Silvesterfeuerwerk, aber richtig!
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Rathaus Umschau 149 / 2017, veröffentlicht am 08.08.2017
Silvesterfeuerwerk, aber richtig!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Tobias Ruff (ÖDP) und Cetin Oraner, Brigitte Wolf (DIE LINKE) vom 15.2.2017
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Mit Ihrem Schreiben vom 15.02.2017 haben Sie für Ihre Stadtratsgruppe o.g. Antrag gestellt. Sie beantragen einen Stadtratsbeschluss mit dem Ziel, dass die Landeshauptstadt München zukünftig zu Silvester mindestens ein zentrales Großfeuerwerk ausrichtet. Im Gegenzug soll das Abbrennen von Feuerwerkskörpern durch Privatpersonen durch eine zu erlassende Satzung mindestens innerhalb des Mittleren Rings (Umweltzone) verboten werden.
Zur Begründung dieses Antrages gaben Sie an:
„Großfeuerwerke sind deutlich attraktiver als frei im Handel befindliche Kleinfeuerwerke. In vielen Orten weltweit ist es üblich, dass zentrale Feuerwerke ausgerichtet werden. Oft sind diese zum Markenzeichen der Silvesterfeiern in diesen Städten geworden. In überregionalen Medienbe- richten an Neujahr tauchen, abgesehen von Negativnachrichten, fast ausschließlich Bilder aus diesen Städten auf.
Während die Effekte von Großfeuerwerken weithin sichtbar sind, bleiben deren negative Auswirkungen, wie Lärm, Luftverschmutzung und Müll räumlich sehr begrenzt. Eine Gefährdung der Allgemeinheit durch herumfliegende Feuerwerkskörper kann weitgehend ausgeschlossen werden. Kleinfeuerwerke, die von Privatpersonen abgebrannt werden, werden hingegen von vielen Bürgern als störend empfunden:
- Der Lärm hält über viele Stunden hinweg an und ist über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Für empfindliche Personen und Tiere stellt dies eine enorme Belastung dar.
- Durch Silvesterfeuerwerke wird an einem Tag in Deutschland eine Menge an Feinstaub freigesetzt, die etwa 15% des im gesamten Jahr durch Straßenverkehr ausgestoßenen Feinstaubes entspricht ([italic]http://www.umweltbundesamt.de/themen/dicke-luft-jahreswechsel). Es werden kurzzeitig extrem hohe gesundheitsgefährdende Werte erreicht. Je nach Wetterlage (Inversion) hält sich die Luftverschmutzung so lange, dass sogar die zulässigen Tagesmittelwerte überschritten werden. Dies war z.B. zu den Jahreswechseln 2009/2010 und 2016/2017 der Fall (https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/ANTRAG2574380.pdf). Hinzu kommen erhöhte Werte an Kalium, Strontium, Barium, Aluminium, Magnesium, Blei und Sulfat.[/italic]
- Kleinfeuerwerke verursachen riesige Mengen an Müll, die entweder durch Anlieger oder in Vollanschlussgebieten sowie Grünanlagen durch das Baureferat entfernt werden müssen. Dabei entstehen enorme Kosten ([italic]https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/ANTRAG2597240.pdf[/italic).
Das zentrale Großfeuerwerk könnte durch die eingesparten Kosten bei der Reinigung von Straßen und Grünanlagen durch die Stadt gegenfinanziert werden. Bereits jetzt ist das Abbrennen von Feuerwerkskörpern in der Nähe von brandgefährdeten historischen Gebäuden, Krankenhäusern und Altenheimen verboten. Die Dichte an derartigen schutzwürdigen Bereichen ist innerhalb des Mittleren Ringes so hoch, dass ein flächendeckendes Verbot hier leicht zu begründen wäre. Zumal das Verbot in der Nähe des jeweiligen Objektes von den Bürgern weder erkenntlich noch durch Ordnungsor- gane vollzogen werden kann. In anderen deutschen Städten gibt es bereits weitreichende Verbote ([italic]http://www.br.de/nachrichten/silvester-feuerwerk-verbot-100.html). In München bestünde zudem die Möglichkeit, Regelungen in den Luftreinhalteplan aufzunehmen.“[/italic]
Ihr Anliegen betrifft in Bezug auf ein etwaiges Verbot von privaten Feuerwerken an Silvester eine Angelegenheit, die der laufenden Aufgabenerledigung zuzuordnen ist und deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist mithin rechtlich nicht möglich. Ich erlaube mir daher, Ihren Antrag in Abstimmung mit dem Oberbürgermeister auf dem Schriftweg wie folgt zu beantworten.
Das Kreisverwaltungsreferat sieht derzeit keine rechtliche Möglichkeit, aus sicherheitsrechtlichen Gründen ein Feuerwerksverbot an Silvester für Privatpersonen innerhalb des Mittleren Ringes (Umweltzone) resp. entlang der Isar in Form einer Satzung oder einer Allgemeinverfügung zu erlassen.
Dazu im Einzelnen:
1.Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz (GG) hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über das Sprengstoffrecht. Diesbezüglich hat das Bundesministerium des Innern durch Erlass der 1. SprengV das Abbrennen von Silvesterfeuerwerk detailliert geregelt, so dass für die betreffenden Städte bzw. Kommunen keine Möglichkeit besteht, über den vorgegebenen Rahmen der 1. SprengV hinaus durch eigene Satzungen tätig zu werden und entsprechende Verbote zu erlassen.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass durch Erlass der 1. SprengV die von den Feuerwerkskörpern ausgehenden spezifischen Gefahren abschließend geregelt sind.Gleichwohl wurde den Kommunen im § 24 Abs. 2 1. SprengV die Möglichkeit gegeben, das Abbrennen von pyrotechnische Gegenständen einzuschränken.
Danach ist das Abbrennen von Silvesterfeuerwerken in der Nähe von Gebäuden oder Anlagen, die besonders brandempfindlich sind, auch am 31.12. und am 01.01. nicht erlaubt. Dies trifft aber weder auf die Isarauen noch auf die Umweltzone mit ihren überwiegend aus Ziegeln bzw. Stein bebauten Bereichen zu.
Ebenfalls kann die zuständige Behörde allgemein oder für den Einzelfall anordnen, dass pyrotechnische Gegenstände der Kategorie 2 mit ausschließlicher Knallwirkung (also nur die Silvesterkracher) in bestimmten dicht besiedelten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden zu bestimmten Zeiten auch am 31.12. und 01.01. nicht abgebrannt werden dürfen. Für die Behörden bedeutet dies, dass jedes (auch zeitliche) Abbrennverbot einer Einzelfallprüfung bedarf. Hierbei ist zu prüfen, inwieweit eine besondere Belästigung gerade für dieses bestimmte Stadtgebiet vorhanden ist, welches ein Abbrennverbot rechtfertigen würde.
Im Übrigen lässt der abschließende Regelungscharakter der 1. SprengV, die dem Bundesrecht angehört, einen Rückgriff auf Landesrecht nicht zu (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 13.05.2016, Az. 8 C 1136 / 15 N).
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die in der 1. SprengV vorgesehenen Ermächtigungen für den Erlass einzelner Anordnungen nicht einschlägig sind und ein flächendeckendes Abbrennverbot von Silvesterfeuerwerk für das Stadtgebiet München für Privatpersonen an der Isar wie auch innerhalb des Altstadtrings nicht per Satzung oder einer Allgemeinverfügung erlassen werden kann.
2.Eine sicherheitsrechtliche Anordnung, die das Abbrennen von Silvesterfeuerwerk für Privatpersonen verbieten würde, kann auch nicht auf das Landesstraf- und Verordnungsgesetz -LStVG- gestützt werden.
Vereinzelte unsachgemäße Handhabungen oder auch Ordnungswidrigkeiten reichen nicht für ein Verbot nach Art. 7 Abs. 2 LStVG aus. Entsprechende Gefahrenprognosen seitens der Polizei oder der Feuerwehr, auf die ein Verbot nach Art. 7 Abs. 2 LStVG gestützt werden könnte, liegen für München nicht vor.3.Stellungnahme des Referats für Gesundheit und Umwelt (RGU):
„Silvesterfeuerwerke führen jedes Jahr am 01. Januar zu extrem erhöhten Feinstaubwerten. Darüber hinaus sind Feuerwerke mit erhöhten Lärmbelastungen sowie einem erhöhten Abfallaufkommen verbunden. Insofern liegt der Gedanke nahe, diese Feuerwerke mit immissionsschutzrechtlichen Mitteln zu beschränken, um die genannten Belastungen und Belästigungen zu vermeiden oder auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) enthält in § 49 Abs. 3 eine landesrechtliche Ermächtigung zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen und Geräusche, die in Bayern durch Art. 10 Abs. 1 des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes umgesetzt wurde. Nach dieser Vorschrift können aber nur die Errichtung und der Betrieb von Anlagen und die Verwendung bestimmter Brennstoffe verboten oder beschränkt werden. Feuerwerkskörper erfüllen jedoch weder den immissionsschutzrechtlichen Anlagenbegriff (definiert in § 3 Abs. 5 BImSchG) noch stellen sie einen Brennstoff dar.
Ein Verbot oder gebietsbezogenes Teilverbot ist somit auf Basis des Immissionsschutzrechts nicht möglich.“
4. Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde:
„Aus naturschutzfachlicher Sicht bestehen die Wirkungen von Feuerwerkskörpern vor allem darin, dass Tiere durch Knallgeräusche und intensives Licht gestört werden können. Eine Gewöhnung oder Verhaltensanpassung an die Geräusch- und Lichtemissionen von Feuerwerk ist nicht zu erwarten, da sie unerwartet und mit hoher Impulswirkung (Knall, Blitz) auftreten.
Allerdings wäre die Wirkung eines isolierten Verzichtes auf Feuerwerk innerhalb der Isarauen begrenzt. Besonders in den innenstadtnahen Bereichen sind die Auen so schmal, dass die von angrenzenden Gebieten ausgehenden Störwirkungen des Silvesterfeuerwerks den geschützten Bereich dennoch beeinträchtigen würden.
Daneben können Lebensräume von Tieren und Pflanzen auch durch die vom Feuerwerk an Silvester verursachten Stoffeinträge, Abfallablagerungen oder durch Brände beeinträchtigt werden.
Unter den Stoffeinträgen dürfte der Feinstaub die bedeutendste Rolle spielen. Ähnlich wie bei der Lärm- und Lichteinwirkung würde beieinem isolierten Feuerwerksverzicht der Feinstaub aus benachbarten Bereichen in die Isarauen eingetragen werden. Zudem würde ein solcher Verzicht vermutlich in erster Linie nicht die Gesamtmenge an Feuerwerkskörpern verringern, sondern lediglich dazu führen, dass sie an anderer Stelle abgebrannt werden.
Abfallablagerungen an Silvester spielen in den Isarauen im Gesamtjahresvergleich eine eher untergeordnete Rolle. Ob ein Silvesterfeuerwerk stattfindet oder nicht, dürfte dieses Problem nicht wesentlich beeinflussen. Die Brandgefahr in der freien Natur wird vor allem durch die Witterung beeinflusst. Um den 31.12. eines Jahres ist in der Regel in diesen Bereichen aber nicht regelmäßig von einer besonders erhöhten Brandgefahr nach Trockenperioden auszugehen, so dass großflächige Brände mit Auswirkungen auf die Vegetation nicht zu erwarten sind. Die Brandrückstände durch das jährliche Grillen an der Isar dürften diesbezüglich im Verhältnis deutlich bedeutender sein.
Weite Bereiche der Isarauen sind Bestandteile von Landschaftsschutzgebieten. In den Schutzverordnungen für solche Gebiete werden bestimmte Handlungen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt, wenn sie den Gebietscharakter verändern oder konkret benannte Schutzgüter beeinträchtigen können. Die Untere Naturschutzbehörde prüft beispielsweise, ob ein beantragtes Feuerwerk tatsächlich erhebliche Störungen zu besonders kritischen Zeiten (Brutzeit) sowie Schädigungen und Störungen in besonders empfindlichen Gebietsteilen verursachen kann. Falls dies nicht der Fall ist, sind Feuerwerke auch im betreffenden Landschaftsschutzgebiet zuzulassen. Die Zeit um Silvester wird im Gegensatz zur Vogelbrutzeit nicht als besonders kritischer Zeitraum gesehen.
Nördlich der Leinthaler Brücke beginnt das Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiet (FFH-Gebiet) des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 „Isarauen von Unterföhring bis Landshut“ und südlich der Braunauer Eisenbahnbrücke das FFH-Gebiet „Oberes Isartal“‚ Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung in den für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen (bestimmte Arten und Lebensräume) eines FFH-Gebietes führen können, sind unzulässig. Maßstab ist dabei vor allem der Erhaltungszustand der Arten und Lebensräume. Abgesehen von konkreten Vorhaben (Bauvorhaben) wird der Erhaltungszustand einer Art oder eines Lebensraums eher von vielen, oft nicht ausreichend bekannten, Einflüssen geprägt. Ob ein Feuerwerk zu einer unerwünschten Verschlechterung beiträgt, ist deshalb nicht oder nur sehr schwierig nachzuweisen, was aber notwendig wäre, um Feuerwerke im FFH-Gebiet zu beschränken bzw. zu verbieten.
Die naturschutzrechtlich möglichen Maßnahmen müssten dazu geeignet sein, eine nennenswerte Verminderung der Störwirkung des Silvesterfeuerwerks auf Tiere, Pflanzen und Lebensräume zu erzielen. Dies könnte allenfalls in den weitläufigeren, waldartigen Grünbereichen entlang der Isar der Fall sein. Allerdings gibt es unabhängig von der Breite der Isarauen im Stadtgebiet überall zahlreiche Wegeverbindungen am Fluss und durch seine Auen, so dass für jegliche Verbotsregelung die Frage zu stellen ist, ob sie mit vertretbaren Mitteln durchgesetzt werden kann. Angesichts begrenzter Ressourcen von Polizei und anderen Ordnungskräften wird schnell deutlich, dass das öffentliche Interesse am Schutz vor Gefahren für Menschen und andere Sachwerte an Silvester vorgeht.
Für ein Verbot des Silvesterfeuerwerks in den Isarauen sind somit naturschutzfachliche und naturschutzrechtliche Argumente nicht stichhaltig.“
Nach alledem ist festzustellen, dass das Abbrennen von Feuerwerkskörpern durch Privatpersonen an Silvester nicht durch Satzung resp. Anordnung verboten werden kann.
Da Sie in Ihrem Antrag das Abhalten eines zentralen Großfeuerwerks als Alternative für das private Abbrennen von Feuerwerkskörpern beantragen, gehen wir davon aus, dass sich Ihr Antrag in dieser Hinsicht erledigt hat. Ihr Antrag kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass ein Großfeuerwerk auch dann veranstaltet werden soll, sofern das Abbrennen von Feuerwerkskörpern durch Privatpersonen nicht verboten werden kann.
Ich darf Sie um Kenntnisnahme dieser Ausführungen bitten und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit erledigt ist.