Arbeit 4.0 (I): Was weiß die Landeshauptstadt über den Wandlungsprozess von Produktion und Produkten durch Digitalisierung und Vernetzung in den Münchner Betrieben?
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Rathaus Umschau 15 / 2017, veröffentlicht am 23.01.2017
Arbeit 4.0 (I): Was weiß die Landeshauptstadt über den Wandlungsprozess von Produktion und Produkten durch Digitalisierung und Vernetzung in den Münchner Betrieben?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 21.11.2016
Antwort Bürgermeister Josef Schmid, Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 21.11.2016 führten Sie als Begründung aus:
„Die im Begriff ‚Arbeit 4.0.‘ zusammengefassten Veränderungen durch weitreichende Digitalisierung und Vernetzung dürften auch in den Münchner Betrieben und Unternehmen ihre Spuren hinterlassen. Sowohl die Prozesse in Entwicklung, Herstellung, Logistik und Verwaltung verändern sich, als auch können ganze Produktlinien in Zukunft wegfallen. Die Befunde sind durchaus widersprüchlich, so dass sich dem interessierten Bürger kein klares Bild vom Zustand der Münchner Wirtschaft erschließt.
Was weiß die Verwaltung über die Veränderungsprozesse in Münchens Wirtschaft?“
Zum Thema Digitalisierung ist anzumerken, dass die Anpassung an den technologischen Wandel kein grundsätzlich neues Phänomen darstellt. Vielmehr ist die Umsetzung des technischen Fortschritts ein Garant für die dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in marktwirtschaftlichen Systemen. Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich mit dem Thema des technischen Fortschritts und damit auch der Digitalisierung auseinandersetzen und diese erfolgreich implementieren und das bereits seit vielen Jahren bzw. Jahrzehnten. Genau diese Fähigkeit zeichnet auch erfolgreiche Münchner Unternehmen aus und bestimmt deren hervorragende Wettbewerbs- und Marktposition.
Die Herausforderung von Industrie 4.0 und Digitalisierung liegt insbesondere in der Vielfalt der Möglichkeiten und neuen technischen Lösungen, die die offenen, vernetzten, flexibel agierenden und interaktiven Systeme bieten. Zudem gilt es, sich im globalen Wettbewerb um die besten technischen Lösungen zu behaupten.
Die Anpassung an diese unternehmerischen Anforderungen ist zuallererst eine Aufgabe der Unternehmen. Die Branchenverbände, wie etwa BITKOM, VDI/VDE und die Kammern sind beim Umgang mit der Digitalisierung und den Möglichkeiten der Umsetzung in vielerlei Hinsicht unterstützend tätig, ebenso wie zahlreiche Kooperationen mit Hochschulen in vielfältiger Art und Weise erfolgen. Trotz vieler positiver Beispiele von Unternehmen, die bereits erfolgreich die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, gibt es noch viele, gerade mittelständische Unternehmen, die sich mit dem Thema noch intensiv auseinander setzen müssen. Die Digitalisierung stellt für einen Technologiestandort wie München und die hier ansässigen High-Tech-Unternehmen vor allem aber eine Chance dar, die auch in den letzten Jahren erhebliche Wachstumsimpulse für München bedeutet hat.
Auch die Landeshauptstadt München trägt bereits jetzt ihren Teil dazu bei, die ansässigen Unternehmen bei diesem Prozess zu unterstützen. Als Beispiele sind hier der Ausbau der technischen Infrastruktur (Glasfaser) ebenso zu nennen, wie das neu geplante Gründer- und Innovationszentrum oder die Startupförderung. Die Stadt beschäftigt sich aber auch mit den Auswirkungen auf die Arbeitswelt, wie die eben erst stattgefundene Beschäftigungskonferenz deutlich gemacht hat.
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Automobilindustrie und Zulieferer: Die Herstellung von Verbrennungsmo- toren und der dafür erforderlichen Getriebe scheint zumindest mittelfristig der Vergangenheit anzugehören. Elektroantriebe dürften beide Produktli- nien ersetzen. Wie weit ist dieser Prozess für die betroffenen Unternehmen – insbesondere auch in den kleineren Zulieferbetrieben in München absehbar?
Antwort:
Das in der Frage angeführte Beispiel völlig wegfallender Wertschöpfungsketten bei der Herstellung eines Fahrzeuges mit Elektromotor gegenüber dem Verbrennungsmotor ist ein Beispiel für den technologischen Umbruch und die völlige Neuausrichtung einer Branche, weniger für den Wandlungsprozess durch Digitalisierung und Vernetzung. Diese Veränderungen der Rahmenbedingungen erfordern seitens der Unternehmen nicht nur eine Anpassung, sondern zum Teil eine Neuausrichtung ihres Geschäftsmodells, dies gilt auch und gerade für die kleineren Zuliefererbetriebe. Hier liegt gerade für die betroffenen Unternehmen eine Chance sich am Markt zu behaupten, und auch neue Geschäftsfelder zu erschließen.Die Automobilindustrie und die Zulieferer, aber auch die gesamte technologiebasierte Münchner Wirtschaft, stellen sich dieser Aufgabe erfolgreich.
Die Landeshauptstadt München und Münchner Unternehmen arbeiten bereits jetzt in gemeinsamen Pilotprojekten erfolgreich zusammen, damit die technischen Entwicklungen in München gemacht werden und in der Folge auch die Produkte hier in München entstehen.
Frage 2:
Zerspanungsverfahren insbesondere bei der Herstellung von Metall-Teilen und Werkzeugen werden tendenziell durch sog. „additive Verfahren“ (Stich- wort „3-D-Druck“) ersetzt. Wie weit ist dieser Prozess in der Münchner Wirtschaft erkennbar?
Antwort:
Aktuell ist zweifellos ein zunehmender Einsatz additiver Verfahren erkennbar. Wegen der noch hohen Kosten, erfolgt dies aber noch überwiegend beim Bau von Prototypen oder Werkzeugen. Dieser Wandel der Produktion bedeutet aber nicht automatisch den Wegfall einzelner Berufsbilder wie den Fräser, Dreher oder Zerspanungstechniker. Auch wenn mittelfristig automatisierte Verfahren oder 3-D-Druck Verfahren in den Produktionsprozess einziehen, sind für die Programmierung, Steuerung und Wartung der Anlagen weiter die Ausbildung, das Fachwissen und Materialkunde dieser Berufe nötig.
Frage 3:
Lassen sich durch beide unter 1) und 2) angesprochenen Prozesse langfristig Auswirkungen auf das Arbeitsvolumen und damit auf die Beschäftigungslage insgesamt bzw. eine Verschiebung zwischen Beschäftigungsbereichen erkennen?
Antwort:
Verschiebungen in der Beschäftigung sind in München seit Jahrzehnten zu erkennen. Auch wenn München im Vergleich zu anderen Großstädten noch eine vergleichsweise große industrielle Basis hat, steigt der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich kontinuierlich. Anfang der 80-er Jahre waren es 61%, zu Beginn der 90-er Jahre bereits 69%. Im Jahr 2000 waren bereits 74% der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich tätig, im Jahr 2015 knapp 84%.
Das seit Jahren anhaltende Beschäftigungswachstum am Standort München lässt damit auch für die Zukunft erwarten, dass die anpassungsfähigen und innovativen Münchner Unternehmen sich am Markt behauptenund den Wandlungsprozess aktiv gestalten, so dass keine Einbrüche beim Arbeitsvolumen und der Beschäftigungssituation zu erwarten sind.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.