Unbezahlbarer Wohnraum auch bei geförderten Wohnungen?
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Rathaus Umschau 223 / 2017, veröffentlicht am 24.11.2017
Unbezahlbarer Wohnraum auch bei geförderten Wohnungen?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 31.8.2017
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 31.8.2017 führen Sie Folgendes aus:
„Im Mai 2017 ging es durch die Zeitungen: An der Adams-Lehmann-Straße am Ackermannbogen werden die Mieten für ehemals einkommensorientiert geförderte Wohnungen (EOF-Wohnungen) von der GBW AG alle drei Jahre erhöht – und zwar bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese ‚ortsübliche Vergleichsmiete‘ ist in München aber mittlerweile in vielen Stadtteilen so hoch, dass nach mehrmaligen Mieterhöhungen die ursprünglichen Mietparteien diese Mieten gar nicht mehr bezahlen können. In einem solchen Fall führt die reale Mietentwicklung dazu, dass der geförderte Wohnraum nach wenigen Jahren gar nicht mehr für den öffentlichen Zweck – bezahlbarer Wohnraum in München – zur Verfügung steht.”
Aufgrund von Urlaubszeiten und der Notwendigkeit mit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung Rücksprache zu halten, konnte die Anfrage nicht innerhalb der geschäftsordnungsgemäßen Frist erledigt werden (s. Fristverlängerung vom 20.9.2017).
Zu Ihrer Anfrage vom 31.8.2017 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wie viele Fälle sind der Stadtverwaltung bekannt, bei denen die Miete von EOF-Wohnungen regelmäßig erhöht wird? Wie viele Wohneinheiten sind davon aktuell betroffen?
Antwort:
Der Landeshauptstadt München liegen hierzu keine Daten vor. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass seit Bestehen des Programms im Jahr 2001 rund 11.700 EOF-Wohnungen geschaffen wurden. Aus Erfahrung ist davon auszugehen, dass alle Eigentümerinnen und Eigentümer früher oder später im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Mieterhöhungen vorgenommen haben.
Frage 2:
Gibt es ähnliche Fälle bei den städtisch geförderten München-Modell-Wohnungen? Falls ja, wie viele Wohneinheiten betrifft dies?
Antwort:
Der Landeshauptstadt München liegen auch hierzu keine Daten vor. Im Rahmen des kommunalen Förderprogramms München-Modell Miete wurden seit 2001 rund 3.000 Wohnungen geschaffen. Auch hier ist davon auszugehen, dass der Großteil der Eigentümerinnen und Eigentümer im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Mieterhöhungen vorgenommen hat.
Frage 3:
Akzeptiert das Jobcenter diese immer weiter steigenden Mieten, auch wenn sie die „angemessene Miethöhe” übersteigen? Oder werden die Mieterinnen und Mieter dann aufgefordert, ihre Mietbelastung zu senken?
Antwort:
Das Jobcenter fordert erst zu einer Mietsenkung auf, wenn die tatsächlichen Mietkosten die angemessene Miethöhe um mehr als 10% übersteigen. Liegen die Kosten darüber, wird geprüft, ob diese trotzdem im Einzelfall noch als angemessen anzusehen sind. Dabei werden persönliche Umstände wie Einbindung in das soziale Umfeld bei Familien mit Kindern, schwere Erkrankungen und Behinderungen, Pflege von Angehörigen usw. berücksichtigt.
Ist eine Mietsenkung zumutbar, so hat die Mieterin oder der Mieter monatlich seine Bemühungen, eine andere Wohnung zu finden, nachzuweisen.
Frage 4:
Welche Maßnahmen hat die Stadtverwaltung ergriffen, um diese zweckwidrigen Entwicklungen zu unterbinden?
Antwort:
Bei der Einkommensorientierten Förderung handelt es sich um ein staatliches Förderprogramm mit dem Ziel, Haushalten mit niedrigem und mittlerem Einkommen Wohnraum zu angemessenen Mietpreisen zur Verfügung zu stellen. Die Landeshauptstadt München übernimmt dabei lediglich die Funktion der staatlichen Bewilligungsstelle und ist an die Richtlinien und Regelungen des Freistaates Bayern (Wohnraumförderungsbestimmungen) zwingend gebunden.Die Eingangsmiete wird im Förderbescheid festgelegt und liegt bei neueren Wohnungen bei 9,10 Euro/m² bis 9,40 Euro/m². Sie darf in den ersten 5 Jahren der Bindung nicht erhöht werden (gerechnet ab Erstbezug). Unter Beachtung der nach dem BGB zulässigen Fristen kann also ab Beginn des 6. Bindungsjahres eine Mieterhöhung erklärt werden.
Der Freistaat Bayern ist bei seinem Fördermodell davon ausgegangen, dass sich die Einkommen der berechtigten Haushalte angemessen erhöhen und sie somit diese zulässigen Mieterhöhungen tragen können. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Hinzu kommt, dass diese Regelungen zur Mieterhöhung für die Mieterinnen und Mieter in der Landeshauptstadt München aufgrund der hohen ortsüblichen Vergleichsmieten besonders unvorteilhaft ist.
Auf Initiative der Landeshauptstadt München wurde daher 2015 die Regelung zur Mietanpassung (Nr. 14.2 WFB 2012) dahingehend ergänzt, dass in den Fällen, in denen sich eine Kommune an der Finanzierung mit eigenen Fördermitteln, insbesondere durch vergünstigte Grundstücke beteiligt, abweichende Regelungen für Mieterhöhungen getroffen werden können. Die Landeshauptstadt München macht seither in allen Fällen von dieser Regelung Gebrauch: Mietanpassungen erfolgen im Index-Verfahren, was für die Haushalte günstiger ist. Dabei muss die Miethöhe bei jeder Anpassung mindestens 1,50 Euro/m² unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete bleiben. Diese Maßnahme wurde bereits zuvor für EOF-Vorhaben auf städtischen Grundstücken privatrechtlich im Grundstückskaufvertrag umgesetzt. Für Altfälle (Wohnungen auf privaten Grundstücken) ist diese Möglichkeit jedoch nicht gegeben.
Zusätzlich hat der Stadtrat der Landeshauptstadt München eine Überarbeitung der Mietanpassungsmöglichkeiten geförderter Wohnungen der städtischen Wohnungsgesellschaften GEWOFAG Holding GmbH und GWG München beschlossen. Damit sollen für die Mieterinnen und Mieter moderate Mietanpassungen anhand des gesetzlich geregelten Indexverfahrens nach § 557b BGB ermöglicht werden. Die Gesellschaften haben daher einer Vielzahl von Mieterinnen und Mietern nachträglich zu bestehenden Mietverträgen eine neue Mietanpassungsregelung nach Index angeboten.
Sobald die Bindungen ausgelaufen sind, erfolgen die Mieterhöhungen bei allen Wohnungen grundsätzlich nur noch nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 558 ff. BGB).Daher hat die Landeshauptstadt München das Konzept Soziale Mietobergrenzen (KSM) entwickelt. Die Neufassung wurde in diesem Jahr vom Stadtrat beschlossen. Das KSM hat die Aufgabe, den nicht mehr gebundenen Wohnungsbestand der städtischen Wohnbaugesellschaften und des Kommunalreferats weiterhin Haushalten mit geringem und mittlerem Einkommen zu günstigen Mieten zur Verfügung zu stellen. Haushalte, welche die festgelegten Einkommensgrenzen einhalten, erhalten einen Abschlag von 20% auf die Nettokaltmiete (orientiert an der ortsüblichen Vergleichsmiete).
Auch beim München Modell Miete darf die Anfangsmiete in den ersten fünf Jahren nicht erhöht werden und hängt von der Lage im Stadtgebiet ab (zwischen 7,50 Euro/m² und 11,50 Euro/m²). Seit 2006 richtet sich hier die Mieterhöhung ebenfalls nach dem Index-Verfahren. In den Jahren zuvor, konnte die Miete jährlich um 5% ab Beginn des 6. Mietjahres angepasst werden.
Frage 5:
Wie kann die Stadt die betroffenen Mietparteien unterstützen?
Antwort:
Während der Bindungsdauer (bei EOF-Wohnungen) können die betroffenen Haushalte einen Zuschuss erhalten, sofern sie eine der drei Einkommensstufen einhalten. Der Zuschuss beträgt in der niedrigsten Einkommensstufe 3,75 Euro/m² und vermindert sich um 1 Euro/m² je Einkommensstufe.
Nach Ablauf der Bindungen kann ein Anspruch auf Wohngeld bestehen oder eine Übernahme der Mietkosten in Rahmen von Leistungen nach dem SGB II in Frage kommen.
Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Mieterhöhungen können Mieterinnen und Mieter diese während der Bindungsdauer vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung überprüfen lassen. Im Übrigen können sich Mieterinnen und Mieter an die kostenlose Mietberatung des Amts für Wohnen und Migration wenden.