Von bewährten Projekten in der Praxis lernen! Qualitätsstandards für die Sterbebegleitung in Münchner Pflegeheimen?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Simone Burger, Verena Dietl, Anne Hübner, Renate Kürzdörfer, Christian Müller, Cumali Naz und Dr. Constanze Söllner-Schaar (SPD-Fraktion) vom 23.6.2017
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Nicht jeder kann die Sterbephase in vertrauter häuslicher Umgebung verbringen. Ein selbstbestimmtes, nach den persönlichen Wünschen gestaltetes Leben sollte in allen stationären Pflegeeinrichtungen in München gewährleistet sein.
Alle Maßnahmen der Pflegeheime, die das Thema „Sterbebegleitung“ gezielt aufgreifen, sind nennenswert, denn eine finanzielle Unterstützung durch den Gesetzgeber ist hierbei nicht vorgesehen. Bewährte Praxisbeispiele einer Sterbebegleitung in Altenheimen sollen keine Einzelfälle sein, sondern Anreiz und Modell für andere stationäre Pflegeeinrichtungen in München.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Sozialreferates wie folgt:
Frage 1:
Inwieweit können Beispiele aus der Praxis als Standards/ Modellprojekte für eine qualitative Sterbebegleitung in Münchner Pflegeheimen herangezogen werden?
Antwort:
Die Sterbebegleitung in den vollstationären Pflegeeinrichtungen wurde im Hospiz- und Palliativgesetz, welches in 2015 verabschiedet wurde, Bestandteil des Versorgungsauftrages der sozialen Pflegeversicherung. Vollstationäre Pflegeeinrichtungen werden damit verpflichtet, Kooperationsverträge mit Haus- und Fachärztinnen bzw. Haus- und Fachärzten abzuschließen. Darüber hinaus sind zukünftig die vollstationären Pflegeeinrichtungen zur Zusammenarbeit mit ambulanten Hospizdiensten verpflichtet und müssen die Kooperationen mit vernetzten Hospiz- und Palliativangeboten künftig transparent machen.Die ambulanten Hospizdienste in München haben sich bereits seit längerer Zeit mit dem Palliativ-Geriatrischen Dienst, bezuschusst durch das RGU, darauf eingestellt und ihre Hospizhelferinnen und Hospizhelfer für diesen Einsatzbereich geschult.
Professionelle Sterbebegleitung sowie Hospiz- und Palliativarbeit gehören in vollstationären Pflegeeinrichtungen in München seit mehreren Jahren zur alltäglichen Praxis. Dies führt zu unterschiedlichen und differenzierten Angeboten in den vollstationären Pflegeeinrichtungen. Die Bandbreite der konzeptionellen Verankerung reicht dabei von wohnbereichsbezogenen Maßnahmen bis hin zu trägerweiten Projekten.
Die Umsetzung von Palliative Care und Hospizkultur in Organisationen stellt eine komplexe und vielschichtige Aufgabe dar. Modellprojekte sind hilfreich zur Orientierung, können aber nicht ohne Weiteres auf eine andere Einrichtung übertragen werden. Jede Einrichtung muss die Konzeption auf ihre jeweiligen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen individuell anpassen. Insbesondere die folgenden Wohlfahrtsverbände haben bereits Modellprojekte im Bereich Palliative Care entwickelt und umgesetzt: -Innere Mission München
- AWO Bezirksverband Oberbayern e.V.
- MÜNCHENSTIFT GmbH
- Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V.
In der 2008 veröffentlichten und 2015 überarbeiteten Broschüre „Für ein würdevolles Leben bis zuletzt“ (1) sind Empfehlungen beschrieben, die für die Umsetzung von Hospiz- und Palliativpflege in den vollstationären Pflegeeinrichtungen hilfreich sind. Diese Empfehlungen können als allgemeine Standards und Prozessempfehlungen angesehen werden.
Der Bedarf an Fort- und Weiterbildung im Bereich Palliative Care in vollstationären Pflegeeinrichtungen wird seitens des Referates für Gesundheit und Umwelt und des Sozialreferates als sehr hoch eingeschätzt. Die Landeshauptstadt München, Sozialreferat, fördert daher seit Jahren Fort- und Weiterbildungen sowie in geringem Umfang individuelle, einrichtungsbezogene Projekte in diesem Bereich.
Vollstationäre Pflegeeinrichtungen verschiedener Träger richten mehr und mehr z. B. einen „Raum der Stille“ ein. Diese Räume sind in der Regel für alle Konfessionen konzipiert und können von Bewohnerinnen und Bewohnern, Angehörigen, Mitarbeitenden und Besucherinnen und Besuchern genutzt werden. Die Räume schaffen einen würdigen und angemessenen Rahmen, in dem von Verstorbenen Abschied genommen werden kann, sowie für Trauerarbeit. Kondolenzbücher ergänzen dies. Die Abholung Verstorbener erfolgt zunehmend direkt aus dem Bewohnerzimmer.
Frage 2:
Wie gut funktioniert hierbei bereits die Einbindung ehrenamtlicher Hospizhelferinnen und -helfer?
Antwort:
Die in München tätigen vier ambulanten Hospizdienste haben Kooperationsverträge mit vollstationären Pflegeeinrichtungen abgeschlossen und sichern somit den Einsatz der ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und Hospizhelfer vor Ort. Sie sind in der Hospiz- und Palliativarbeit unerlässlich und eine zentrale Säule. Die Hospizvereine schulen die ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und Hospizhelfer, bereiten sie auf den Einsatz in den vollstationären Pflegeeinrichtungen vor und koordinieren deren Einsatz.
Wie gut die Zusammenarbeit und Einbindung vor Ort funktioniert, hängt von verschiedenen Faktoren und Rahmenbedingungen ab. Hilfreich sind hierbei u. a. klare Aufgaben- und Kompetenzprofile, definierte Einarbeitungs- und Anleitungsschritte, strukturierte Kommunikationswege und feste Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner. In den vollstationären Pflegeeinrichtungen gibt es daher zunehmend hauptamtliche, zum Teil auch freigestellte, Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die diese wichtigen Aufgaben übernehmen.
Vollstationäre Pflegeeinrichtungen, die eine Kooperation mit einem Hospiz- und Palliativdienst vereinbart haben, sind z. B. im Pflegenavigator der AOK ersichtlich (2).
In der Arbeitsgruppe Palliativgeriatrie des Münchner Hospiz- und Palliativnetzwerkes sind neben den Vertreterinnen und Vertretern der ambulanten Hospizdienste auch Vertreterinnen und Vertreter der Wohlfahrtsverbände und auch vollstationärer Pflegeeinrichtungen vertreten. Gemeinsam werden für den Einsatz von ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und Hospizhelfern bei der Begleitung von hochaltrigen schwerstkranken und sterbenden Menschen sowie ihrer Bezugspersonen Qualitätsstandards entwickelt und vor Ort umgesetzt. Ziel ist es, abgestimmte Anforderungen und Leitlinien für den Einsatz ehrenamtlicher Hospizhelferinnen und Hospizhelfer zu erarbeiten.
Frage 3:
Behandelt das Konzept zur interkulturellen Öffnung der Münchner Altenheime auch das Thema „Sterbebegleitung“?
Antwort:
Das Projekt „Interkulturelle Öffnung der Langzeitpflege“ berührt im Sinne von Mainstreaming Migration alle Arbeitsbereiche. Es umfasst die drei Bausteine - Modelleinrichtungen - stadtweite Fortbildungsprogramme - Informationskampagne Brücken bauen. In allen drei Bausteinen wird Palliative Care berücksichtigt.
In allen Projekteinrichtungen werden Maßnahmen in Zusammenhang mit Palliative Care erarbeitet. Dazu gehören u. a. die partizipative Entwicklung eines multireligiösen Raums der Stille, Fortbildung zu verschiedenen religiösen Grundthemen und spezifischen Ritualen in Bezug auf Trauer und Sterben oder die Zusammenarbeit mit religiösen Gemeinden. In einer Projekteinrichtung gibt es z. B. eine enge Zusammenarbeit zwischen der Projektleitung für Interkulturelle Öffnung und der Arbeitsgruppe Palliative Care. Im Rahmen der Informationskampagne „Brücken bauen“ (Baustein 3) wird für Migrantenselbstorganisationen, Communities und Vereine ein Informationsmodul „Vorsorge, Betreuung, Patientenverfügung“ angeboten. Dies wurde in Zusammenarbeit mit dem Betreuungsverein des KINDERSCHUTZES MÜNCHEN und dem Sozialreferat erstellt.
1Für ein würdevolles Leben bis zuletzt V.i.S.d.P.: Christophorus Hospiz Verein e.V:, Überarbeitung 2015
2www.pflege-navigator.de (letzter Aufruf am 06.07.2017)