Die Landeshauptstadt München fördert und unterstützt Münchens Film- und Kinoszene und vergibt jährlich Preise an den Regie-Nachwuchs für künstlerisch herausragende Projekte sowie an Programmkinos. Die Preise werden am Mittwoch, 18. Oktober, durch Stadträtin Kristina Frank (CSU-Fraktion) in Vertretung des Oberbürgermeisters und Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers im Rahmen einer geschlossenen Veranstaltung übergeben.
Die diesjährigen mit jeweils 6.000 Euro dotierten drei Starter-Filmpreise gehen an Moritz S. Binder für „Thumb“, Annelie Boros für „fuck white tears“ und Michael Ciesielski für „Kleinheim“. Der Starter-Filmpreis / Produktion, gestiftet von ARRI Media, als geldwerte Leistung in Höhe von 6.000 Euro für die Postproduktion eines künftigen Films, wird an Julia Lokshina (Regie) und Isabelle Bertolone und Marius Ehlayil (Produzenten) für „Tage der Jugend“ vergeben.
Mit den mit jeweils 5.000 Euro dotierten sechs Kinoprogrammpreisen werden 2017 ausgezeichnet: das ABC Kino, Marieluise und Thomas Kuchenreuther; das Filmtheater Sendlinger Tor, Fritz und Christoph Preßmar; die Museum Lichtspiele, Mathias H. Wild und Matthias Stolz; der Rio Film- palast, Elisabeth Kuonen-Reich; das Theatiner Filmtheater, Marlies Kirchner und der Werkstattkino e.V., Wolfgang Bihlmeier, Bernd Brehmer, Doris Kuhn, Erich Wagner.
Auszüge aus den Jurybegründungen:
Moritz S. Binder: THUMB
Keywan und sein todkranker Vater begeben sich auf eine letzte gemeinsame Reise. Es ist eine Fahrt, die beide zusammenführen wird, und an deren Ende doch die unausweichliche Trennung steht. Die Geschichte vom Abschiednehmen zweier Generationen inszeniert Regisseur Moritz S. Binder als bilderstarkes und feinfühliges Roadmovie, in dessen Verlauf unzählige Transiträume durchlaufen werden.
Annelie Boros: FUCK WHITE TEARS
‚Du kommst hier her und schießt mit der Kamera auf uns wie auf Tiere.‘ Die Filmemacherin ist in Kapstadt, Südafrika, um einen Film über die Studentendemonstrationen dort zu machen. Doch die Menschen dort wollen nicht, dass sie als Weiße einen Film über ihre schwarze Protestbewegung macht. Anstatt diesen Konflikt auszusparen und starr ihr ursprüngliches Vorhaben durchzuziehen, macht Annelie Boros ihn zum Gegenstand ihrer Erzählung. Sie versucht zu ergründen, wovon diese heftigen Reaktionen herrühren. ‘Fuck White Tears‘ erzählt mit den klassischen Mitteln der Fernsehreportage und doch ist das Ergebnis weit mehr als das. Annelie Boros hält sich nicht heraus, versteckt sich nicht in der Draufsicht, sondern hinter- fragt ihre eigene Verantwortung in diesem System.
Michael Ciesielski: KLEINHEIM
Eine Idylle en miniature: Ein kleines Dorf, nur wenige Häuser, irgendwo in Niederbayern. Zwischen Maisfeld, Grillplatz und der Bank an der verwaisten Bushaltestelle spielt sich der Alltag fünf junger Bewohner ab. Zu tun gibt es nichts, außer Abhängen, ein ganz normales Dorfleben. Nur eine will ausbrechen: Jessica hält es nicht mehr aus, sie will weg und versucht, ihren Freund zum Mitkommen zu überreden. In seiner Antwort klingt erstmals die Bedrohung an: Wo willst du denn hin, es ist noch keiner zurückgekommen von denen, die gegangen sind. Und außerdem: Warum abhauen, wenn alles, was man braucht, buchstäblich vom Himmel fällt? Sei es Toilettenpapier oder Eis: Stets bekommen die Bewohner, was sie wollen oder brauchen, ehe sie es auch nur selbst wissen … Mit minimalem Aufwand und einem Budget von 1.000 Euro erzielt er mit seiner kleinen intelligenten Geschichte beachtliche Wirkung.
Starter-Filmpreis / Produktion Julia Lokshina (Regie) und Isabelle Bertolone und Marius Ehlayil (Produzenten): TAGE DER JUGEND
Fröhliche junge Gesichter, ausgelassene Verspieltheit inmitten ursprüng- licher Natur. ‚Tage der Jugend‘ zeigt eine Idylle, so scheint es. Russische Mädchen und Jungs verbringen den Sommer in einem Jugendcamp auf der Insel Sachalin, 8.000 Kilometer entfernt von Moskau. Es wird gescherzt, Sport getrieben, aber auch geübt, wie man einen Angreifer entwaffnet und kampfunfähig macht ... Yulia Lokshina erzählt in ihrer Dokumentation in mitunter betörenden Bildern von der Verführung zu einer simplen Sicht auf die Welt, von der Versuchung sich über Stärke zu definieren ... Ein Film, der auch ohne Kommentar aus dem Off viel erklärt, durch die Macht der Bilder und das Talent der Filmemacherin, nah heranzurücken an das, was sie zeigt, ohne sich gemein zu machen. Ein bemerkenswert souveräner Film, der ein vielschichtiges Sujet gekonnt angeht und dem Zuschauer eine unbekannte Welt zeigt, die weit entfernt scheint.
Kinoprogrammpreise ABC Kino – Thomas Kuchenreuther
‚Wer das Kino liebt, muss mit dem ABC beginnen‘: Auch 2017 hat der be- rühmte Ausspruch Claude Chabrols für das traditionsreiche Kino, das seit 1914 an der Münchner Freiheit besteht, Gültigkeit. Der Liebe zum Kino seines Betreibers Thomas Kuchenreuther verdankt das ABC sein individuell ausgeprägtes Programm aus den besten Arthouse-Filmen, die er auch über gängige Auswertungsfenster hinaus im Programm behält, um ihre Relevanz und Qualität zu betonen. Das ABC ist gleichermaßen für die Filme wie für sein filmbegeistertes Publikum da.
Filmtheater Sendlinger Tor – Fritz und Christoph Preßmar
Am Eingangstor zur Münchner City wartet das Filmtheater Sendlinger Tor seit 1913 mit ausgewählter Filmkunst auf. Es ist bekannt für seine großflächigen gemalten Filmplakate von René Birkner, die die Fassade schmücken und zum Markenzeichen des denkmalgeschützten Filmhauses geworden sind. In dritter Generation wird es von der Familie Preßmar als Familienbetrieb geführt. Sie sorgt dafür, dass die Münchnerinnen und Münchner ein vielseitiges Programmangebot aus deutschem Arthouse, Literaturverfilmungen und qualitätvollen internationalen Filmproduktionen in dem prachtvollen Ambiente des 400 Plätze fassenden Saals sehen können.
Museum Lichtspiele – Mathias H. Wild und Matthias Stolz
Das zweitälteste Kino Münchens besteht seit 1910 unweit des Geburtshauses von Karl Valentin und wurde mit großer Wahrscheinlichkeit von dem bekennenden Filmliebhaber und Humoristen besucht. In den 1980er Jahren verlegte sich das Kino als das erste der Stadt auf das Abspielen von Filmen in der Originalfassung und sorgte damit für die Ansprüche der Cineasten und internationalen Bewohner der Isarmetropole. Neben seinem großen Programm mit Kinderfilmen und seiner ausgewogenen Mischung aus Arthouse und interessantem Blockbuster halten die Betreiber Matthias Stolz und Mathias Wild noch eine weitere Tradition aufrecht: seit 40 Jahren ist ‚The Rocky Horror Picture Show‘ im Wochenprogramm der Museum Lichtspiele.
Rio Filmpalast – Elisabeth Kuonen-Reich
Der Rio Filmpalast in Haidhausen besteht seit 1960 und wird seitdem in jetzt zweiter Generation von der Familie Reich betrieben. Kinobetreiberin Elisabeth Kuonen-Reich ermöglicht den Besuch von Regisseuren und lässt Festivals in ihrem Hause gastieren. Sie sorgt damit für ein lebendiges Arthouse-Programm in der Nachbarschaft der Haidhauser, Auer und Giesinger. Mit ausgewählten Filmen in Originalfassung mit Untertiteln garantiert sie Unterhaltung auf höchstem Niveau.
Theatiner Film – Marlies Kirchner
Seit 60 Jahren gibt es die „Theatiner Filmkunst“ in der edlen Theatiner-Passage am Odeonsplatz. Das denkmalgeschützte Kino mit seinem aufse- henerregenden Foyer mit Plakaten der „Filmkunst Walter Kirchner“ sorgt mit seinem Schwerpunkt auf französischen, italienischen und spanischen Filmen im Original mit Untertiteln für ein anspruchsvolles Kinoangebot. Kino als „siebte Kunst“ ist für die Kinobetreiberin Marlies Kirchner in der Tradition der französischen Nouvelle Vague, des italienischen Neorealismo oder der spanischen Movida auch heute noch das entscheidende Qualitätskriterium.
Werkstattkino e.V. – Wolfgang Bihlmeier, Bernd Brehmer, Doris Kuhn, Erich Wagner
Das als Kollektiv der vier Kinobetreiber Wolfgang Bihlmeir, Bernd Brehmer, Doris Kuhn und Erich Waco Wagner geführte Werkstattkino ist eine Oase des Undergrounds mitten im Glockenbachviertel, dem jungen Herzen der Stadt. Das umfangreiche kinoeigene Archiv analoger Filmkopien gelangt in seinem Spätprogramm zum Einsatz und ergänzt das aktuelle Kinoprogramm mit einem kenntnisreichen Blick in die Filmgeschichte. Das Werkstattkino ist zudem eine feste Abspielstätte für Erstaufführungen und sorgt dafür, dass wichtige Filme aus dem anspruchsvollen Arthouse-Sektor auch in München zu sehen sind.
Weitere Informationen und ausführliche Jurybegründungen gibt es unter www.muenchen.de/kulturfoerderung in der Rubrik „Preise“.