Brennelementesteuer ist verfassungswidrig – wie wirkt sich diese Entscheidung auf unsere Stadtwerke aus?
Anfrage Stadtrat Manuel Pretzl (CSU-Fraktion) vom 7.6.2017
Antwort Referent für Arbeit und Wirtschaft, Bürgermeister Josef Schmid:
In Ihrer Anfrage vom 07.06.2017 führten Sie als Begründung aus: „Nach einer heute veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde die bis Ende vergangenen Jahres erhobene Brennelementesteuer für Atomkraftwerke als rechtswidrig erklärt. Die Steuer wurde von 2011 bis Ende 2016 erhoben und sei rechtlich keine Verbrauchssteuer, weshalb der Bund sie nicht habe erheben dürfen, hieß es zur Begründung der Entscheidung. Das entsprechende Gesetz wurde damit rückwirkend für nichtig erklärt. Der Bund hatte laut Gericht mit der Steuer zwischen 2011 und 2016 insgesamt 6,285 Milliarden Euro eingenommen. Kraftwerksbetreiber haben damit Anspruch auf Rückzahlungen dieser Summen. Die Stadtwerke München sind direkt durch die Beteiligung von 25% bei dem Atomkraftwerk Isar II durch diese Entscheidung betroffen.“
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können anhand einer Stellungnahme der Stadtwerke München GmbH (SWM) wie folgt beantwortet werden:
Vorbemerkung der SWM:
Die Kernbrennstoffsteuer ist per Gesetz vom 08.12.2010 eingeführt und mit Inkrafttreten des Gesetzes ab 01.01.2011 erhoben worden. Sie war Teil eines vom Deutschen Bundestag als „Energiekonzept 2050“ beschlossenen Maßnahmenpakets. Ihre Einführung stand im Zusam menhang mit der damals ebenfalls gewährten Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke. Mit mindestens 2,3 Milliarden Euro Steueraufkommen sollte die Kernbrennstoffsteuer die Energiewende beschleunigen sowie allgemein der Haushaltskonsolidierung und der Finanzierung der Sanierung der Atommülllagerstätte „Asse II” dienen. Auch nach dem Widerruf der Laufzeitverlängerungen (als Reaktion auf Fukushima) blieb die Kernbrennstoffsteuer unverändert bestehen. Der Steuertarif betrug 145 Euro je Gramm in den Jahren 2011 bis 2016 eingesetzten Kernbrennstoffes (Plutonium, Uran). Die neben den SWM von der Kernbrennstoffsteuer betroffenen Versorgungsunternehmen (E.ON, RWE, EnBW) hatten von Anfang an erhebliche Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit der Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer. Sie setzten sich gegen die Festsetzung und Erhebung der Steuerzur Wehr, so dass letztendlich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen wurde.
Im Kern wandten sich die Klagen gegen folgende Punkte:
Fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes
Kernbrennstoffsteuer ist in ihrer Ausgestaltung keine Verbrauchsteuer
Das BVerfG hat nun mit Beschluss des 2. Senats vom 13.04.2017 das Kernbrennstoffsteuergesetz für nichtig erklärt. Kernbrennstoff, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wurde, unterlag wie bereits erwähnt einer Besteuerung in Höhe von 145 Euro je Gramm. Die Steuereinnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer betrugen für den Bundeshaushalt in den Jahren 2011 bis 2016 insgesamt 6,285 Milliar den Euro. Bei der Steuer handelte es sich nach Auffassung des Gesetzgebers um eine „Verbrauchsteuer im Sinn der Abgabenordnung“.
Das BVerfG sah jedoch eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes in diesem Fall nicht als gegeben an, denn Wesensmerkmal einer Verbrauchssteuer sei, nach Auffassung des Gerichts, dass diese auf den Letztverbraucher abgewälzt werden kann. Genau dies ist nach der Gesetzesbegründung für das Kernbrennstoffsteuergesetz aber nicht der Fall. Außerhalb der Regelungen der Finanzverfassung haben Bund und Länder kein Steuererfindungsrecht. Da das Gesetz ohne Kompetenzgrundlage erlassen wurde, war es verfassungswidrig. Grundsätzlich achtet das BVerfG im Steuerbereich das Interesse der öffentlichen Hand am vereinnahmten Steueraufkommen und gewährt dem Gesetzgeber hier einen großen Vertrauensschutz. Im Fall der Kernbrennstoffsteuer lag die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes jedoch nach Ansicht des BVerfG auf der Hand, so dass dem Bund insoweit kein Vertrauensschutz zustand. Deshalb erklärte das BVerfG das Kernbrennstoffsteuergesetz nicht nur für verfassungswidrig, sondern hob es als nichtig rückwirkend auf. Daher muss der Bund nun die von den Kernkraftwerksbetreibern gezahlte Kernbrennstoffsteuer in voller Höhe zurückzahlen.
Frage 1:
Welche Einnahmen haben unsere Stadtwerke München durch diese Entscheidung zu erwarten?
Antwort der SWM:
Die von den SWM gezahlten Steuern der Jahre 2011 bis 2016 beliefen sich insgesamt auf 193 Millionen Euro. Die Beträge wurden im Juni 2017 erstattet. Über die Zinsfestsetzung entscheidet das Finanzgericht. Bisher ist hierüber noch keine Entscheidung bekannt gegeben worden.
Frage 2:
Wie wirkt sich dieses Ergebnis auf die Bilanzen der betroffenen Jahre aus?
Antwort der SWM:
Der Betrag wird direkt bei der Stadtwerke München GmbH in der Bilanz abgebildet. In den Jahren 2011 bis 2016 wurden die Jahresbeträge jeweils als Aufwand erfasst, der Rückzahlungsbetrag wirkt sich ertragswirksam in der Bilanz 2017 aus. Es ist geplant, die liquiden Mittel zur Schuldentilgung zu verwenden. Da die Rückzahlung einen ertragsteuerpflichtigen Vorgang darstellt, kann die Landeshauptstadt München mit einer ungeplanten Gewerbeertragsteuer in Höhe von rund 38 Millionen Euro rechnen.
Ich hoffe, dass Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantwortet werden konnten.