Umgang mit Trennung und Scheidung sowie Inobhutnahmen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Verena Dietl, Anne Hübner, Christian Müller und Beatrix Zurek (SPD-Fraktion) vom 5.2.2015
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Sie beantragen die derzeitigen Verfahrensweisen im Umgang mit Trennung und Scheidung in der Landeshauptstadt München darzustellen und gezielt Verbesserungen vorzuschlagen.
Zu Ihrem Antrag vom 05.02.2015 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Dieser Antrag konnte sowohl auf Grund der Komplexität als auch verschiedener referatsinterner Abstimmungsrunden nicht innerhalb der geschäftsordnungsgemäßen Frist erledigt werden.
Die Bearbeitung der Antragspunkte erfolgte in Form verschiedener Beschlussvorlagen (vergleiche dazu nachfolgende Ausführungen zu Antragspunkt 1 und 3). Die weitere thematische Befassung sollte in der Beschlussvorlage „Kindeswohl und Kindesschutz in Sorge- und Umgangspflege und Sorge- und Umgangsverfahren sicherstellen“ erfolgen. Seit Oktober 2015 wurde diese Beschlussvorlage mehrfach zurückgestellt. Am 21.05.2015 wurde Verlängerung der Frist beantragt und genehmigt. Seitdem befindet sich die noch ausstehende Erledigung des Antrages im Status „Antrag aufgegriffen“. Aufgrund weiterer Abstimmungsprozesse wurde keine Fristverlängerung festgelegt. Mit der letztlichen Abstimmung am 26.05.2017 kann die Erledigung des Antrages vorgenommen werden.
In Punkt 1 Ihres Antrages wird vorgeschlagen, die derzeitige Verfahrensweise innerhalb des sog. Münchener Modells zu bewerten, die Rolle der einzelnen Akteure (Bezirkssozialarbeit, Familiengericht, Erziehungsberatungsstellen) darzustellen und im Wirkungskreis der Landeshauptstadt München mögliche Maßnahmen vorzulegen.
Die sehr positiven Ergebnisse der vierjährigen Umsetzungsphase wurden ausführlich im Evaluationsbericht zum Münchener Modell dargestellt und im KJHA am 26.04.2016 als Bekanntgabe behandelt. Damit ist der Punkt geschäftsordnungsgemäß erledigt.
In Punkt 2 Ihres Antrages wird vorgeschlagen, innerhalb der Bezirkssozialarbeit sicherzustellen, dass insbesondere strittige Fälle von Sorgerechtsverfahren mit besonderer Fachkenntnis begleitet und im Sinne der Kinder zu einem Ausgleich zwischen den Eltern geführt werden.Dieser Punkt ist Gegenstand der Beschlussvorlage „Kindeswohl und Kindesschutz in Sorge- und Umgangspflege und Sorge- und Umgangsverfahren sicherstellen“ mit dem Ausbau der Fachsteuerung und Fachaufsicht im Bereich Trennung/Scheidung/Umgang, die noch 2017 dem KJHA vorgelegt werden soll.
In Punkt 3 Ihres Antrages wird vorgeschlagen, den Ausbau der Erziehungsberatungsstellen, insbesondere im Zusammenhang mit deren Wirkungen, darzustellen.
Dieser Punkt wurde gesondert in der Beschlussvorlage “Regionale und überregionale bedarfsnotwendige Erziehungsberatung“ im KJHA am 27.10.2015 behandelt.
Damit ist der Punkt geschäftsordnungsgemäß erledigt.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, die verbleibenden Punkte 4-6 Ihres Antrages auf diesem Wege zu beantworten.
In Punkt 4 Ihres Antrages wird vorgeschlagen, für Inobhutnahmen und alle Maßnahmen des Sozialreferates, die gegen den Willen der Eltern durchgeführt werden, ein professionelles Beschwerdemanagement (z.B. in Form einer Ombudsstelle) zu schaffen.
Fachbeschwerden bei Trennung/Scheidung/Umgang werden regelhaft
von der zuständigen Fachsteuerung/Fachaufsicht im Stadtjugendamt bearbeitet. Eine Ombudsstelle, die eher vermittelnde Aufgaben hat, ist für diese fachaufsichtliche Prüfung nicht geeignet. Im Kontext von Trennung/ Scheidung/Umgang treten auch äußerst selten Inobhutnahmen auf, z.B. im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt, wenn der von häuslicher Gewalt betroffene Elternteil wieder in den ehelichen Haushalt oder die Partnergemeinschaft zurückgeht und dadurch erhebliche Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen und somit das Kindeswohl zu schützen ist. Primäres Ziel des achten Sozialgesetzbuches ist es, den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten und Eltern bei ihrer Erziehungsaufgabe zu unterstützen. Die Inobhutnahme dient primär der Gefahrenabwehr und ist nur dann erforderlich, wenn die Eltern nicht in der Lage oder Willens sind, eine akute oder drohende Gefahr selbst, mit Unterstützung Dritter oder mittels Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung abzuwenden und weniger eingreifende Maßnahmen nicht in Betracht kommen.
§ 8a SGB VIII legt als Verfahrensvorschrift fest, wie der Schutzauftrag der Jugendhilfe wahrzunehmen ist. Erfährt das Jugendamt von gewichtigenAnhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung, müssen die Fachkräfte diesen Hinweisen nachgehen. Zu den Verfahrensstandards nach § 8a SGB VIII gehören insbesondere das Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos sowie der Einbezug des Kindes oder Jugendlichen und der Personensorgeberechtigten – es sei denn, dass der Schutz des Kindes oder Jugendlichen dadurch in Frage gestellt wird. Sind Hilfen zur Abwendung der Gefährdung erforderlich, sind diese den Personensorgeberechtigten anzubieten. Die Inobhutnahme durch das Jugendamt ist die letzte Konsequenz eines bestehenden Schutzkonzeptes, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwehren.
Die rechtliche Grundlage für das Handeln des Stadtjugendamtes bei einer Inobhutnahme ist § 42 Abs. 1 SGB VIII. Mit der Inobhutnahme ist nicht der Verlust des Sorgerechts verbunden, dieses wird aber vorübergehend und partiell nach Maßgabe § 42 SGB VIII überlagert. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht mehr besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind die Gefährdung abzuwenden. Besteht nach Einschätzung des Jugendamtes die Gefährdung des Kindeswohls weiterhin, so muss das Familiengericht über die Notwendigkeit der Inobhutnahme informiert werden. Eine Fortdauer der Inobhutnahme, die nicht ohne Eingriff in die Rechte der Personensorgeberechtigten abgewendet werden kann, bedarf der Zustimmung des Familiengerichts. Das Familiengericht hat zu prüfen und zu entscheiden, welche Maßnahmen nach § 1666 BGB zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen erforderlich sind. Da das Familiengericht die Entscheidungen über die elterliche Sorge des Kindes oder Jugendlichen trifft, kann hier auf gängigen Rechtswegen Berufung eingelegt werden.
Aus diesem Grund ist eine städtische Ombudsstelle für Eltern nicht angebracht und auch nicht geplant.
In Punkt 5 Ihres Antrages wird gefordert darzustellen, wie zur Unterstützung von Familien mit Migrationshintergrund Hilfen zur Erziehung zielgenauer eingesetzt und eine interkulturelle Vermittlung verbessert werden kann.
Im Rahmen des Projektes „Interkulturelle Öffnung des Hilfeplanverfahrens“ (2005 - 2007) wurden interkulturelle Arbeitsstandards und entsprechende Handlungsempfehlungen für die Fachkräfte der Erziehungshilfenentwickelt. Interkulturelle Arbeitsstandards sollen die Zielsetzung „Alle Familien sollen bei Bedarf unabhängig ihrer Nationalität und Herkunft zu Erziehungshilfen gleichberechtigten Zugang haben (wie deutsche Familien) und Erziehungshilfen erfolgreich für sich nutzen können“ unterstützen. Die SBH/Leitung, die SBH/Teilregionsleitungen (TRL), die Bezirkssozialarbeit/Vermittlungsstelle/Wirtschaftliche Jugendhilfe werden interkulturell geschult zu „Werte und Normen“.
Die Teilregionsleitungen, die Bezirkssozialarbeit/Vermittlungsstelle/Wirtschaftliche Jugendhilfe sind bedarfsorientiert interkulturell geschult zu den Themen: Interkulturelle Kommunikation, Standards zum Einsatz von Dolmetschern, Erziehungsverhalten in unterschiedlichen Kulturkreisen, Kinderschutzproblematik in unterschiedlichen Kulturkreisen, Beratungs- und Hilfeverständnis in unterschiedlichen Kulturkreisen, Rolle/Aufgaben der Behörden, interkulturell geöffnetes Hilfeplanverfahren.
Die Fachkräfte befolgen in der Arbeit bei Familien mit Migrationshintergrund folgende Standards:
Die Fachkraft überprüft das Sprachverständnis bei der Familie oder einzelnen Familienmitgliedern.
Im Beratungsgespräch informiert die Fachkraft die Familie über den Hilfeplan, das Verfahren zur Hilfeerschließung, den Umgang mit Schweigepflicht und Datenschutz, das Beratungs- und Hilfeverständnis des Jugendamtes etc..
Die Fachkraft überprüft die Notwendigkeit, integrationsfördernde Maßnahmen einzuleiten oder zu vermitteln.
Die Fachkraft weiß um kulturell unterschiedliche Normen und Werte bezüglich Erziehungsverhalten, Rollenverständnis von Männern und Frauen, Hilfeverständnis, etc..
Die Fachkraft weiß, dass Lösungsansätze und Ressourcen von Familien kulturell unterschiedlich sein können und bezieht diese in den Hilfeprozess ein.
Das Sozialreferat/Stadtjugendamt arbeitet bereits mit Dolmetscherdiensten zusammen, um mit nicht deutsch sprechenden Familien kooperieren zu können. Zudem gibt es im Amt für Wohnen und Migration den sogenannten „Sprachmittlerdienst“. Bei der Umsetzung von Erziehungshilfen nach dem SGB VIII wird mit Überregionalen Erziehungshilfen in der Stadt München zusammengearbeitet, wie zum Beispiel „Madhouse Überregionale Ambulante Erziehungshilfe mit der Volksgruppe der Sinti und Roma“. Die Fachkräfte der ambulanten Erziehungshilfe betreuen, begleiten und unterstützen Kinder, Jugendliche und Familien aus der Volksgruppe der Sinti und Roma. Auch bei anderen Trägern der Erziehungshilfen werdenvermehrt muttersprachliche Fachkräfte eingesetzt, um die interkulturelle Kompetenz in den Erziehungshilfen zu stärken. Zudem findet eine Zusammenarbeit und Vernetzung mit „Refugio – Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer“ statt. Hier gibt es therapeutische Anbindungen für Familien, die durch Flucht traumatisiert sind, sowie Elterntrainings, in denen die Eltern die kulturellen Erziehungsunterschiede kennenlernen.
Dies sind lediglich einige Beispiele für die zielgenaue Unterstützung für Familien mit Migrationshintergrund, die durch das Stadtjugendamt oder ihre Kooperationspartner geleistet werden.
Standards sichern die konkrete Umsetzung dieses Ziels und sollen gewährleisten, dass Familien mit Migrationshintergrund bessere Informationen über unser Dienstleistungsangebot und die Erziehungshilfen erhalten sowie frühzeitiger erreicht und mehr beteiligt werden.
In Punkt 6 Ihres Antrages wird vorgeschlagen, für Mütter und Väter gesonderte Anlaufstellen zu schaffen, die deren Problematik entsprechend behandeln und diese insbesondere in schwierigen Sorgerechtsfällen unterstützen können.
Die bestehenden Angebote für Mütter und Väter werden in Kooperation mit den Beratungsstellen regelmäßig auf weitere Bedarfe überprüft. Insbesondere im Bereich des begleiteten Umgangs hat 2016 eine Bedarfserhebung bei den Beratungsstellen, der Bezirkssozialarbeit und dem Familiengericht zum weiteren Ausbau der Angebote stattgefunden. Nach abschließender Bewertung wird die Bedarfsfeststellung und der Ausbau von zusätzlichen Angeboten im Rahmen einer gesonderten Beschlussvorlage behandelt.
Ich hoffe, auf Ihre Anfragen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.