Bettplatzentgelte für Wohnungslose
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Rathaus Umschau 215 / 2017, veröffentlicht am 14.11.2017
Bettplatzentgelte für Wohnungslose
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl und Mario Schmidbauer (Fraktion Bayernpartei) vom 27.1.2017
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Zunächst bitte ich um Entschuldigung für die Verzögerung in der Übermittlung der Beantwortung Ihrer Stadtratsanfrage. Diese liegt im gegenwärtigen Personalmangel des zuständigen Fachbereichs und erforderlicher fachbereichsübergreifender Abstimmungen zum aktuellen Sachstand begründet.
In Ihrer Anfrage vom 27.1.2017 führen Sie Folgendes aus:
„In der Stadtrats-Vollversammlung am 14.12.2016 wurden in Eilbedürftigkeit die Verträge mit den gewerblichen Beherbergungsbetrieben für Wohnungslose um ein Jahr verlängert. Die Landeshauptstadt München geht hier in Vorleistung für das Jobcenter.
In der Vorbereitung neuer Verträge sind Fragen offen geblieben, auch die Zuständigkeiten zwischen Jobcenter und Sozialreferat (Amt für Wohnen und Migration) sind unklar bzw. zweigeteilt, was zu Komplikationen und mangelnder Transparenz führt.
Auch wenn die Unterbringung von Wohnungslosen eine kommunale Pflichtaufgabe ist, kann es nicht sein, dass das gesamte Refinanzierungsrisiko bei der LHM liegt. Prioritär muss deshalb das Ziel die Rückgabe der Aufgabe an das Jobcenter sein. (...)“
Zu Ihrer Anfrage vom 27.1.2017 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wer wird künftig Vertragspartner der Beherbergungsbetriebe?
Antwort:
Im Rahmen der Erfüllung ihrer Pflichtaufgabe wohnungslose Menschen unterzubringen, ist die Landeshauptstadt München Vertragspartnerin der gewerblichen Beherbergungsbetriebe. Dies kann und wird sich auch nicht ändern, da es sich um eine Pflichtaufgabe der Landeshauptstadt München im eigenen Wirkungskreis handelt. In den Verträgen (Belegungsvereinbarungen) wird jedoch nur der Rahmen für die Unterbringung von Wohnungslosen festgelegt (z.B. Mindeststandards, Bettplatzpreise, Laufzeit der Verträge, alleiniges Belegungsrecht durch die Landeshauptstadt München).Für die Unterbringung der jeweiligen Personen wird jeweils ein eigener Beherbergungsvertrag zwischen Bewohnerin und Bewohner und dem gewerblichen Beherbergungsbetrieb geschlossen.
Frage 2:
Um welche Beherbergungsbetriebe handelt es sich? Bitte namentliche Auflistung.
Antwort:
Die Beantwortung dieser Frage würde Rechte Dritter berühren. Im Rahmen einer öffentlichen Stadtratsanfrage kann diese Frage deshalb leider nicht beantwortet werden.
Frage 3:
Wie war die Auslastung in den Jahren 2015 und 2016 im Einzelnen? Las- sen sich diese Angaben verifizieren? Wenn ja, wie?
Antwort:
Im Jahr 2015 betrug die Auslastung der Bettplätze in gewerblichen Beherbergungsbetrieben 97% (Stichtag 31.12.2015). Im Jahr 2016 betrug die Auslastung der Bettplätze in gewerblichen Beherbergungsbetrieben 99 % (Stichtag 31.12.2016).
Unbelegte Bettplätze gibt es zumeist, wenn die Zimmer renoviert werden müssen oder familenbedingt z.B. wenn eine dreiköpfige Familie in zwei Doppelzimmern untergebracht werden muss, da kein Dreibettzimmer zur Verfügung steht. Auf diesen freien Bettplatz kann natürlich keine Einzelperson gelegt werden. Hier wird sehr auf die Trennung von Unterkünften für Einzelpersonen und Paaren und Familienunterkünften geachtet.
Auch weiterhin ist es so, dass der Zufluss wohnungsloser Personen ins System um ca. 50 pro Monat höher ist als der Abfluss.
Frage 4:
Wie hoch ist der jeweilige Bettplatzpreis bei den einzelnen Betreibern?
Antwort:
Im Rahmen einer öffentlichen Stadtratsanfrage können keine konkreten Beträge für die jeweiligen Beherbergungsbetriebe genannt werden, da Rechte Dritter dem entgegenstehen. Der Bettplatzpreis betrug im Jahr 2016 durchschnittlich 500 Euro pro Monat.
Frage 5:
Bis wann ist mit belastbaren Zahlen bezüglich der Zahlungsausfälle zu Ungunsten der LHM zu rechnen? Wie kann hier Druck auf das Jobcenter ausgeübt werden, damit endlich zeitnah die Auslagenerstattungen erfolgen?
Antwort:
Für das 1. Quartal 2017 ermittelte das Erstattungscontrolling einen Zahlungsrückfluss durch die Sozialleistungsträger (Jobcenter, SGB XII und AsylbLG) von 6.836.196,46 Euro gegenüber den Auszahlungen der pauschalen Bettplatzfinanzierung von 8.843.000 Euro.
Dies bedeutet eine Quote von 77%. Der noch ausstehende Betrag erklärt sich durch nicht periodengerechte Zahlung und durch noch nicht erfolgte Jahresabrechnungen mit einzelnen Betreiberinnen und Betreibern sowie durch ausstehende Zahlungen von selbstzahlenden und teilselbstzahlenden Haushalten.
Frage 6:
Wegen der Anerkennung von Flüchtlingen müssen die Kapazitäten (derzeit mehr als 5.000 Plätze) erheblich ausgebaut werden. Bitte konkrete Zahlen nennen.
Antwort:
Es kann hier Bezug zur Aufstellung des Bedarfs an Bettplätzen in der Beschlussvorlage Nr. 14-20/V 10140 des Sozialausschusses vom 24.10.2017 (Auszahlung der Bettplatzentgelte an Beherbergungsbetriebe KDU ab 2018) genommen werden:
Der reine Personenzuwachs wird für 2017 mit 700 prognostiziert. Für 2018 wird mit einem weiteren Bedarf von 650 Bettplätzen gerechnet werden. Für Fehlbeleger aus den staatlichen Gemeinschaftsunterkünften und Statuswechsler aus den dezentralen Unterbringungen sind weitere 500 Bettplätze nötig.
Die Beherbergungsbetriebe sind mit einer durchschnittlichen Belegungsquote von 97% überbelegt.
Eine qualifizierte Belegung der Bettplätze ist daher derzeit nicht möglich, was zu vermeidbaren Konflikten vor Ort führt.
Um die Belegung zu entzerren ist die Zuschaltung von weiteren ca. 250 Bettplätzen nötig.
Da zudem über 1.000 Bettplätze nur über kurz laufende Verträge gesichert sind, ist hier eine Risikovorsorge von weiteren 100 Bettplätzen angezeigt.Insgesamt geht das Sozialreferat von einem Bedarf von 2.200 Bettplätzen bis 2018 aus.
Zusammenfassung
Bettplatz-Bedarf 2017 Personenzuwachs 700 Plätze
Handlungsfähigkeit 250 Plätze
Risikovorplanung 100 Plätze
Bettplatz-Bedarf 2018 Personenzuwachs 650 Plätze
Plätze für Statuswechsler 500 Plätze
aus der dezentralen Unterbringung
Gesamt 2.200 Plätze
Nach Abzug der laufenden und bereits kalkulierten Planungen bis 2018 ergibt sich ein Restbedarf von 1.200 Plätzen bei den gewerblichen Beherbergungsbetrieben. Zu den laufenden und bereits kalkulierten Planungen gehören auch die Flexiheime und Heime mit Notquartierstandard der freien Träger, die über das Trägerschaftsauswahlverfahren vergeben werden. Es werden keine kommerziellen Anbieterinnen und Anbieter die Betriebsführung der Flexiheime und Heime mit Notquartierstandard übernehmen. Die Abhängigkeit vom Markt der gewerblichen Beherbergungsbetriebe soll mit den Flexiheimen und Heimen mit Notquartierstandard reduziert werden. Die Betriebsführung der Flexiheime und Heime mit Notquartierstandard wird entweder zusammen mit der Betreuung durch freie Träger aus einer Hand ausgeübt oder in der Kombination „Betriebsführung durch die Stadt – Betreuung durch freie Träger“. Die Berechnung der Höhe der Bettplatzpreise erfolgt auf Grundlage einer vollen Kostendeckung, mit Ausnahme der Kosten der Betreuung.
Die Plätze zur Deckung des Restbedarfs bei den gewerblichen Beherbergungsbetrieben sollen im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung vergeben werden.
Frage 7:
Warum werden von der LHM keine Pauschalanmietungen getätigt, wie es z.B. die Regierung von Oberbayern praktiziert?
Antwort:
Eine Pauschalanmietung ist unwirtschaftlicher, da bei ihr auch unbelegte Bettplätze finanziert werden müssten. Die Abrechnung mit den betroffenen Haushalten müsste über eine Gebührensatzung vollzogen werden. Der Verwaltungsaufwand wäre dabei größer. Das Problem der Beitreibung der KDU der Selbstzahlerinnen und Selbstzahler würde bestehen bleiben.
Frage 8:
Wie erklärt sich der genannte zusätzliche Bedarf von 1.700 Plätzen? Wie viele Flüchtlinge sind im Jahr 2016 anerkannt worden, die in den Beherbergungsbetrieben aufgenommen werden müssen?
Antwort:
In der Bedarfsplanung wurde mittlerweile eine Gesamtsumme von 2.200 Bettplätzen errechnet (zur Einzelaufstellung siehe Antwort zu Frage 6).
Frage 9:
Wie viele VZÄ wurden im Sozialreferat geschaffen eigens zur Bearbeitung der Kosten der Unterkunft (KDU)?
Antwort:
Durch den Stadtratsbeschluss, der zum 1.1.2014 das Vorauszahlungssystem für die gewerblichen Beherbergungsbetriebe einführte, wurden für die pauschale Bettplatzfinanzierung im Amt für Wohnen und Migration 6 VZÄ geschaffen (davon 2,5 VZÄ mit einer Befristung bis 2019).
Frage 10:
Werden in den Abrechnungen, die die LHM erstellt, auch die durch die Organisation der Beherbergung in der städtischen Verwaltung anfallenden Personalkosten dem Jobcenter in Rechnung gestellt?
Antwort:
Das Jobcenter erstattet der Landeshauptstadt München monatlich bestimmte Verwaltungskosten. Hierzu gehören auch ein Anteil an den Kosten der Geschäftsstelle des Amtes für Wohnen und Migration und eine Fallpauschale für die Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit (FaSt). Eine Verrechnung für die Organisation der Beherbergung in der städtischen Verwaltung erfolgt nicht. Die Belastung des Jobcenters mit diesen Kosten wäre auch nicht sachgerecht, da die Verpflichtung zur Unterbringung wohnungsloser Menschen bei der Kommune gemäß Art. 6 und Art. 7 LStVG und Art. 57 Abs. 1 GO liegt und nicht beim Jobcenter. Somit fallen auch die mit der Bereitstellung von Bettplätzen verbundenen Verwaltungsaufgaben, d.h. der Vollzug der Verträge mit den Beherbergungsbetrieben, in den Zuständigkeitsbereich der Kommune. Das Jobcenter ist im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II nur zur Prüfung der Ansprüche der wohnungslosen Haushalte und der Zahlung der daraus entstehenden Leistungen verpflichtet.
Somit ergibt sich hier keine Rechtsgrundlage zur Verrechnung etwaiger Verwaltungskosten.