„Kampf gegen Rechts“ bis zur Existenzvernichtung - kann das richtig sein?
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 18.7.2017
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„Seit Jahren leistet sich die LHM ein zunehmend dichteres Netzwerk zur Bekämpfung vorgeblich ‚rechtsextremistischer‘ Bestrebungen. Erst dieser Tage legte dazu die beim Oberbürgermeister angesiedelte sogenannte ‚Fachstelle für Demokratie‘ den ‚Jahresbericht 2016 des Kommunalen Netzwerks gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Radikalisierung und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit‘ vor, der zahlreiche Einzel- und Kampagnenmaßnahmen gegen missliebige Andersdenkende in München aufführt.
Das Prozedere bei Bekanntwerden unerwünschter politischer Aktivitäten sieht vor, dass auf einschlägige Informationen hin die ‚Fachstelle‘ aktiv wird und etwa einen ins Visier geratenen Gastronomen, der unerwünschten Personen oder Gruppierungen Räumlichkeiten überlässt, zunächst zu ‚überreden‘ versucht, dies künftig zu unterlassen. Im Fall ‚uneinsichtiger‘ Gastwirte wird in weiterer Folge die verpachtende Brauerei kontaktiert, die dem Gastronomen im schlimmsten Fall die Konzession entziehen soll.
Diese Vorgehensweise ist, was anzumerken ist, zutiefst fragwürdig und schlägt allen Anti-Diskriminierungs- und Gleichstellungs-Standards, auf die sich die LHM ansonsten viel zugutehält, ins Gesicht. Ein Fall, über den sogar das Lokalblättchen ‚tz‘ ausführlich und objektiv berichtete, sorgt derzeit nicht nur im betroffenen Stadtteil Sendling für Gesprächsstoff. Dort war an der Ecke Oberländer-/Implerstraße schon Anfang des Jahres eine im Viertel beliebte und alteingesessene Trattoria ins Visier städtischer Maßnahmen gegen ‚Rechts‘ geraten, nachdem bekanntgeworden war, dass dort regelmäßig montags Teilnehmer der Münchner Pegida-Kundgebungen einkehrten. Sogar die ‚tz‘ gibt die Position des italienischen Gastwirtes korrekt wieder, der angab, die Pegida-Gäste seien in keiner Weise politisch auffällig geworden. Der Vorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses habe gleichwohl an den Wirt appelliert, den Pegida-Leuten den Zutritt zu verwehren‘.
Als der Gastronom dies verweigerte (‚Ich kann nicht Leuten Hausverbot erteilen, wenn sie nicht randalieren‘), habe vor allem der ‚Rechtsextremis- mus-Beauftragte‘ des Bezirksausschusses ihm geschadet. Dieser trieb ‚die Sache weiter, meldete einzelne Pegida-Leute der Brauerei. D. [Name bekannt; KR] habe ihm Hoffnung gemacht, dass sein Umsatz hochschnelle, wenn er mit dem Attribut ‚Pegida-frei‘ werbe.‘ Das Ende vom Lied ist, dass dem italienischen Gastronomen kürzlich nun von der Brauerei gekündigt wurde. Er sieht sich zur Schließung seines Lokals gezwungen. In seinem Abschiedsschreiben, das dieser Tage im Fenster seines Lokals aushängt, spricht er ‚einen besonderen Dank‘ dem Bezirksausschuß aus, der seinem Geschäft geschadet habe (alles wiedergegeben nach: https://www.tz.de/muenchen/stadt/sendling-ort43335/brauerei-kuendigt-casa-mia-in-sendling-pachtvertrag-8488765.html; zuletzt aufgerufen: 18.7.2017, 2.50 Uhr; KR). – Der Fall hinterlässt nicht nur einen außerordentlich unangenehmen Beigeschmack, sondern wirft auch konkrete Fragen auf.“
Ihre Anfrage wird wie folgt beantwortet:
Frage 1:
Im vorliegenden konkreten Fall wurde durch den von der Stadt betriebenen Kampf gegen „Rechts“, insbesondere aber durch das penetrante Agieren des „Rechtsextremismus-Beauftragten“ des BA („meldete einzelne Pegida-Leute der Brauerei“), die Existenz eines langjährigen Münchner Gastronomen zerstört, sozusagen mit Ankündigung. Wie ist die Position des Oberbürgermeisters hierzu – inwieweit findet er dieses Vorgehen im Kampf gegen Andersdenkende, die sich in der unter Druck gesetzten Gaststätte in keiner Weise politisch auffällig verhielten, richtig und angemessen? Darf der von der LHM betriebene Kampf gegen „Rechts“ nach Auffassung des Oberbürgermeisters bis zur Vernichtung der Existenz Be- troffener, in diesem Fall sogar politisch völlig Unbescholtener, gehen?
Antwort:
Laut Aussage der Brauerei wurde der Vertrag aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt. Für eine Verantwortung städtischer Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter oder von Funktionsträgern des Bezirksausschusses gibt es keine Anhaltspunkte.
Frage:
Inwieweit wurde der „Rechtsextremismus-Beauftragte“ des Sendlinger Bezirksausschusses vom BA zu seinem penetranten Vorgehen, das nach Aussagen von Betroffenen bis zur abendfüllenden Ausspähung einzelner Gäste ging, ermächtigt?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 1.
Frage 3:
Was besagen die einschlägigen Vorschriften für das Amt des BA- „Rechtsextremismus-Beauftragten“ über weitergehende Kompetenzen wie die Kontaktaufnahme mit verpachtenden Brauereien zum Zweck der Meldung einzelner Ausgespähter? Inwieweit liegt die Ausgestaltung der Position des BA-„Rechtsextremismus-Beauftragten“ im Ermessen des Inhabers dieser Position?
Antwort:
Siehe zur Stellung des Beauftragten § 23a Absatz 2 der Bezirksausschuss-Satzung.
Frage 4:
Inwieweit werden die „Rechtsextremismus-Beauftragten“ der Münchner Bezirksausschüsse auf ihre unter demokratiepolitischen Aspekten heikle Aufgabe speziell vorbereitet, etwa durch eine juristische Schulung? Durch wen bzw. durch welche Institution erfolgt diese Unterweisung?
Antwort:
Auch für das Ehrenamt eines Beauftragten gegen Rechtsextremismus gelten die Regelungen zu Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflichten nach Art. 20 der Bayerischen Gemeindeordnung.