Wie sieht es momentan mit der Grünflächenversorgung in München aus?
-
Rathaus Umschau 158 / 2017, veröffentlicht am 22.08.2017
Wie sieht es momentan mit der Grünflächenversorgung in München aus?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner und Sabine Krieger (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 9.3.2017
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 9.3.2017 haben Sie gemäß § 68 GeschO o.g. Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung zur federführenden Beantwortung zugeleitet wurde.
In Ihrer Anfrage stellten Sie, ausgehend von zunehmender Flächenkonkurrenz in der wachsenden Stadt und damit verbundenen Zielkonflikten im Hinblick auf die Erhaltung von Grünflächen und die Sicherung von Grünzügen, verschiedene Teilfragen zur Grünflächenversorgung in München.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung beantwortet diese wie folgt:
Frage 1:
Wie sieht es momentan mit der Grünflächenversorgung in München aus?
Frage 1.1:
Welche Stadtbezirke sind beim derzeit vorgeschriebenen Standard von 37Quadratmetern Grünfläche/Wohneinheit (öffentliches und privates Grün) unterversorgt mit Grünflächen?
Antwort:
Zu dem von Ihnen benannten Wert „37 Quadratmeter Grünfläche/Wohneinheit“ sind zunächst folgende Hinweise zu geben.
Die seit Mitte der 1990er Jahre der Stadtplanung zugrunde liegenden Orientierungswerte zur Sicherung der Grün- und Freiflächenversorgung bei Entwicklung neuer Baugebiete beziehen sich jeweils auf die Anzahl der erwarteten Einwohnerinnen bzw. Einwohner (EW) in den Neubaugebieten und nicht auf Wohneinheiten.
Der angegebene Wert von 37 Quadratmetern setzt sich aus einem Anteil von 17 Quadratmetern für öffentliche Grün- und Freiflächen und einem Anteil von (brutto) 20 Quadratmetern für private Grün- und Freiflächen zusammen.Hierzu ist anzumerken, dass seit jeher auch in begründeten Einzelfällen von diesen explizit so benannten „Orientierungs“werten abgewichen wurde (siehe hierzu Ihre Fragen 1.2 bis 1.5). Die Bezeichnung „derzeit vorgeschriebener Standard“ ist insofern zu relativieren.
Die Orientierungswerte wurden aus dem Gutachten „Erholungsrelevante Freiflächenversorgung für das Stadtgebiet“ von Dr. Werner Nohl et al. aus dem Jahr 1992 abgeleitet.
Die Veröffentlichung der Studie in der „Perspektive München - Schriftenreihe zur Stadtentwicklung“ von 1995 zeigt anhand von Kartendarstellungen nahezu im gesamten Stadtgebiet partiell mehr oder weniger große Defizite auf, jedoch ausschließlich auf die Versorgung mit öffentlichen Grünflächen bezogen. Eine Betrachtung bezogen auf einzelne Stadtbezirke liegt nicht vor, ist aber auch nicht sinnvoll, da hier vielmehr die Versorgung der Wohngebiete ausschlaggebend ist. Diesbezüglich kann konstatiert werden, dass auf Grund der Entstehungszeit und der Wohnbevölkerungsdichten insbesondere die Innenstadt und die Innenstadtrandgebiete Defizite an gut erreichbaren öffentlichen Grünflächen aufweisen.
Frage 1.2:
Wie häufig wurde von diesem Standard jährlich in den letzten fünf Jahren abgewichen (jährliche Statistik)?
Antwort:
Eine Unterschreitung der genannten Orientierungswerte kam immer dann in Betracht, wenn besondere städtebauliche und grünplanerische Gründe vorlagen. Dies sind insbesondere die Wahrung der städtebaulichen Homogenität, die Ausnutzung der Lagegunst durch Nutzung des Einzugsbereichs leistungsfähiger Infrastrukturen, ungünstiger Flächenzuschnitt, notwendiger Immissionsschutz sowie Denkmalschutzbelange.
In diesen Fällen wurden die Orientierungswerte für Grün- und Freiflächen auf insgesamt 20 Quadratmeter öffentliches und privates Grün pro Einwohnerin/Einwohner abgesenkt. In Verbindung mit diesen abgesenkten Orientierungswerten wurde regelmäßig geprüft, mit welchen Maßnahmen eine Aufwertung vorhandener Grün- und Freiflächen im Umfeld als qualitative Kompensation erreicht werden konnte.
Bezogen auf die Anwendung der modifizierten Orientierungswerte im Zeitraum der letzten fünf Jahre kam es vor allem in bereits hoch verdichtetenBereichen des Stadtgebiets begründet durch die besonderen städtebaulichen und freiraumbezogenen Voraussetzungen in ca. der Hälfte der Bebauungspläne mit Baurechtsschaffung für Wohnen zu einer Modifizierung bzw. Absenkung der Orientierungswerte.
Aufgrund der zunehmenden Komplexität bei der Entwicklung der im Stadtgebiet verbleibenden potentiellen Bauflächen in oftmals schwierigen städtebaulichen Lagen zeigt sich, dass die oben genannten Voraussetzungen zur Anwendung der modifizierten Orientierungswerte inzwischen den Regelfall darstellen. Bei den sehr großen Baugebieten (z.B. Prinz-Eugen-Park) mit mehr als 15 Hektar Größe und sehr hoher Zahl an Wohneinheiten konnten die Orientierungswerte für öffentliche Grünflächen von 17 Quadratmetern je Einwohner in der Regel erreicht werden.
Frage 1.3:
Wie wird das kompensiert?
Antwort:
Bei einer Absenkung der Freiflächen-Orientierungswerte wurde regelmäßig geprüft, welche Form der Kompensation über qualitative Maßnahmen zur Hebung von Freiraumpotentialen im Gebiet oder auch im Umfeld möglich war. In diesem Zusammenhang wurden unterschiedlichste Qualifizierungsmaßnahmen umgesetzt: Maßnahmen an Gebäuden (z.B. große Balkone, gemeinschaftliche Dachgärten), in vorhandenen Anlagen (z.B. Verbesserung der Aufenthaltsqualität in Grünanlagen, Straßen und auf Plätzen) oder zur Vernetzung von Grün-/Freiflächen.
Frage 1.4:
Wenn der Standard in den vergangenen Jahren nicht eingehalten wurde: welche Standards wurden stattdessen angesetzt und wie werden diese begründet?
Antwort:
Siehe hierzu die Ausführungen in den obigen Kapiteln 1.2 und 1.3.
Frage 1.5:
Wie will man zukünftig die notwendige Grünflächenversorgung in München erhalten/sicherstellen?
Antwort:
Wie schon zu Frage 1.2 geschildert wurde aufgrund des hohen Entwicklungsdrucks im Stadtgebiet und zur Ermöglichung von Nachverdichtung inschwierigen städtischen Lagen die weitere Modifizierung der beschriebenen Orientierungswerte als notwendig erachtet. Ein ausreichendes Mindestmaß an Freiflächenversorgung im jeweiligen Entwicklungsgebiet ist hierbei nach wie vor das Ziel. Daneben wird ein besonderes Augenmerk auf eine qualitätvolle Gestaltung daraus resultierender öffentlicher Grün- und Freiflächen gelegt werden müssen.
Im Rahmen der Konkretisierung des Konzeptgutachtens „Freiraum M2030“ sollen dem Stadtrat voraussichtlich noch in diesem Jahr weitere Vorschläge unterbreitet werden, wie die Landeshauptstadt München mit eigenen Maßnahmen insbesondere zur Stärkung der übergeordneten und vernetzenden grünen Infrastruktur (Grünzüge bzw. Parkmeilen, Grünbeziehungen bzw. Freiraumachsen) beitragen kann.
Frage 2:
Wie gestaltet sich die Sicherung von Grünzügen? Welcher Prozentsatz der ausgewiesenen Münchner Grünzüge sind als Grünzüge gesichert?
Antwort:
Die Grünzüge sind insgesamt im Flächennutzungsplan mit integrierter Landschaftsplanung weitgehend als Grün- und Freiflächen, meist überlagert mit einer übergeordneten Grünbeziehung, dargestellt.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat die Grünzüge planerisch in die Konzeption „Freiraum M 2030“ eingebunden. In der dazu gehörigen Freiraumkulisse finden sich diese unter der Bezeichnung „Parkmeilen“, zum Teil aber auch integriert in andere Strukturen wie z.B. die „Grüngürtel-Landschaften“, „Flusslandschaften“ oder „Freiraumachsen“ wieder. Diese zu stärken und weiter zu entwickeln ist von besonderer Bedeutung. In diesem Kontext wird ein entsprechendes Schlüsselprojekt zur weiteren Entwicklung ausgewählter Parkmeilen vorbereitet.
Da eine Konkretisierung (Ausbau, Sicherung etc.) bzw. Herausstellung dieses übergeordneten Freiraumgerüsts zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegt, wird zur hilfsweisen Beantwortung der nachfolgenden Fragen nach Flächenauswertungen auf den älteren Umgriff zurückgegriffen, der sich aus früheren Kartendarstellungen bzw. Beschlüssen zu den innerstädtischen Grünzügen ableitet und eine Bezugsfläche von ca. 2.200 Hektar umfasst. Hierdurch soll ein ungefähres Bild der Situation gezeichnet werden.
Frage 2.1:
Wie viel Prozent sind als geschützter Landschaftsbestandteil, wie viel als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen?
Antwort:
Nach Auswertung vorliegender Geodaten unterliegen ca. 38 Hektar der Flächen in den Grünzügen dem Status des Geschützten Landschaftsbestandteils nach dem Naturschutzrecht; das entspricht etwa 1,5 Prozent. Mit den als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesenen Flächen überschneiden sich hier ca. 537 Hektar; das sind knapp 25 Prozent.
Frage 2.2:
Wie viel Prozent sind im Flächennutzungsplan ausgewiesen?
Antwort:
Siehe hierzu die Ausführungen zu 2.
Frage 2.3:
Wie viel Prozent sind durch den Bebauungsplan mit Grünordnungsplan geschützt?
Antwort:
Die Flächen der Grünzüge decken sich etwa zur Hälfte mit dem Umgriff rechtskräftiger oder in Aufstellung befindlicher Bebauungspläne mit Grünordnung. Bei Bebauungsplangebieten, die an Grünzüge angrenzen, wurde oftmals erreicht, Teile von Grünzügen mit einzubeziehen und als öffentliche Grünflächen oder als andere Typen von Grün- und Freiflächen zu sichern.
Frage 2.4:
Wie viel Prozent sind im Besitz der LH München?
Antwort:
Im Umgriff der Grünzüge befinden sich ca. 1.075 Hektar im Eigentum der Landeshauptstadt München; das entspricht knapp 50 Prozent der Grünzugs-Flächen.
Frage 3:
Für welche dieser Flächen bestehen konkrete Bebauungsabsichten
Diese Frage wird im Folgenden ausschließlich bezogen auf die im Fragenkomplex 2 angesprochenen „Grünzüge“ interpretiert.
Frage 3.1:
„nach Baugesetzbuch § 34?“
Frage 3.2:
„nach Baugesetzbuch § 35?“
Antwort:
Die Frage nach „konkreten Bebauungsabsichten“ ist in dieser Form nicht zu beantworten.
Eine hierfür notwendige, raumbezogene Auswertung entsprechender unterschiedlicher Verwaltungsvorgänge (Bauvoranfragen, Bauanträge etc.) kann derzeit nicht automatisiert erfolgen und stellt aufgrund der extrem zerstückelten Flächenkulisse und der breit gestreuten Sachbearbeitung einen erheblichen Aufwand dar. Dies kann kurz- und mittelfristig aufgrund der hierfür nicht vorgesehenen bzw. verfügbaren Arbeitskapazitäten nicht geleistet werden.
Frage 3.3:
„im Rahmen einer Bebauungsplanung?“
Antwort:
Gerade die zur städtebaulichen Neuordnung zu erstellenden Bebauungspläne mit Grünordnung sind ein hilfreiches Instrument zur Sicherung und zur Entwicklung von Grünzügen. Planerisch definierte Absichten zur Entwicklung von Grünflächen oder Grünzügen, wie sie insbesondere über Darstellungen im Flächennutzungsplan oder auch separate Stadtratsbeschlüsse vorliegen, gehen grundsätzlich in die Verfahren mit ein. Diese Ziele haben auch bei der Entwicklung von städtebaulichen Konzeptentwürfen oder bei den begleitenden städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerben einen hohen Stellenwert und werden insbesondere seitens der Grünplanung im Referat für Stadt planung und Bauordnung auf allen Planungsebenen fachlich integriert. Beispiele hierfür sind die Bebauungspläne mit Grünordnung „Prinz-Eugen-Kaserne“, „Parkstadt Schwabing“, „Leopoldstraße/Schwabinger Tor“, „Münchner Tor“ und andere.