Was war los beim Verkauf der GBW durch die BayernLB?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 25.10.2016
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 25.10.2016 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
Hintergrund Ihrer Anfrage zum Thema Verkauf der damaligen GBW AG durch die Bayerische Landesbank (BayernLB) waren Ergebnisse des
Recherche-Teams des Bayerischen Rundfunks, mit denen bekannt wurde, dass es sich bei den Investoren hinter dem Label „Patrizia AG“ um ein komplexes und undurchsichtiges Geflecht aus Fonds und Firmen handeln würde.
Der Beantwortung der einzelnen Fragen soll zum einen vorweg geschickt werden, dass die Landeshauptstadt München nicht über genügend Erkenntnisse zu den Verfahrensdetails, auf die sich die o.g. Anfrage bezieht, verfügt und somit im Folgenden lediglich veröffentlichte Informationen wiedergeben kann. Die Landeshauptstadt München hat in dem in der Anfrage genannten Bieterverfahren als Teil eines kommunalen Konsortiums die Stellung als Bieterin eingenommen. Es gab daher keine Möglichkeit, einen Blick „hinter die Kulissen zu werfen“. Vielmehr wurden den Bieterinnen und Bietern selektiv und jeweils zu gegebener Zeit nur solche Informationen mitgeteilt, welche für die Teilnahme am Verfahren zwingend notwendig waren.
Zum anderen kann auf Einzelheiten des Bieterverfahrens sowie der Zuschlagsentscheidung auch zur Vermeidung eines möglichen Vertraulichkeitsverstoßes nicht eingegangen werden. Die Landeshauptstadt München musste sich zu Beginn des Verfahrens einer exzessiven, von der BayernLB geforderten Schweigepflicht unterwerfen, die weitreichende Verpflichtungen – auch noch nach Ende des Bieterverfahrens – beinhaltet. Weiterhin wurde die Landeshauptstadt München verpflichtet, Unterlagen und sonstige Informationen aus dem Bieterverfahren zu vernichten, sodass sich die der Beantwortung der Fragen zugrunde liegenden Unterlagen auf solche begrenzen, welche aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen aufzubewahren sind.In Ihrer Anfrage stellen Sie folgende Fragen mit der Bitte um Beantwortung:
Frage 1:
Wurden bei den Auflagen der Bayern LB für Käuferkonsortien Bedingungen gestellt, die das „Angebot“ der Patrizia begünstigten?
Antwort:
Wie der Vollversammlung des Stadtrates am 2.5.2013 berichtet wurde (Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates der Landeshauptstadt München am 2.5.2013, Sitzungsvorlagen Nr. 08-14/V11830, öffentliche Sitzung), wurden aufgrund von Milliardendefiziten der BayernLB im Jahr 2008 vom Freistaat Bayern Beihilfen in Milliardenhöhe zur Rettung der Landesbank gewährt. Nach Darstellung der BayernLB wurde ihr für die geleisteten Beihilfen im Juli 2012 von der EU der Verkauf des Aktienanteils an der GBW AG zur Verschlankung des Geschäftsmodells auferlegt. Demnach musste sich die BayernLB in einem an Wettbewerbsgrundsätzen orientierten Bieterverfahren (siehe Verkaufsanzeige vom 15.10.2012, https://www.bayernlb.de/internet/media/de/internet_4/de_1/downloads_5/0100_corporatecenter_8/1320presse_3/pressemeldungen_2/pressemeldungen_deutsch/2012_2/10oktober/15102012-Anzeige-GBW.pdf, abgerufen am 2.11.2016) bis zum Ende des Jahres 2013 vollständig von ihrem rund 92-prozentigen Anteil an der GBW AG trennen. Um nicht gegen die EUrechtlichen Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit und Transparenz zu verstoßen, durften dabei einzelne Bieterinnen und Bieter nicht begünstigt werden. Laut einer Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 12.10.2016 (veröffentlicht unter https://www.stmflh.bayern.de/internet/stmf/aktuelles/ pressemitteilungen/23052/index.html, abgerufen am 2.11.2016) erfolgten Verfahren und Entscheidung für den Zuschlag nach Recht und Gesetz; dies hätte auch ein von der EU-Kommission eingesetzter Überwachungstreuhänder (Trustee) überprüft. Im Übrigen bestehen keine weiteren Hinweise für eine Begünstigung der Patrizia AG bzw. des von ihr geleiteten Investorenkonsortiums.
Frage 2:
Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Patrizia womöglich die Bayern LB durch Drohungen mit Schadensersatzklagen – wegen Verkaufsverhandlun- gen im Jahre 2008 – unter Druck gesetzt hat?
Antwort:
Nein, dazu gibt es keine Anhaltspunkte.Frage 3:
Gibt es rechtliche Möglichkeiten einer Schadensersatzklage wegen anfechtbarer Bedingungen beim damaligen Bieter-Verfahren für die GBW- Wohnungen?
Antwort:
Grundsätzlich richten sich eventuell bestehende Schadensersatzansprüche von unterlegenen Bieterinnen und Bietern in einem offenen Bieterverfahren zum Verkauf von Aktien oder Unternehmen, wenn und soweit deutsches Recht anwendbar ist, nach §§ 280 Abs. 1, 214 Abs.2, 311 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Da die Parteien nicht in einem hoheitlichen Verhältnis zueinander handeln, findet Privatrecht Anwendung. Vorschriften des Vergaberechts sind in einem Bieterverfahren wie dem vorliegenden nicht anwendbar, da es sich beim Verkauf von Aktien nicht um einen öffentlichen Auftrag handelt (siehe auch Verkaufsanzeige vom 15.10.2012, https://www.bayernlb.de/internet/media/de/internet_4/de_1/downloads_5/0100_corporatecenter_8/1320presse_3/pressemeldungen_2/pressemeldungen_deutsch/2012_2/10oktober/15102012-Anzeige-GBW.pdf, abgerufen am 2.11.2016).
Der Verkäufer/die Verkäuferin haftet gemäß §§ 280 Abs. 1, 214 Abs.2, 311 Abs. 2 BGB für Schäden (meist in Höhe der Beratungskosten), die bei der/ dem unterlegenen Bieterin bzw. Bieter aufgrund einer Pflichtverletzung der/des Verkäuferin/-s im sogenannten vorvertraglichen Schuldverhältnis entstanden sind, wenn und soweit kein rechtswirksamer Haftungsausschluss vereinbart wurde und der Anspruch noch nicht verjährt ist. Als relevante Pflichtverletzungen kommt grundsätzlich meist ein Verstoß gegen die (evtl. gesteigerte) Wahrheits- und Aufklärungspflicht in Betracht. Im vorliegenden Bieterverfahren bestehen derzeit keine Anhaltspunkte für eine solche Pflichtverletzung und folglich für eine erfolgreiche Schadensersatzklage. Über weitere Details des Verfahrens darf zur Vermeidung eines möglichen Vertraulichkeitsverstoßes nicht eingegangen werden.
Frage 4:
Kann die Stadt ermitteln, wie viele Mietverhältnisse bei GBW-Wohnungen in München durch Einzelverkauf an neue private Eigentümer gefährdet sind?
Antwort:
Eine genaue Ermittlung der aktuell im Gebiet der Landeshauptstadt München belegenen GBW-Wohnungen ist nicht möglich, ebenso wenig eine Ermittlung derjenigen Wohnungsbestände, welche die GBW GmbH künftig verkaufen wird.Es finden sich lediglich verschiedene veröffentlichte ungefähre Angaben der GBW-Wohnungsbestände im Allgemeinen. So wurde während des Bieterverfahrens von Seiten der BayernLB regelmäßig erwähnt, dass die damalige GBW AG rund 32.000 Wohnungen in Bayern zählte und sich zwei Drittel davon auf die großen bayerischen Städte wie München, Nürnberg oder Regensburg verteilten (siehe u.a. Pressemitteilung der BayernLB vom 15.10.2012, https://www.bayernlb.de/internet/media/de/internet_4/de_1/downloads_5/0100_corporatecenter_8/1320presse_3/pressemeldungen_2/pressemeldungen_deutsch/2012_2/10oktober/15102012_GBW.pdf., abgerufen am 2.11.2016). Laut einer Pressemitteilung des Bayerischen Städtetages vom 9.4.2013 liegen 32% der Wohnungen (10.500 Wohnungen) im Großraum München (siehe http://www.bay-staedtetag.de/index.php?id=8619,133, abgerufen am 2.11.2016). Laut Angaben der GBW GmbH auf ihrer Homepage zählt die Gesellschaft aktuell 30.000 Wohnungen in Süddeutschland.
Die Landeshauptstadt München bzw. die städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben durch Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts, welches aus dem genannten Bieterverfahren resultierte, in den Jahren 2013 bis 2016 insgesamt 949 Mietwohnobjekte von der GBW GmbH erworben.
Hierzu hat das Kommunalreferat Ihnen gegenüber bereits ausführlich mit Schreiben vom 3.8.2016 (Schriftliche Anfrage gemäß § 68 GeschO, Anfrage Nr. 14-20/F 00588 vom 20.5.2016) Stellung genommen.