„Ausspähung der Gülen-Bewegung durch türkische Konsulatsangehörige in München“
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Gülseren Demirel, Lydia Dietrich, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch, Jutta Koller, Dominik Krause, Sabine Krieger, Hep Monatzeder, Sabine Nallinger, Thomas Niederbühl, Dr. Florian Roth und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen/ Rosa Liste) vom 20.2.2017
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Ihre Anfrage vom 20.2.2017 wurde im Auftrag von Herrn Oberbürgermeister Dieter Reiter in Federführung dem Kreisverwaltungsreferat zur Beantwortung zugeleitet.
Für die gewährte Fristverlängerung bedanken wir uns.
Ihrer Anfrage schicken Sie folgenden Sachverhalt voraus:
„Laut Medienberichten sammeln türkische Religionsattaches in einigen deutschen Städten Informationen über Organisationen und Personen, die nach ihrer Auffassung der ‚Gülen-Bewegung‘ nahestehen. Auch der türkische Religionsattache in München, der gleichzeitig Fachvorgesetzter der in München predigenden Imame der Dtib ist, ist offenbar in dieser Weise tätig geworden (SZ vom 10.2.17) und hat seine Vorgesetzten in der Türkei in einem ausführlichen Schreiben informiert. Bereits im Herbst wurden türkische Religionsattaches in einem weltweit versandten Fragenkatalog aufgefordert, detailliert über die Aktivitäten von vermeintlichen Gülen-Institutionen zu berichten. Die Liste dieser Institutionen enthält auch etliche in München tätige Einrichtungen und deren Kooperationspartner, darunter so angesehene wie die Stelle für interkulturelle Arbeit der Stadt München, die Münchner Volkshochschule oder der Münchner Presseclub. Abgesehen von den möglichen strafrechtlichen Implikationen (in NRW ermittelt die Bundesanwaltschaft, Wohnungen von Imamen wurden durchsucht) wäre dieses Verhalten, wenn es sich bestätigen würde, nicht mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit deutschen Behörden, demokratisch gewählten Politikerinnen und Politikern und anderen muslimischen Verbänden vereinbar.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen teilen wir Ihnen Folgendes mit:
Frage:
Ist der Stadtverwaltung das Schreiben des türkischen Religionsattaches bekannt?
Antwort:
Das in Rede stehende Schreiben liegt der Stadtverwaltung nicht vor. Es sind lediglich die Inhalte der medialen Berichterstattung bekannt.
Frage:
Welche Rolle spielt Ditib bei diesen Vorgängen?
Antwort:
Informationen über die Aktivitäten von Imamen oder Ditib-Verbänden in München in diesem Zusammenhang liegen der Stadtverwaltung derzeit nicht vor. Der Ditib-Bundesverband hat jedoch eingeräumt, dass Imame Informationen über Gülen-Anhänger gesammelt hätten. Eine entsprechende Weisung der türkischen Religionsbehörde sei nicht an Ditib gerichtet gewesen, dennoch seien ihr „einige wenige Ditib-Imame fälschlicherweise“ gefolgt.
Frage:
Gibt es Hinweise darauf, dass Vertreter von Ditib am Runden Tisch der Muslime in München bei dieser Informationsbeschaffung eine Rolle gespielt haben?
Antwort:
Der zweimal jährlich stattfindende Runde Tisch Muslime wurde analog zu klassischen Bürgerinnen- und Bürgerversammlung konzipiert. Muslimische Vereine können sich so zweimal im Jahr mit ihren Belangen an die Stadtspitze wenden. Der Runde Tisch Muslime wird von der Stelle für interkulturelle Arbeit im Sozialreferat koordiniert. Die Stelle für interkulturelle Arbeit konnte keine Feststellungen im Sinne der Anfrage machen. Auch die Konzeption des Runden Tisch Muslime lässt Aktivitäten in dieser Richtung nicht erwarten.
Dem Kreisverwaltungsreferat liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.
Frage:
Sind der Stadt München diesbezüglich Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder des Generalbundesanwalts bekannt?
Antwort:
Insgesamt ermittelt das Bundeskriminalamt im Auftrag des Generalbundesanwalts (Stand April 2017) in Deutschland gegen 20 namentlich bekannte Beschuldigte und gegen unbekannt wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit in Zusammenhang mit der Ausspähung der sog. Gülen-Bewegung (Quelle: Deutscher Bundestag, Drucksache 18/11851). Über entsprechende Ermittlungen in München liegen derzeit keine Erkenntnisse vor.
Frage:
Ergeben sich aus diesem Vorgang Konsequenzen für die Zusammenarbeit der Stadt mit Ditib, z.B. auf dem Feld des Religionsunterrichtes?
Antwort:
Das Referat für Bildung und Sport teilte hierzu mit:
„Grundsätzlich findet der Islamunterricht in staatlicher Verantwortung nach dem ‚Erlanger Modell‘ statt. Laut Bayerischem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (https://www.km.bayern.de/ allgemein/meldung/3200/bayern-geht-beim-islamunterricht-seinen-eigenenweg-weiter.html) wurden die Unterrichtsinhalte von der Universität Erlangen-Nürnberg gemeinsam mit dem Bildungsministerium unter Einbindung von Eltern erarbeitet und basieren auf dem Fundament des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung. Der Modellversuch wird vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) evaluiert. Das Fach wird als Lehramtsstudium angeboten.
Mit dem Stadtratsbeschluss ‚Modellprojekt Islamkunde an einer Münchner Schule realisieren‘ (BV Nr. 02-08/V11235 vom 29.1.2008) wurde der Islamische Religionsunterricht nach dem ‚Erlanger Modell‘ auch an Münchner Schulen eingeführt; der Stadtrat wurde nach Einführung des islamischen Religionsunterricht durch den ‚Bericht über den Modellversuch Islamischer Religionsunterricht in München‘ (BV Nr. 08-14/ V 03136 vom 1.12.2009) über den Erfolg des Modells informiert. Eine Einflussnahme durch bzw. Zusammenarbeit bezüglich des Religionsunterrichts mit Ditib, wie sie in anderen Bundesländern stattfindet, ist nach Kenntnis des Referats für Bildung und Sport nicht gegeben.“
Frage:
Welche Konsequenzen beabsichtigt die Stadt aus dem Verhalten des Religionsattaches zu ziehen?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München steht, wie bisher auch, als Ansprech- und Dialogpartner für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Generalkonsulats der Republik Türkei zur Verfügung. Die Landeshauptstadt München hat keine Kompetenzen, das Verhalten von Mitgliedern diplomatischer Missionen oder konsularischer Vertretungen anderer Staaten zu beurteilen.