Die Haushaltsrede von Oberbürgermeister Dieter Reiter in der heutigen Vollversammlung des Stadtrats zur Einbringung des städtischen Haushalts 2018 hat folgenden Wortlaut:
„Die Einbringung des öffentlichen Haushalts war und ist ja auf allen politischen Ebenen selten wirklich vergnügungssteuerpflichtig.
Die regierenden Mehrheiten, die die Verabschiedung vorschlagen, sehen sich quasi einer ritualisierten Kritik aus der Opposition gegenüber, die – aus nachvollziehbaren Gründen – den Haushalt im Regelfall, egal wie er aufgebaut ist, als unzureichend ablehnt.
Dabei handelt es sich bei der Haushaltsplanung doch eigentlich um eine Art Königsdisziplin verantwortlichen politischen Handelns, an dem sich jede regierende Konstellation messen lassen muss.
Und so denke ich, werden wir auch heute unterschiedliche Bewertungen des vorgelegten Zahlenwerkes erleben. Und dabei wird es Sie nicht verwundern, dass ich den vorliegenden Haushalt durchaus positiv sehe. Tatsache ist, dass sich auch dieses Jahr der Haushaltsentwurf wieder hervorragend liest:
-wieder Rekordeinzahlungen, nicht nur Dank der Steuereinnahmen
-wieder einmal ein solider, im Vergleich zum Haushaltsjahr 2017 sogar deutlich verbesserter Überschuss aus der laufenden Verwaltungstätigkeit
-eine Investitionsquote, die bundesweit einmalig ist und ebenso den Wert des letzten Jahres deutlich übersteigt
-immer noch die seit Jahrzehnten niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung
-und zu guter Letzt auch heuer wieder einmal keine Nettoneuverschuldung (trotz entsprechender Annahmen noch Ende letzten Jahres) ! Das ist doch schon alles relativ positiv, finde ich.
Für mich persönlich ist und bleibt der höchste Maßstab bei der Bewertung der Notwendigkeit von Ausgaben allerdings:
Was ist der Wert, was ist der Mehrwert, was ist der Nutzen für die Münchnerinnen und Münchner?
Das bedeutet für mich, keine Klientelpolitik im Wortsinne zu machen, sondern im Gegenteil kein wichtiges Klientel aus dem Blick zu verlieren! Oder nochmal anders formuliert:
Haushaltspolitik – Ausgabenpolitik ist für mich davon geleitet, dass sie dem Wohle aller Münchnerinnen und Münchner dienen muss. Ich spreche hier von Verantwortung und von Ausgaben- oder Haushaltsgerechtigkeit.
Sie alle kennen die Herausforderungen unserer wachsenden, ja unserer rasant wachsenden Stadt ebenso gut wie ich.
Die Menschen wollen nicht ohne Grund hierher und es ist toll zu sehen, wie viele sich für München entscheiden. Unsere Stadt ist mit Abstand die beliebteste Stadt in Deutschland.
Viele Unternehmen siedeln sich nach wie vor hier an oder vergrößern sich. Dieses wohlstandsfördernde Wachstum erfordert jedoch erhebliche Anstrengungen, um die diesbezügliche andere Seite der Medaille abzufedern.
Wir tun daher alles, um die Dinge anzustoßen, die erforderlich sind. Der vorliegende Haushaltsentwurf ist daher zugleich auch der Spiegel dieser Wachstumsentwicklung.
Ein derart starkes Bevölkerungswachstum erfordert natürlich eine zukunftsorientierte Wohnungsbau- und Verkehrspolitik.
Aber nur wenn ergänzend zu dieser notwendigen Infrastrukturpolitik eine gute, präventiv wirkende Sozial- und Bildungspolitik hilft, einer weiter steigenden sozialen Ungleichheit in unserer Stadt entgegenzuwirken, kann Haushaltspolitik auch für die Stadtgesellschaft insgesamt positiv wirken. Denn je größer der Abstand zwischen Arm und Reich ist, umso schwieriger wird es sein, den sozialen Frieden in unserem liebenswerten München weiter zu sichern.
Es zeigt sich, dass Populismus zunehmend um sich greift und den starken Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährdet. Mit Zuwachs unserer Bevölkerung gehen offensichtlich bei vielen Menschen Ängste einher. Diese Ängste sind real und wir müssen den Menschen erklären, was wir genau tun, damit ihre Befürchtungen eben nicht wahr werden. Was wir tun, damit in München niemand abgehängt wird von den positiven Entwicklungen und niemand Angst um seine Zukunft haben muss.
Ich nehme diese subjektive Verunsicherung sehr ernst, meine Damen und Herren.
Und wir alle hier im Stadtrat – bei allen unterschiedlichen Nuancen politischer Schwerpunkte – müssen gemeinsam daran arbeiten, dass die Münchnerinnen und Münchner mit Zuversicht nach vorne sehen können. Damit in München auch in Zukunft nicht die Populisten das Sagen haben, sondern ausschließlich demokratische Parteien über den Haushalt entscheiden.
Meine Prioritäten sind insoweit klar und zeigen sich im vorliegenden Entwurf des Haushaltsplans 2018.
Denn dieser muss schließlich die Antworten auf die uns – vor allem aufgrund des Wachstums – begegnenden Herausforderungen geben.
Erlauben Sie mir also, wenn ich bei den geplanten Auszahlungen – sowohl konsumtiv als auch investiv – in diesem Jahr mein besonderes Augenmerk zu Beginn auf unsere außerordentliche soziale Infrastruktur und auf den Bereich der städtisch finanzierten Bildung lenken möchte.
1.
Lassen Sie uns weiterhin – möglichst gemeinsam – entschieden eintreten für einen sozialen Ausgleich in einer solidarischen Stadtgemeinschaft. Es gehört zu unseren vornehmsten Aufgaben, Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen, Familien zu stärken, das Zusammenleben von Alt und Jung zu fördern und Wohnraum für sozial Benachteiligte zu schaffen.
Der geplante Sozial-Etat umfasst deshalb auch 2018 fast wieder ein Viertel der Gesamtauszahlungen in der laufenden Verwaltungstätigkeit. Damit werden wir auch 2018 unsere erfolgreiche Sozialpolitik fortsetzen, eine Politik des Ausgleichs und der Hilfe für Schwächere, meine Damen und Herren.
Und auch eine Vielzahl von Investitionsmaßnahmen in diesem Bereich trägt im kommenden Haushaltsjahr diesem – meinem – Anspruch Rechnung. Lassen Sie mich hier etwa die Infrastruktur und das Gesamtkonzept für ältere Menschen – mit dem flächendeckenden Ausbau der Alten- und Servicezentren zu sogenannten ASZplus nennen.
Oder die Einrichtung eines Fachdienstes für ältere Menschen in den Sozialbürgerhäusern sowie die konzeptionelle Weiterentwicklung von Wohnformen im Alter anführen.
Unser Sozialetat gibt die richtigen Antworten auf die derzeitigen Herausforderungen, indem er einer sozialen Ungleichheit entgegenwirkt und erhebliche finanzielle Mittel für eine adäquate Teilhabe aller Münchnerinnen und Münchner bereitstellt.
Ich werde auch in Zukunft dafür werben, dass die sozialen Leistungen und Einrichtungen, die den Standard unserer Stadt so maßgeblich prägen und die unsere Stadt so besonders machen, im erforderlichen Maße für die Münchner Bevölkerung erhalten bleiben.
Wir werden auch künftig ein verlässlicher Auftraggeber für unsere vielen Träger und Partner in diesen Bereichen bleiben.
2.
Gleiches gilt für mich, was die Investitionen sowie die laufenden Auszahlungen im Bereich Bildung und Kinderbetreuung betrifft. Alle Kinder und Jugendlichen Münchens sollen optimale Bildungsmöglichkeiten haben, denn diese wiederum sind Voraussetzung für Chancengerechtigkeit.
Wir leisten uns – und zwar zu Recht – nicht nur ein kommunales Schulwesen, das bundesweit / landesweit seinesgleichen sucht.
Nein, wir haben auch dieses Jahr unser Ziel weiterverfolgt, die Schulinfrastruktur weiter zu verbessern und das 2. Bauprogramm der städtischen Schulbauoffensive beschlossen.
Dieses ehrgeizige Programm wird nach gegenwärtigem Stand der Planungen sogar noch größer sein als das 1. Bauprogramm.
Zusammen handelt es sich um das größte kommunale Schulbauprogramm Deutschlands.
Für Schulbauten sind daher auch für 2018 rund 440 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen – das macht immerhin 41 Prozent des gesamten Investitionsvolumens aus.
Wir haben den Ausbau der Kita-Infrastruktur vorangetrieben. Wir haben 2017 zusätzlich rund 2.600 Plätze für Kinder im Alter von null bis sechs Jahren geschaffen, damit in den letzten zwei Jahren insgesamt rund 6.000 neue Plätze,und die Fortschreibung des Kita-Bauprogramms beschlossen.
Daher sind nicht nur im Haushalt 2018 für den Kita-Bau wiederum 73 Millionen Euro vorgesehen. Wir werden auch in Zukunft weiter Millionenbeträge in den Ausbau und die Sanierung der Kitas und Schulen investieren. Insgesamt wollen wir also im Bereich Schule und Kinderbetreuung 2018 über eine halbe Milliarde investieren, zusammen mit dem konsumtiven Etat des RBS über 2 Milliarden Euro.
Jeden Cent davon investieren wir in ein leistungsfähiges und modernes Bildungsangebot und fördern damit die Chancengleichheit und die Zu- kunftschancen unserer Kinder und Jugendlichen.
Ausgeschlossen ist daher für mich, bei den Investitionen in die Bildung und in die Kinderbetreuung zu kürzen.
3.
Zu Recht bilden die Investitionen in den Wohnungsbau nach denen im Bildungsbereich den zweitgrößten Anteil des vorgelegten Entwurfs unseres Haushalt-Plans (29 Prozent des Investitionsvolumens).
An der Stelle können wir stolz sein auf das finanziell größte kommunale wohnungspolitische Handlungsprogramm in Deutschland, das wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben.
Wir haben die Zielzahlen weiterhin erhöht und setzen mit unseren Programmen zur Wohnraumschaffung Maßstäbe. Und die neuesten Zahlen aus dem Planungsreferat sind besonders erfreulich – danach wurden dieses Jahr bereits 9.500 Wohneinheiten genehmigt, ein neuer erfreulicher Höchststand – und das vierte Quartal ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt.
Wir verfolgen also weiterhin mit aller Kraft unser Ziel, in unserer Stadt preiswerten und bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, städtischen Wohnungsbestand auszuweiten und den Neubau (von geförderten Mietwohnungen) anzukurbeln.
Diese Beschlüsse hat der ehrenamtliche Stadtrat jeweils mit großer Mehrheit gefasst. Verantwortung heißt aber auch, gemeinsam beschlossene Anstrengungen im Bereich Wohnungsbau gemeinsam zu tragen.
Hier kann ich nur nochmals dringend alle Beteiligten auffordern, diese notwendige Verantwortung nicht nur in diesen heiligen Hallen walten zu lassen, sondern auch nach außen und vor Ort zu vertreten.
Das gebietet seriöse Kommunalpolitik im Dienste der Bürgerinnen und Bürger.
4.
Wenn es darum geht, die Lebensqualität aller Münchnerinnen und Münchner zu sichern und eine der größten Herausforderungen des Wachstums zu bewältigen, geht es natürlich und insbesondere auch um den Ausbau unseres ÖPNV.
Der ÖPNV ist – nicht zuletzt angesichts der aktuellen Debatte um die Luftreinhaltung – nicht nur das Fortbewegungsmittel für alle, es ist auch die Mobilitätsform der Zukunft.
Wir müssen daher dafür sorgen, dass der ÖPNV schnell, zuverlässig und leistungsfähig ist und bleibt. Dieses Ziel gilt es zu erreichen, da müssen wir hin und dementsprechend müssen wir handeln und investieren. So haben wir die Weichen dafür gestellt, dass dringend und zwingend erforderliche Nahverkehrsprojekte auf den Weg gebracht sind.
Ich spreche hier zum Beispiel vom wichtigen Spatenstich für den Bau der 2. Stammstrecke, die Entscheidung für die Tram-Westtangente, von der Tram durch den Englischen Garten oder der U5-Verlängerung nach Pasing. Auch wenn für 2018 für diese Projekte fast kein Mittelabfluss erfolgt, ist dies perspektivisch erwähnenswert, denn damit werden wir zielgerichtet in die Mobilitätsform für alle und in die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt investieren.
Klar ist daher auch:
Aufgrund der langen Realisierungszeiträume bei ÖPNV-Projekten belasten die richtig großen Investitionssummen in diesem Bereich weniger den Haushalt 2018 als vielmehr die Haushaltsjahre 2020 ff.
An der Stelle muss ich daher nochmals klar den Appell in Richtung Bundesgesetzgeber adressieren, das GVFG dergestalt anzupassen, dass es zeitgemäß ist und auch den Bedürfnissen der Kommunen ausreichend Rechnung trägt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
lassen Sie mich noch hervorheben, dass wir im Begriff sind, bei einigen unserer größten und ambitioniertesten Kulturbauprojekten für die Zukunftsfestigkeit unserer städtischen Stätten auf die Zielgerade einzubiegen. Für den Neubau des Volkstheaters am Viehhof steht die Entwurfsvorstellung unmittelbar bevor.
Und zur Realisierung des Jahrhundertprojekts, der Investition eines dreistelligen Millionenbetrages in den Münchner Kulturtempel europäischer Spitzenklasse – den Gasteig – werden wir den Nutzern, allen voran den Weltklasse-Philharmonikern, eine spannende Übergangslösung für die Zeit des Umbaus zur Verfügung stellen.
Dies alles trägt dazu bei, dass die überragenden Bildungs- und Kultureinrichtungen der Landeshauptstadt mit Stadtbibliothek, Volkshochschule auch in dieser Interimsphase ihre wichtigen Leistungen für alle Münchnerinnen und Münchner bereitstellen können.
Nun noch ein paar Sätze zur Einnahmenseite:
Die Prognose der Einnahmen ist auch für 2018 erneut sehr positiv. Und das ist beileibe kein Gottesgeschenk, sondern das Ergebnis verantwortungsvoller wirtschafts- und gesellschaftsfreundlicher Kommunal- und Finanzpolitik in Fortsetzung einer jahrelangen Tradition.
Ein Unterschied zu Vergnügungen vergangener Tage besteht gleichwohl. Wir haben zwar das Vergnügen, wieder einmal Rekordeinnahmen – vor allem aus Steuern – verbuchen zu dürfen.
Jedoch haben wir – wie Sie wissen – zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger natürlich investiv wie konsumtiv auch wieder so einiges beschlossen und anderes ernsthaft in den Blick genommen. Das kostet alles viel Geld. Und das muss auch sicher und solide finanziert sein, weil gerade investive Maßnahmen – einmal begonnen – nicht mehr sinnvoll gekürzt werden können.
Meine Damen und Herren,
es gilt deshalb stärker denn je, die genannte Ausgabengerechtigkeit nicht lediglich auf die jetzigen Bürgerinnen und Bürger zu fokussieren, sondern auch generationengerecht zu handeln.
In dem Sinne, dass wir nachfolgenden politisch Verantwortlichen – ich weiß für manche ein schwer zu ertragender Gedanke – ein finanziell geordnetes Feld hinterlassen. Damit auch für unsere Kinder und Enkel diejenigen, die dann das Ruder in der Hand haben, ein lebenswertes München gestalten können.
Diese Anstrengungen müssen wir weiter verstärken. Erste Weichen haben wir heuer gestellt.
Indem wir:
1.einen verantwortungsvollen Teil der laufenden Stellenausweitungen für das aktuelle Jahr 2017 auf den Prüfstand gestellt haben und die Fachreferate zu einer moderaten Reduzierung verpflichten werden,
2.indem wir ein Stellenmoratorium für das Jahr 2018 vereinbart haben, das allerdings zum Wohle der Münchner Familien und Münchner Kinder Ausnahmen für den Bereich der Kinderbetreuung und Schulen vorsieht,
3.indem wir ein Verfahren zur Ausgabenbegrenzung für Stellenausweitungen ab dem Jahr 2019 vereinbart haben,
4.indem wir begonnen haben, unsere erforderlichen Verkehrsinfrastrukturprojekte zu priorisieren und der zeitlichen und fachlichen Notwendigkeit zuzuordnen.
Verantwortung und Zukunftsfähigkeit bedeuten, dass wir nicht im blinden Vertrauen auf ein vermeintliches immerwährendes Einnahmenwachstum mit vollen Händen dauerhafte Ausgabenverpflichtungen eingehen oder finanzielles Harakiri bei zu stemmenden Großinvestitionen begehen. Vielmehr muss sich die Ausgabenseite in vernünftiger Balance zur Einnahmenseite bewegen. Das heißt, die Ausgaben müssen sich immer an den Entwicklungen bei den Einnahmen messen lassen.
Und klar: Die Ausgaben dürfen nicht mehr steigen als die Einnahmen, sondern müssen weniger stark steigen.
Im klaren Bewusstsein, dass uns die gigantische Summe an Investitionen und konsumtiven Lasten in den kommenden Jahren zu noch mehr Disziplin leiten muss, haben wir heute einen guten ersten Aufschlag geliefert. Ich werde aber auch in den kommenden Jahren weiterhin darauf drängen, dass wir diesen Gesichtspunkt der Ausgabendisziplin bei aller Begeisterung für die Erotik des Geldausgebens nicht aus dem Blick verlieren.
Abschließend danke ich allen Referentinnen und Referenten sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die sehr gute Arbeit im vergangenen Jahr. Danke für Ihre Unterstützung.“