Am Montag, 20. November, wird Hisham Matar der Geschwister-Scholl-Preis 2017 für sein Buch „Die Rückkehr. Auf der Suche nach meinem verlorenen Vater“ im Rahmen des Literaturfests München verliehen. Mit dem gemeinsam vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. und der Landeshauptstadt München vergebenen und mit 10.000 Euro dotierten Preis wird jährlich ein Buch ausgezeichnet, das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit sowie moralischen und intellektuellen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben. Der Preis wird durch Oberbürgermeister Dieter Reiter überreicht.
Eine öffentliche Lesung mit dem Preisträger findet am Dienstag, 21. November, 20 Uhr, in der Buchhandlung Lehmkuhl, Leopoldstraße 45, statt. Karten für 7 Euro sind in der Buchhandlung oder bei München Ticket erhältlich.
Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt:
„Hisham Matar war zwanzig Jahre alt, als sein Vater verschwand. Jaballa Matar, ein libyscher Geschäftsmann und ehemaliger Diplomat, lebte mit seiner Familie seit 1979 im Exil in Kairo. Vom Tschad aus operierte eine von ihm gelenkte Partisanentruppe gegen den Diktator Gaddafi. 1990, als Hisham Matar in London Architektur studierte, wurde sein Vater entführt. Erst sechs Jahre später erfuhr die Familie, dass er noch lebte und im be- rüchtigten Abu-Salim-Gefängnis in Tripolis eingesperrt war. Zwei Briefe hatten den Weg ins Freie gefunden. In seinem Buch ,Die Rückkehr‘ berichtet Hisham Matar davon, wie er 2012 nach der libyschen Revolution in sein Heimatland kam, um seinen Vater zu suchen. Als die Eingekerkerten von Abu Salim das Tageslicht wiedersahen, war Jaballa Matar nicht unter ihnen gewesen. Im Verlauf des Buchs verdichtet sich die Vermutung fast zur Gewissheit, dass er schon 1996 einem Massaker im Gefängnishof zum Opfer fiel: einer unter geschätzten 1.200 Toten. Aber er soll später noch lebend gesehen worden sein. Hisham Matar heftet sich an diese Spur. Denn sein Vater überlebt in den Erzählungen der Mitgefangenen. Seine Leidensgefährten berichten davon, wie seine Kraft auf sie überging. Hisham Matars verschwundener Vater war in Wirklichkeit, was jeder Vater in den Augen seines Sohnes ist: ein Held. Von dem, was mit der Chiffre vom berüchtigten Gefängnis gemeint ist, bekommt der Leser eine erschütternd konkrete Vorstellung: von den Zerstörungen, die ein Gewalthaber anrichtet, der jedes Mittel einsetzt, um den Willen derer zu brechen, die er zu seinen Feinden erklärt. Dabei betritt Hisham Matar Abu Salim nicht – als wäre der Ort verflucht, als könnte er dort dem Gespenst des Vaters begegnen. Wie es dort aussah und zuging, setzt sich der Autor aus den Zeugnissen der Überlebenden zusammen, seiner Verwandten. Denn Gaddafi rächte sich durch Sippenhaft. Diesen Männern wurden Jahrzehnte ihres Lebens geraubt. Ohne Grund. Wie überbrückt man einen solchen Abgrund? Die Genauigkeit, mit der Hisham Matar über Gespräche berichtet, in denen so viel ungesagt blei- ben musste, schlägt den Leser in den Bann. Der Aufbau des Buchs ist kunstvoll, verrät den Architekten: Alles, was wir über die lange Unfreiheitsgeschichte Libyens erfahren, die nach der Revolution weiterging, ist vermittelt durch den Rückkehrer, der nicht bleiben kann. ‚Die Rückkehr‘ ist ein Buch über die überwältigende Widerstandskraft des menschlichen Geistes und über die Tugenden der Erinnerung, die dieser Erfahrung gerecht werden will: Beharrlichkeit, Sorgfalt und Vorsicht.“ Weitere Informationen unter www.geschwister-scholl-preis.de, zum Literaturfest unter www.literaturfest-muenchen.de.
(Siehe auch unter Terminhinweise)