Betreuungsleistungen nach SGB XI
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Jutta Koller und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 23.6.2017
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 23.06.2017 führen Sie Folgendes aus:
„Nach SGB XI § 45ff und § 144 Abs. 3 haben pflegebedürftige Menschen in häuslicher Pflege ,Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich‘ (…) u.a. ,zur Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags‘ (SGB XI § 45ff). Dies umfasst ausdrücklich auch ,Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag)‘ (e.d. § 144 Abs. 3). Gleichzeitig steigt in München stetig der Bedarf an hauswirtschaftlicher Unterstützung bei Pflegebedürftigen, die zu Hause leben.“
Zu Ihrer Anfrage vom 23.06.2017 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wie und wo ist die Umsetzung des o.g. gesetzlich verankerten Leistungsanspruchs in München angesiedelt? Wer bietet im Stadtgebiet München solche Dienstleistungen an bzw. wo können entsprechende Anbieter gefunden werden?
Antwort:
Pflegebedürftige Personen, die zuhause gepflegt und versorgt werden, können seit 01.01.2017 sogenannte zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Anspruch nehmen (§ 45 b Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung, SGB XI). Diese sollen die Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen z.B. bei der Betreuung im Alltag, der Organisation des Pflegealltags unterstützen oder auch z.B. bei der hauswirtschaftlichen Versorgung entlasten.
Durch den seit dem 01.01.2017 eingeführten neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und die durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) seit diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage haben alle Pflegebedürftigen, denen der Pflegegrad 1 bis 5 zuerkannt wurde, Anspruch auf derartige Leistungen. Die bisherige, bis 31.12.2016 geltende Regelung, wonach das Vorliegen einer eingeschränkten Alltagskompetenz in erheblichem oder höherem Maße eine Anspruchsvoraussetzung war, ist entfallen.
Durch das ebenfalls zum 01.01.2017 in Kraft getretene Dritte Pflegestärkungsgesetz (PSG III) wurden die Betreuungs- und Entlastungsleistungen als neue Leistungen hinsichtlich Umfang und Inhalt auch in der Sozialhilfe eingeführt (§§ 64i, 66 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe, SGB XII).
Der Entlastungsbetrag für pflegebedürftige Menschen in häuslicher Pflege in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich wird zusätzlich zu den sonstigen Pflegeleistungen gewährt und kann eingesetzt werden für
1.Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,
2.Leistungen der Kurzzeitpflege,
3.Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36 SGB XI, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung,
4.Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a.
Unter den unter 4. genannten landesrechtlich anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a SGB XI finden sich neben Betreuungsgruppen, Helferinnen- und Helferkreisen, Tagesbetreuung in Privathaushalten, Alltagsbegleiterinnen und Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Pflegebegleiterinnen auch Angebote für haushaltsnahe Dienstleistungen wieder. Diese Angebote können bei unterschiedlichen Trägern, wie z.B. Wohlfahrtsverbänden, Vereinen, Nachbarschaftshilfen, Beratungsstellen, ambulanten Pflegediensten, angesiedelt sein und dort vorgehalten werden. Sie bedürfen jedoch grundsätzlich der an verschiedene Qualitätskriterien geknüpften Anerkennung und Zertifizierung, um aus Mitteln des Entlastungbetrages finanziert werden zu können. Durch Rechtsverordnung der Bayerischen Staatsregierung obliegt die Durchführung des Anerkennungsverfahrens dem Zentrum Bayern Familie und Soziales.
Kostenträger für den Entlastungsbetrag als gesetzliche Leistung nach dem SGB XI sind regelmäßig die zuständigen regional oder überregional organisierten Pflegekassen. Die einschlägigen Vorschriften gelten aber vergleichbar auch für private Versicherungsunternehmen sowie für die Beihilfefestsetzungsstellen.
Für sozialhilfeberechtigte Pflegebedürftige kommen unter gewissen Voraussetzungen auch entsprechende Leistungen durch den zuständigen Sozialhilfeträger in Betracht.Zur Geltendmachung der Ansprüche wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.
Der Bundesgesetzgeber räumt den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen durch § 7a SGB XI einen Anspruch auf eine Pflegeberatung durch die zuständige Pflegekasse ein. Dieser Anspruch umfasst auch das Recht, ausführlich über Angebote und Leistungen zur Entlastung der Pflegeperson informiert zu werden.
Mit Fördermitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege hat die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern die Agentur zum Auf- und Ausbau niedrigschwelliger Betreuungsangebote mit Sitz in Nürnberg gegründet
(http://www.niedrigschwellig-betreuung-bayern.de/). Dort können weiterführende Informationen und regionale Beratungsangebote abgerufen werden.
Ein ähnliches, aber eingeschränktes Angebot halten die regionalen Integrationsämter des Zentrums Bayern Familie und Soziales
(http://www.zbfs.bayern.de/foerderung/senioren/niedrigschwellige-betreuung/index.php)
sowie das Bayerische Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (https://www.stmgp.bayern.de/pflege/pflege-zu-hause/angebote-zur-unterstuetzung-im-alltag/) vor.
Daneben ist aktuell eine bundesweite Datenbank durch das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) im Aufbau begriffen, die Informationen über Beratungsangebote und kompakt Aufschluss über die jeweiligen Dienstleistungen geben soll (https://bdb.zqp.de/#/home).
Dort sind bereits viele Beratungsangebote in München hinterlegt. Exemplarisch seien an dieser Stelle die Beratungsstellen und die Alten- und Servicezentren genannt. Daneben verfügen auch die Sozialbürgerhäuser, insbesondere die Fachstellen häusliche Versorgung, über die für eine fundierte Beratung erforderlichen Informationen.
Listen, Broschüren und Flyer werden dort vorgehalten (vgl. auch Antwort zu Frage 2).
Frage 2:
Wie werden die Betroffenen sowie MultiplikatorInnen (ASZ, Regsam etc.) über diese Möglichkeiten informiert?
Antwort:
Für Pflegebedürftige, deren Angehörige sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren stehen folgende Informationen des Amtes für Soziale Sicherung zur Verfügung:
-Broschüre „Soziale Sicherung im Überblick – Leistungen für Münchnerinnen und Münchner in Notlagen“
-Broschüre „Unterstützung und Pflege – Informationen für pflegende Angehörige und Interessierte“
-Internetseite „Pflege Angehöriger – und jetzt?“ (http://www.muenchen.de/pflege-angehoeriger).
Informationen zu den Pflegestärkungsgesetzen und damit auch zu den Angeboten zur Unterstützung im Alltag finden sich auch im „Ratgeber Pflege“ des Bundesministeriums für Gesundheit sowie auf der Internetseite des Bayerischen Ministeriums für Gesundheit und Pflege (s.o. unter 1.) Auf den gesetzlichen Beratungsanspruch durch die Pflegekassen und diesen gleichgestellten Versicherungsunternehmen wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen.
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren (ASZ, Beratungsstellen für ältere Menschen und Angehörige, Fachstellen für pflegende Angehörige, Fachstellen häusliche Versorgung) informieren sich im Zuge der Aktualisierung des Fachwissens über die Pflegestärkungsgesetze und die damit einhergehenden Leistungen, um diese Kenntnisse an die Betroffenen weitergeben zu können.
Anspruchsberechtigte Bürgerinnen und Bürger werden in Beratungsgesprächen zum Entlastungsbetrag und den anderen Leistungsansprüchen aus dem SGB XI und SGB XII informiert; die genannten Broschüren werden an sie ausgegeben. Außerdem beraten die Leistungsanbieter zum Thema.
Frage 3:
Wie werden diese Leistungen ausgezahlt?
Antwort:
Der Entlastungsbetrag ist keine pauschale Geldleistung, sondern zweckgebunden einzusetzen. Das bedeutet, dass entsprechende Nachweise über die Verwendung von den Pflegebedürftigen vorgelegt werden müssen, bevor diese Leistung gezahlt werden kann. Dies gilt sowohl für den Bereich der Pflegeversicherten (SGB XI) als auch für nicht versicherte Pflegebedürftige (SGB XII). Als Nachweise dienen Belege wie Rechnungen, Einzah-lungsquittungen oder ein Überweisungsbeleg.
Das bedeutet, dass Gelder für in Anspruch genommene Leistungen immer erst zu verauslagen sind und im Nachgang von den zuständigen Kostenträgern bis zur Höhe von 125 Euro erstattet werden.
Einer gesonderten Antragstellung bedarf es hierfür nicht; die Übersendung der genannten Belege und Nachweise ist ausreichend und löst den Anspruch aus.
Der genannte Betrag von 125 Euro stellt den monatlichen Maximalbetrag dar, der seitens der Kostenträger ausgezahlt werden kann. Die Leistungen für niedrigschwellige oder andere Angebote sind aber nicht monatlich abzurufen oder vollständig auszuschöpfen.
Nach dem sogenannten Ansparprinzip kann der Entlastungsbetrag nach § 45 b SGB XI grundsätzlich auch für die unter 1 genannten Zwecke und zu erwartende Bedarfslagen angespart werden.
Er kann im Laufe eines Kalenderjahres in Anspruch genommen werden oder noch bis zum Ablauf des darauffolgenden Kalenderhalbjahres.
Nicht verbrauchte Beträge der Leistung nach § 45 b SGB XI aus den Jahren 2015 und 2016 können gemäß § 144 Abs. 3 SGB XI sogar bis zum 31.12.2018 abgerufen und eingesetzt werden.