Drogendelikte in der Stadt – Haben sich neue Strukturen gebildet?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl und Mario Schmidbauer (Fraktion Bayernpartei) vom 5.7.2017
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Ihre Anfrage vom 5.7.2017 wurde im Auftrag von Herrn Oberbürgermeister Reiter in Federführung dem Kreisverwaltungsreferat zur Beantwortung zugeleitet.
Ihrer Anfrage schicken Sie folgenden Sachverhalt voraus:
„Die Anzahl der Rauschgiftdelikte in München steigt seit Jahren dramatisch an. Der Sicherheitsreport der Münchner Polizei weist auf diesem Gebiet für 2016 einen Anstieg von 5,6% gegenüber dem Vorjahr auf, im Langzeitvergleich der letzten zehn Jahre ist ein enormer Anstieg um +3.209 Delikte oder +62,7% zu verzeichnen.‘
Der Polizeireport führt weiter aus: ‚Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger beträgt 43,1% (40,5%). (…) Die Anzahl der durch Zuwanderer im Stadtgebiet München begangenen Rauschgiftdelikte stieg auf 804 (Vorjahr 468) Straftaten an. Dies bedeutet eine Zunahme um +71,8%.‘ Am Szenebrennpunkt Hauptbahnhof wurden im Jahr 2016 467 deutsche und 534 nichtdeutsche Tatverdächtige aufgegriffen. Beim Handel mit Cannabis hatten Nichtdeutsche einen Anteil von 90,3% an den Tatverdächtigen, 60,4% der Dealer waren mittel- oder westafrikanische Staatsangehörige. Wir fragen daher den Oberbürgermeister:“
Frage 1:
Aus welchen Herkunftsländern genau entstammen die Tatverdächtigen?
Antwort des Polizeipräsidiums München:
Zu den im Jahr 2016 insgesamt 8.328 registrierten Rauschgiftdelikten im Zuständigkeitsbereich der Landeshauptstadt München konnten 7.361 Tatverdächtige ermittelt werden, die sich auf insgesamt 111 Staatsangehörigkeiten verteilen (einschließlich Deutschland). Die Bandbreite reicht hierbei von 1 Tatverdächtigen bis zu 288 Tatverdächtigen je Staatsangehörigkeit.
Antwort der Ausländerbehörde München:
Aufgrund gesetzlicher Vorgaben (§ 87 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz) erhält die Ausländerbehörde München eine Mitteilung der zuständigen Justizvollzugsanstalt bei erfolgter Inhaftnahme einer Ausländerin oder eines Ausländers. Aus dieser Haftmitteilung sind die zur Last gelegten Delikte erkennbar. Es findet jedoch weder eine deliktbezogene Datenerfassung noch eineAuswertung nach Herkunftsländern statt. Da die Erfassung von Delikten ausschließlich der Aufgabenerfüllung nach dem Aufenthaltsgesetz dienen darf, damit aufenthaltsbeendende Maßnahmen im Fokus stehen, erfolgt eine auf den Einzelfall bezogene ausländerrechtliche Würdigung.
Frage 2:
Welchen Aufenthaltsstatus haben die Tatverdächtigen?
Antwort des Polizeipräsidiums München:
651 der insgesamt 7.361 Tatverdächtigen von Rauschgiftdelikten in der Landeshauptstadt München waren im Jahr 2016 Zuwanderer, die sich auf 47 Staatsangehörigkeiten verteilen. Die Bandbreite reicht hierbei von 1 Tatverdächtigen bis 115 Tatverdächtigen.
Antwort der Ausländerbehörde München:
Die Ausländerbehörde kann hierzu keine Aussage treffen, da keine gesonderte deliktbezogene Datenerfassung erfolgt (siehe Antwort zu Frage 1).
Frage 3:
Lassen sich Strukturen organisierter Kriminalität erkennen?
Antwort des Polizeipräsidiums München:
Übergeordnete Strukturen konnten bislang nicht nachgewiesen werden, jedoch arbeiten die Täter häufig arbeitsteilig zusammen.
Antwort der Ausländerbehörde München:
Dieser Themenkomplex fällt allein in den Aufgabenbereich der Polizei. Darüber hinaus kann die Frage aufgrund der Erkenntnisse, die der Ausländerbehörde mitgeteilt werden, nicht beantwortet werden.
Frage 4:
Wenn ja, wie kann die Landeshauptstadt München in Zusammenarbeit mit der Polizei die Strukturen bekämpfen und dem Aufbau neuer Organisationsstrukturen präventiv entgegenwirken?
Antwort des Polizeipräsidiums München:
Das Polizeipräsidium München begegnet der Situation am Brennpunkt Hauptbahnhof im Rahmen eines Gesamtkonzeptes mit einem umfangreichen und intensiven Maßnahmenbündel, insbesondere einer möglichst hohen Präsenz und Kontrollintensität von uniformierten und zivil gekleideten Polizeibeamten. Hierbei ist eine große Zahl von Beamten verschiedenster Dienststellen im Einsatz:Die örtlich zuständige Polizeiinspektion, geschlossene Einheiten des Polizeipräsidiums München sowie der Bereitschaftspolizei und Beamte der Kriminalpolizei sind teilweise rund um die Uhr unterwegs.
Im Zeitraum vom 8.2.2016 (Beginn der diesbezüglichen Aufzeichnungen beim Polizeipräsidium München) bis 23.7.2017 fanden allein durch das Fachkommissariat zur Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität 52 Schwerpunkteinsätze im Bereich des Hauptbahnhofs München statt. Durch die Einführung des Kommunalen Außendienstes der Landeshauptstadt München ist eine weitere Erhöhung der Präsenz von sichtbaren Ordnungskräften zu erwarten, die sich positiv auf die subjektive Sicherheit der Bevölkerung auswirken dürfte.
Aktuell ist im Bereich des Hauptbahnhofs München (Gültigkeitsbereich der Alkoholverbotsverordnung) ein Rückgang von Rauschgiftdelikten festzustellen.
Das Kreisverwaltungsreferat unterstützt die polizeilichen Maßnahmen durch individuelle Aufenthaltsverbote. Das heißt, hier erlässt das Kreisverwaltungsreferat bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gegenüber Betroffenen sicherheitsrechtliche mit Zwangsgeld bewehrte Aufenthaltsverbote für die Dauer von 12 Monaten, deren Einhaltung durch die Polizei kontrolliert werden. Daneben werden führerschein- und bußgeldrechtliche Konsequenzen geprüft und eingeleitet. Im Bereich des Hauptbahnhofes gelten derzeit mit Stand August 2017 54 mit Zwangsgeld bewehrte Aufenthaltsverbote.
Durch den Erlass der Aufenthaltsverbote sollen sich bildende Strukturen zerbrochen bzw. deren Verfestigung verhindert werden. Durch diese Maßnahmen, verbunden mit der hohen Kontrolltätigkeit der Polizei und der Einführung des Kommunalen Außendienstes, rechnen wir mit einer weiteren Verbesserung der Situation vor Ort.
Antwort der Ausländerbehörde München:
Die Ausländerbehörde arbeitet mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Jugendgerichtshilfe sowie der Bewährungshilfe im Rahmen einer Arbeitsgruppe PROPER (Projekt personenorientierte Ermittlungen und Recherchen) zusammen, um minderjährige Mehrfach- oder Intensivtäter rechtzeitig zu erkennen. Ziel ist es, im Zusammenwirken mit anderen Behörden entsprechende Maßnahmen durchzuführen, die geeignet sind, eine delinquente Auffälligkeit zu reduzieren bzw. zu verhindern. Die Ausländerbehörde versucht, den Jugendlichen u.a. bei Vorsprachen (Verlängerung derAufenthaltserlaubnis bzw. der Fiktion) deutlich zu machen, welche ausländerrechtlichen Konsequenzen nach strafrechtlichen Verurteilungen auf sie zukommen können.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.