stadtteilentwicklungskonzept Pasing einen Schlüsselbereich dar. Die Positionierung eines Handelsmagneten am Pasinger Marienplatz entspricht den Sanierungszielen, die fußläufige Anbindung des Pasinger Marienplatzes an die Einzelhandelsflächen am Pasinger Bahnhof zu fördern und den Pasinger Rundlauf, u.a. durch die Errichtung einer öffentlichen Durchwegung durch den Blockinnenbereich, zu stärken. Eine Hotelnutzung an diesem Standort steht den Sanierungszielen nicht entgegen. Das Bauvorhaben am Pasinger Marienplatz wird nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 BauGB beurteilt. Eine Hotelnutzung ist baurechtlich zulässig und genehmigungsfähig. Aus der Sicht der Stadtsanierung eignet sich die Lage am Pasinger Marienplatz als schwerpunktmäßiger Wohnstandort durch das hohe Verkehrsaufkommen an der Bodensee-/ Planegger Straße und die knappe Freiflächenversorgung auf dem Grundstück mit vielen Nutzungsansprüchen nur eingeschränkt. Um die Wohnraumversorgung in Pasing zu verbessern, werden in erster Linie in Bebauungsplänen, wie z.B. dem Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. 1.922 a, zahlreiche Wohneinheiten mit angemessener Freiraumversorgung geschaffen. Damit zeigt dieses Beispiel, dass in bestimmten Lagen eine Wohnnutzung ungeeignet sein kann, während eine Hotelnutzung an dieser Stelle sinnvoll ist.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.