Verkehrserschließung berücksichtigen – Keine Floskeln mehr in Bauunterlagen!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl und Mario Schmidbauer (Fraktion Bayernpartei) vom 4.7.2017
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Am 04.07.2017 haben Sie den im Betreff genannten Antrag gestellt, wonach ab sofort in Stadtratsvorlagen zu Flächennutzungsplänen, Bebauungsplänen, Eckdaten- und Aufstellungsbeschlüssen die Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf die verkehrliche Erschließung und die voraussichtlichen Verkehrsbelastungen der Anlieger genau dargestellt werden sollen. Die zukünftige Abwicklung und die Erschließungswege für den motorisierten Individualverkehr (MIV) werden in die Planungen aufgenommen und Aussagen über Mehrbelastungen und mögliche Belastungsgrenzen für die Stadtgebiete getroffen.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtrats-Mitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und §22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil von diesem Antrag Verfahrens- und Vollzugsfragen im Rahmen der o.g. Verfahren betroffen sind. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 04.07.2017 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Aufgrund der hohen erforderlichen Dichte der Bebauungen in einer sehr stark wachsenden Stadt wie München werden die Aspekte der
Verkehrsplanung in der Bauleitplanung besonders berücksichtigt. Die Schaffung von nennenswerten Geschossflächen für Wohnen gemäß den Zielzahlen der Landeshauptstadt München ist dabei oberste Priorität, gleichzeitig sind die Belange der Bürgerschaft hinsichtlich des möglichen zukünftigen Straßenverkehrsaufkommens in den umgebenden Stadtquartieren im Bebauungsplanverfahren adäquat zu berücksichtigen. Es gilt deshalb, planerisch besonders gut durchdachte Lösungen zu entwickeln. In der Praxis führt die zunehmende Flächenknappheit in der Landeshauptstadt München dazu, dass für neue Plangebiete immer häufiger Flächen herangezogen werden müssen, die vorbelastet sind. Dies können unter anderem Immissionen durch den Straßenverkehr bereits bestehenderStadtquartiere sein, aber auch Plangebiete, die aus sich heraus eine Verkehrserschließung erfordern, die den Straßenverkehr umgebender Stadtquartiere beeinflussen kann.
Die Auswirkungen der geplanten Bebauungsmaßnahmen auf die verkehrliche Erschließung und die voraussichtlichen Veränderungen der Verkehrsbelastungen im umgebenden Straßennetz werden schon immer in den Verkehrsgutachten zu den Bebauungsplanungen untersucht und auch in den entsprechenden Stadtratsvorlagen dargestellt. Inwieweit eine ausführlichere Wiedergabe der verkehrlichen Untersuchungen und Ergebnisse beziehungsweise Gutachterempfehlungen zur verträglichen Verkehrserschließung eine mögliche Informationsverbesserung darstellen könnte, wird dabei zu prüfen sein.
Aussagen über Mehrbelastungen und mögliche Belastungsgrenzen des MIV für die Stadtgebiete sind regelmäßig Bestandteil der im Rahmen der verkehrlichen Gutachten zu den Bebauungsplanungen ermittelten Untersuchungsergebnisse zur leistungsfähigen Abwicklung des zusätzlichen Verkehrs.
Dabei werden für die Beurteilung der verkehrlichen „Belastungsgrenzen“ für die Stadtgebiete auch die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06), das in Deutschland allgemeingültige und anerkannte technische Regelwerk zur Bemessung der Leistungsfähigkeit der üblichen verschiedenen Straßenkategorien in Städten von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, herangezogen.
Darin sind für jede Straßenkategorie (von der untergeordneten Erschließungsstraße bis hin zur übergeordneten Hauptverkehrsstraße) Aussagen zur Größenordnung der maximalen Verkehrsstärke enthalten, die von der Straße noch im Wesentlichen störungsfrei abgewickelt werden kann. Damit prüft das Referat für Stadtplanung und Bauordnung in der Bebauungsplanung, ob die infolge der Baumaßnahme zu erwartenden zusätzlichen Verkehre für die jeweilige Straße, über die das Neubaugebiet erschlossen werden soll, noch im oben genannten Sinne „verträglich“ ist. Die Stadtplanung steht hierbei vor der schwierigen Aufgabe, den dringenden Bedarf an Wohnraum Rechnung zu tragen und gleichzeitig für eine Bewältigung der dadurch ausgelösten zusätzlichen Verkehre zu sorgen. Dies wird meist nur in der Weise möglich sein, dass Verkehrszunahmen im umgebenden Straßennetz hinzunehmen sein werden.
Im Flächennutzungsplan ist das übergeordnete Straßenverkehrsnetz gemäß Verkehrsentwicklungsplan (VEP) 2006 dargestellt. Der Flächennutzungsplan enthält keine Regelungen zur konkreten Erschließung, sondernstellt die Grundzüge der Planung dar. Auf dieser Planebene erfolgen also keine weitergehenden Auseinandersetzungen zu verkehrlichen Herausforderungen eines Plangebietes im Einzelnen, sondern nur generelle Aussagen zu S-Bahn- und U-Bahnhaltestellen und zur Anbindung an das übergeordnete Straßennetz. Insofern ist es nicht möglich, wie in Ihrem Antrag gefordert, in Stadtratsvorlagen zu Flächennutzungsplänen die konkreten Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf die verkehrliche Erschließung (insbesondere zum Beispiel voraussichtliche Verkehrsbelastungen) etc. darzustellen.
Im Rahmen der Bebauungsplanung werden auf Basis der festgesetzten Eckdaten – in der Regel im Rahmen von Verkehrsgutachten – die durch die Bebauungsplanung hinzukommenden Verkehre ermittelt und ein verkehrliches Erschließungskonzept erarbeitet.
Hierin werden alle notwendigen verkehrlichen Infrastrukturmaßnahmen zur verträglichen Aufnahme des neuen Verkehrs in das bestehende Straßenverkehrs- und ÖPNV-Netz und auch die notwendigen Netzergänzungen für Fuß- und Radverkehre dargestellt.
Bisher ist es gängige Praxis, dass die Abteilung Verkehrsplanung der Hauptabteilung Stadtplanung hinsichtlich der zu formulierenden Aufgabenstellung sowie der verkehrlichen Ziele und Rahmenbedingungen der Hauptabteilung Stadtplanung zuarbeitet, sie bei der Ausarbeitung des Leistungsumfanges der oben genannten Verkehrsgutachten unterstützt und die vorgelegten Ergebnisse der externen Gutachterinnen und Gutachter prüft. Darüber hinaus erstellt die Verkehrsplanung regelmäßig Stellungnahmen zur Verkehrserschließung im Rahmen der erforderlichen Beschlussfassungen im Laufe des Bebauungsplanverfahrens.
Für die Akzeptanz von größeren Neubauvorhaben seitens der Bürgerschaft ist es sinnvoll, planerische Themen, die auf das Thema Verkehr zurückzuführen sind, prozessbegleitend verständlich zu erläutern.
Deshalb wurde gemäß dem Beschluss zur Optimierung der Bebauungsplanverfahren und der Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit vom 16.03.2016 (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20 / V 04459) im Referat für Stadtplanung und Bauordnung die Schaffung einer Fachstelle zur Koordination der Verkehrsplanung innerhalb jeder der vier Planungsabteilungen der Stadtplanung ermöglicht. Hiermit soll die Verkehrsplanung von Anfang an noch stärker als bisher in die Bebauungsplanung integriert werden und eine noch engere, den Prozess der Aufstellung des Bebauungsplans begleitende Zusammenarbeit sichergestellt werden.Ziel dieser Umstrukturierung ist eine effizientere Kooperation von den ersten strukturellen Überlegungen zu einem Bebauungsplan bis zu dessen Realisierung. Aktuell sind die genannten Stellen in allen vier Planungsabteilungen der Hauptabteilung Stadtplanung besetzt, die vier Fachkoordinatorinnen bzw. Fachkoordinatoren der Verkehrsplanung haben ihre Arbeit aufgenommen.
Ein Ziel dieser neuen Organisations- und Kooperationsform ist es, unter anderem zu jedem Bebauungsplan ein Mobilitäts- und Verkehrskonzept zu erstellen, das noch umfassender und grundlegender den grundsätzlichen Zielen der Verkehrsentwicklungs- und Verkehrserschließungsplanung gemäß VEP 2006 Rechnung tragen soll, nämlich alle infrage kommenden Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und zur Verkehrsverlagerung auf umweltgerechte Verkehrsmittel zu ergreifen und den nicht vermeidbaren und nicht verlagerbaren Kfz-Verkehr so stadtverträglich wie möglich zu organisieren.
Grundsätzlich wird in den Beschlüssen zu jeder Phase der Bebauungsplanung (Aufstellungsbeschluss, Billigungsbeschluss, Satzungsbeschluss) das Thema Verkehr entsprechend dem Detaillierungsgrad der vorliegenden Untersuchungsergebnisse und der darauf abgestimmten Lösungsvorschläge, die umgesetzt werden sollen, dargestellt. Dies gilt auch für erforderliche verkehrliche Maßnahmen im Umfeld der Bebauungsplanungsumgriffe, die ursächlich durch die Bebauung des Plangebietes nötig werden.
Darüber hinaus ist für das Thema der verkehrlichen Erschließung beziehungsweise Bewältigung der zusätzlichen Verkehrsnachfrage auch des motorisierten Straßenverkehrs im Rahmen von Bebauungsplänen sowie deren Auswirkungen auf das bestehende Netz eine wesentlich umfassendere und den gesamten Planungsprozess begleitende fachliche Öffentlichkeitsarbeit geplant.
Mit oben genanntem Beschluss wurde auch die künftige Öffentlichkeitsarbeit und Partizipation im Referat für Stadtplanung und Bauordnung neu organisiert. Die konkreten, verfahrensbezogenen Bürgerbeteiligungsformate sollen ausgebaut werden, damit die interessierten Bürgerinnen und Bürger je nach Planungsvorhaben projektbezogene Beteiligungsformate nutzen können.
So kann das Themenfeld Verkehr und Mobilität in der jeweiligen projektbezogenen Intensität bearbeitet werden, um konkretere Aussagen treffen zu können.
Für aktuelle Informationen stehen die Internet-Plattformen www.muenchen.de/plan und www.muenchen-mitdenken.de zur Verfügung.
Aus den Erfahrungen in den letzten Jahren sieht das Referat für Stadtplanung und Bauordnung es als wichtige Aufgabe, verkehrliche Maßnahmen, deren Realisierung durch die zusätzlichen Verkehre infolge der Bebauungsplanungen unumgänglich ist, in engen inhaltlichen Zusammenhang mit der Bebauungsplanung in einer gemeinsamen Beschlussvorlage dem Stadtrat vorzulegen und deren Umsetzung beschließen zu lassen.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.