Prekäre Wohnverhältnisse und Abrechnungsbetrug bei „Flüchtlings“-/ Notunterkünften – ein Problem auch in München?
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 11.4.2017
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 11.4.2017 führen Sie Folgendes aus:
„Laut dem Münchner Sozialreferat weichen als Folge des angespannten Wohnungsmarktes einerseits, einer anhaltend hohen Zuwanderung an- dererseits ‚immer mehr Armutszuwanderer auf zweifelhafte Miet- und Wohnverhältnisse‘ aus. Die zuständige ‚Task Force‘ hat derzeit ‚43 Objekte in prekären Verhältnissen‘ unter Beobachtung, sieht sich aber damit überfordert, gegen den Übelstand vorzugehen (wiedergegeben nach: http:// www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.ohne-strom-und-wasser-moosach-familie-haust-in-bruchbude.90defa05-7d15-403c-acbb-6e3eb1d44ede.html; zul. aufgerufen: 11.4.2017, 1.45Uhr; KR).
Hinzu kommt, dass der Mangel an Notunterkünften zum Missbrauch regelrecht einlädt. Aus Berlin berichtete die ‚Bild‘-Zeitung im März über ‚Mafiamethoden in der Hauptstadt‘ und titelte: ‚So zocken kriminelle Clans mit Flüchtlings-Pensionen ab‘. In zahlreichen Fällen werde für ‚Phantom- Mieter‘ abkassiert, Wohnungen würden zweckentfremdet, die Bezirksverwaltungen bezahlten ungeprüft 25 Euro pro Nacht, und Kontrollen hin- sichtlich Wohnsicherheit, Hygiene, Strom- und Wasserversorgung fänden praktisch nicht statt. Der Bezirk Neukölln habe deshalb neuerdings eine ‚Soko Abrechnungsbetrug Notunterkünfte‘ ins Leben gerufen. ‚Oft haben arabische Großfamilien ihre Hände im Spiel‘. (Alles nach: http://www.bild.de/regional/berlin/organisiertes-verbrechen/so-zocken-kriminelle-clans-mit-fluechtlings-pensionen-ab-50895514.bild.html; zuletzt aufgerufen: 11.4.2017, 1.55 Uhr; KR). – Es stellen sich Fragen nach der Situation in München.“
Eine fristgerechte Beantwortung der Anfrage innerhalb der geschäftsordnungsgemäßen Frist war leider nicht möglich, weil für die Beantwortung umfangreiche Abstimmungsprozesse mit verschiedenen Abteilungen im Sozialreferat notwendig waren.
Zu Ihrer Anfrage vom 11.4.2017 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Inwieweit stellt der Abrechnungsbetrug im Bereich „Flüchtlings“-/Notun- terkünfte auch in der LHM ein Problem dar? Wie viele Fälle wurden in den Jahren 2015 und 2016 ggf. aktenkundig? Immerhin ist der Wohnungsmarkt in München noch angespannter als in Berlin.
Antwort:
Dieses Problem existiert in München nicht. Asylsuchende müssen ihren Wohnsitz entweder in einer staatlichen Gemeinschaftsunterkunft oder in einer von der Kommune geführten dezentralen Unterbringung nehmen. Die Unterbringung wird also in Form einer Sachleistung erbracht.
Frage 2:
Wie stellt die LHM sicher, dass Abrechnungsbetrug, Zweckentfremdung, Anmeldung von und Abrechnung für „Phantom-Mieter“, Überbelegung, aber auch prekäre Wohnverhältnisse verhindert werden? Die Berichterstattung der Lokalpresse (s. oben, AZ-Bericht vom 19.2.2017) legt nahe, dass nicht nur die Hilfsmöglichkeiten, sondern auch die Kontrollkapazitäten der LHM überfordert sind.
Antwort:
Hinsichtlich des Begriffes Abrechnungsbetrug verweisen wir auf die Antwort zur Frage 1.
Für den Vollzug der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) ist das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, Abteilung Wohnraumerhalt, Fachbereich Wohnungsbestandssicherung zuständig. Wie sich bereits aus dem Titel der Satzung entnehmen lässt, handelt es sich hierbei um Wohnraumbestandsschutz. Das heißt, das Zweckentfremdungsrecht ist ausschließlich auf Wohnraum anwendbar; der Wohnraum muss baurechtlich als Wohnraum
genehmigt sein. Flüchtlings- und Notunterkünfte unterliegen nicht der ZeS. Wenn ein Anfangsverdacht auf eine Zweckentfremdung vorliegt, wird das Anwesen überprüft und gegebenenfalls werden Anordnungen erlassen.
Hinweise auf „Phantom-Mieter“ liegen aktenkundig nicht vor.
Der Begriff „Prekäres Wohnen“ ist juristisch nicht definiert. Prekäre Wohnverhältnisse sind vor allem jene, die von normalen Wohnverhältnissen sehr stark abweichen. Prekäres Wohnen kann z.B. aufgrund sehr enger Platzverhältnisse, hygienischer Gegebenheiten, fehlender oder mangelhafter Heizmöglichkeiten, eingeschränkter Rettungsmöglichkeiten gegeben sein. Mehrheitlich lassen sich prekäre Zustände nicht präventiv verhindern. Im Rahmen des Gesamtkonzepts „Maßnahmen zum Erhalt von Mietverhältnissen“ gibt es allerdings eine Reihe von Bausteinen (aufsuchendeSozialarbeit (ASA), Grundreinigung bei verwahrlosten Wohnungen und Wohntraining) die zum Beispiel dazu beitragen, hygienische Missstände zu verhindern.
Frage 3:
Um einen Eindruck zu bekommen, wie ernst die LHM ihre Aufsichtspflicht nimmt: wie viele Kontrollbesuche in Wohnobjekten in gemutmaßt oder tatsächlich prekären Verhältnissen führte die Stadt – mutmaßlich das Amt für Wohnen und Migration – 2015 und 2016 durch? Wie viel Personal steht für diese Aufgabe zur Verfügung? Kam es vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Situation in den letzten Jahren zu einer Aufstockung des Personalstamms?
Antwort:
Bei gemeldeten Hinweisen auf „prekäre“ Wohnverhältnisse werden diese in die referatsübergreifende Arbeitsgruppe „Prekäres Wohnen“ eingebracht. Der Arbeitsgruppe lagen im Jahr 2015 19 und 2016 17 neue Objekte mit Verdacht auf prekäre Wohnverhältnisse vor. Weiterhin gab es Wiederholungsmeldungen für Objekte, die bereits 2014 erstmalig gemeldet wurden. Nach Prüfung der Meldungen in der Arbeitsgruppe erfolgte eine gemeinsame (referatsübergreifende) Begehung der Wohnungen und Häuser oder eine Weiterleitung der Meldung an das zuständige Referat zur weiteren Bearbeitung in eigener Zuständigkeit. Für die zusätzlichen Aufgaben und damit verbundenen Tätigkeiten erfolgte keine gesonderte Stellenmehrung. Die Aufgaben werden im Rahmen der bestehenden Stellen wahrgenommen.