Als Konsequenz aus den Vorgängen an der Friedrich-List- Wirtschaftsschule: Die Regelungen für das Handeln von PolizeibeamtInnen und Lehrkräften in städtischen Schulen darlegen – und gegebenenfalls neu regeln.
Antrag Stadtrats-Mitglieder Siegfried Benker, Anja Berger, Jutta Koller und Sabine Krieger (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 23.1.2013
Antwort Stadtschulrätin Beatrix Zurek:
Zunächst möchte ich mich für die verspätete Beantwortung bei Ihnen entschuldigen, die aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen zustande kam. Für die hierfür gewährten Fristverlängerungen bis einschließlich Januar 2017 möchte ich mich bei Ihnen bedanken.
Mit Schreiben vom 23.1.2013 haben Sie folgenden Antrag gestellt, der zuständigkeitshalber an das Referat für Bildung und Sport weitergegeben wurde:
„1. Dem Stadtrat wird die Vereinbarung zwischen dem Referat für Bildung und Sport sowie dem Polizeipräsidium München für Vorgehen und Verhalten von PolizeibeamtInnen bei Einsätzen in Schulen dargelegt. Besonderer Wert ist darauf zu verwenden, die jeweilige Verantwortung von PolizeibeamtInnen auf der einen Seite und Schulleitung mit Lehrkräften auf der anderen Seite zu erläutern. Hierbei soll exakt aufgezeigt werden, welche Befugnisse PolizeibeamtInnen in der Schule haben und ob Lehrkräfte jegliche Interventionsmöglichkeit verlieren, wenn PolizeibeamtInnen tätig werden.
2. Dem Stadtrat werden die ‚Alarmpläne‘ für die einzelnen Schularten vorgestellt und erläutert. Besonderes Augenmerk soll hierbei auf dem Punkt liegen ob diese ‚Alarmpläne‘ grundsätzlich gelten wenn PolizeibeamtInnen in der Schule tätig sind.
3. Es werden Möglichkeiten aufgezeigt wie Lehrkräften in solchen Situationen weiterhin die Möglichkeit zur Intervention bleibt. Gegebenenfalls werden hierfür Verantwortlichkeiten neu organisiert und dem Stadtrat präsentiert.“
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Vorab möchte ich Sie darüber informieren, dass sich das Referat für Bildung und Sport 2012 im Rahmen der Beantwortung einer Empfehlung der Stadtratskommission zur Gleichstellung von Frauen zu den Vorkommnissenan der Friedrich-List-Wirtschaftsschule geäußert hat. Bei Bedarf stellen wir Ihnen das Schreiben selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Zu Ihrem Antrag vom 23.1.2013 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Zu Frage 1 und 3:
Zum Vorgehen und Verhalten bei Polizeieinsätzen an Schulen nimmt das Polizeipräsidium München wie folgt Stellung:
„Werden an einer Schule Maßnahmen aufgrund einer konkreten Bedrohungslage (z.B. Amoktat) getroffen, liegt die alleinige Führung und Verantwortung für die unmittelbare Einsatzbewältigung beim zuständigen Polizeiführer.
Weitaus häufiger treten in Schulen bzw. in deren Umfeld jedoch andere Kriminalitätsformen (z.B. Vandalismus, Diebstahl, Nötigung) auf. Hierzu darf auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 19.5.1982 (Hinweis RBS: inzwischen aktualisierte Version vom 23.9.2014) – Hinweise an die öffentlichen Schulen zum Verhalten bei strafrechtlich relevanten Vorkommnissen und zur Beteiligung des Jugendamtes hingewiesen werden.(...)
Weiter reichende Regelungen zum Innenverhältnis zwischen Polizei und Schule im Zusammenhang mit Sicherheitskonzepten liegen nicht vor.“
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst äußert sich zum Vorgehen und Verhalten bei Polizeieinsätzen an Schulen wie folgt:
„Für das Tätigwerden der Polizei in der Schule existieren keine schulspezifischen Sonderregelungen; es richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Das Handeln der Polizei in der Schule kann zum einen der Gefahrenabwehr (präventiv), zum anderen der Strafverfolgung (repressiv) dienen. Während im erst genannten Fall insbesondere die polizei- und sicherheitsrechtlichen Vorschriften des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) maßgeblich sind, richtet sich das Handeln im letztgenannten Fall vornehmlich nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO).
(…)
Für den Bereich des repressiven Handelns der Polizei fordert die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus ‚Hinweise an die öffentlichen Schulen zum Verhalten bei strafrechtlich relevanten Vorkommnissen und zur Beteiligung des Jugendamtes (KMMBl I 1982, S. 83; Hinweis RBS: inzwischen aktualisierte Version vom 23.9.2014)‘ (...), dass Schule, Ermittlungsbehörden und Justiz aufgeschlossen für Aufgaben und Belange der jeweils anderen Bereiche zusammenwirken sollen. Aus den dort aufgeführten Regelungen wird ersichtlich, dass auch amOrt ‚Schule‘ die Polizei selbstständig prüft und in eigener Verantwortung darüber entscheidet, ob und in welcher Form sie zum Handeln befugt ist. Die Schulleiter(-innen) und Lehrkräfte dürfen und haben die Polizeibeamten und -beamtinnen darauf hinzuweisen, wenn aus ihrer Sicht Zweifel an der Rechtmäßigkeit bzw. Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Maßnahme bestehen. Die Letztentscheidungskompetenz liegt jedoch auf Seiten der Polizei. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen ist Sache der Gerichte.“
Die dem Referat für Bildung und Sport im September bzw. Oktober 2016 vom Polizeipräsidium München und dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst bestätigten Stellungnahmen zeigen, dass es keiner gesonderten Vereinbarung zwischen dem Referat für Bildung und Sport sowie dem Polizeipräsidium München für das Vorgehen und Verhalten bei Polizeieinsätzen bzw. gemeinsamen Projekten an Schulen bedarf. Das Tätigwerden der Polizei an Schulen ist durch anderweitige Vorschriften abschließend geregelt. So wird in der aktualisierten Version der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 23.9.2014 unter 3.5 dargelegt, dass polizeiliche Vernehmungen von Minderjährigen an Schulen mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, z.B. wenn eine richterliche Anordnung vorliegt, wegen der besonderen Tatumstände dort ermittelt werden muss, die Ermittlungen sonst erheblich erschwert werden würden oder der Ermittlungserfolg gefährdet wäre. Auf die Belange der Schule ist Rücksicht zu nehmen; die Schule ist zu verständigen (vgl. Nr. 3.6.19 der Polizeidienstvorschrift (PDV) 382 „Bearbeitung von Jugendsachen“ – unter Nr. 3.6 ist detailliert das Verfahren bzw. die Rechte und Pflichten bei Vernehmungen Minderjähriger geregelt). Die Schülerinnen und Schüler sind von der Schule darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht, sich vor der Polizei zur Sache zu äußern. Die Beachtung der Vorschriften über das Recht zur Aussageverweigerung, Zeugnisverweigerung oder Auskunftsverweigerung ist Sache der vernehmenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Ist jedoch die Schule der Auffassung, dass eine minderjährige Schülerin oder ein minderjähriger Schüler wegen mangelnder Verstandesreife von der Bedeutung des Verweigerungsrechtes keine zutreffende Vorstellung hat, so hat sie die vernehmenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten unbeschadet deren eigener Prüfungspflicht und unbeschadet deren Verantwortung darauf hinzuweisen.
Im Hinblick auf die Verantwortung von Schulleitung und Lehrkräften ist auf § 6 Abs. 4 der Dienstordnung für die Lehrerinnen und Lehrer an den Schuen der Landeshauptstadt München einzugehen (M/LLDO). Hier wird festgelegt, dass die Aufsichtspflicht der Lehrkräfte auch dann besteht, wenn im Rahmen des stundenplanmäßigen Unterrichts andere Personen (z.B. Polizeibeamte) mitwirken. Die Lehrkraft bleibt verantwortlich, auch wenn sie/er das Klassenzimmer verlässt.
Nach obiger Darstellung wird deutlich, dass Lehrkräfte und Schulleitung bei Polizeieinsätzen an Schulen keinesfalls jegliche Interventionsmöglichkeit verlieren. Im Rahmen der Aufsichtspflicht haben sie die Schülerschaft vor etwaigem Schaden zu bewahren. Darüber hinaus ist die Schulleitung bei Einsätzen in der Schule zu informieren.
Die Letztentscheidungskompetenz bei einer polizeilichen Maßnahme obliegt der Polizei, wodurch die Eingriffsmöglichkeiten von Seiten der Schule beschränkt sind.
Aus Sicht des Referates für Bildung und Sport ist nach Abwägung der oben dargelegten Rechtslage weder die Schaffung weiterer Interventionsmöglichkeiten für das Schulpersonal bei Polizeieinsätzen an Schulen noch die Erstellung von Kooperationsvereinbarungen für gemeinsame Projekte erforderlich.
Zu Frage 2:
Eine Veröffentlichung der Sicherheitskonzepte (in der Frage „Alarmpläne“) ist aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten und aus Sicherheitserwägungen nicht vorgesehen, da alle zur Sicherheit der Schülerinnen und Schüler festgelegten Handlungen und Abläufe damit offengelegt werden würden. Dies würde die Sicherheit an den Einrichtungen beeinträchtigen und widerspräche dem Sinn und Zweck eines Sicherheitskonzeptes, da sich ein potentieller Täter sonst gezielt danach richten könnte.
Abhängig von der konkreten Situation sind die Festlegungen in den Sicherheitskonzepten auch während eines Polizeieinsatzes gültig.
Die Beantwortung Ihres Antrags ist mit der Gleichstellungsstelle für Frauen abgestimmt.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.