Beratungsstelle für die Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen bei Flüchtlingen einrichten, um eine schnellere Integration in das Arbeitsleben zu ermöglichen!
Antrag Stadträte Marian Offman und Richard Quaas (CSU-Fraktion) vom 8.9.2016
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen, dass eine Beratungsstelle für die Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen bei Flüchtlingen eingerichtet wird, um eine schnellere Integration in das Arbeitsleben zu ermöglichen.
Die Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen steht der Zielgruppe bereits offen. Mit Beschluss 14-20/V 03012 vom 1.7.2015 wurden zwei Stellen zugeschaltet. Damit sollte unter anderem die steigende Nachfrage von Flüchtlingen bewältigt werden können. Der Intention Ihres Antrags wird insoweit bereits entsprochen.
Zu Ihrem Antrag vom 8.9.2016 teile ich Ihnen aber Folgendes mit:
Die Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen im Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration bietet Beratung, Unterstützung und Begleitung von Menschen an, die ihre Qualifikationen im Ausland erworben haben. Zudem werden Ausgleichs-, Anpassungs- und Brückenmaßnahmen konzipiert und initiiert, die von einer Teilanerkennung zu einer vollen Anerkennung führen. Auch unterschiedliche Unterstützungsangebote werden entwickelt, die gemeinsam mit Unternehmen, Hochschulen, Kammern und Berufsverbänden durchgeführt werden, um einen der Qualifikation entsprechenden Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Viele Qualifizierungs- und Unterstützungsangebote sind finanziert im Rahmen der Beteiligung des Sozialreferates am bundesweiten Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“/MigraNet.
Alle Angebote richten sich explizit auch an geflüchtete Menschen.
Jährlich werden ca. 4.000 Beratungen in der Servicestelle durchgeführt. Die Zielgruppe der Ratsuchenden lässt sich in zwei Gruppen teilen:•EU-Staatsangehörige, die von den Möglichkeiten der EU-Mobilität Gebrauch machen,
•Drittstaatsangehörige, die im Rahmen des seit 2012 reformierten Arbeitsmigrationsrechts einwandern (Blaue Karte EU u.a.), im Rahmen des Familiennachzugs oder im Rahmen von humanitärer Zuwanderung als Flüchtlinge.
Die Anzahl an Menschen mit Fluchthintergrund, die die Angebote in Anspruch nimmt, steigt seit Ende 2015 stark an. Seit dem ersten Quartal 2016 sind Ratsuchende aus Syrien auf den ersten Platz der Liste der Hauptherkunftsländer gerückt und stellen auch nach Auswertung der ersten drei Quartale 2016 mit 7,88 Prozent die größte Gruppe in der Beratung dar.
Am 1.7.2015 wurde durch die Vollversammlung des Stadtrats eine Personalaufstockung für die Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen beschlossen (14-20/V 03012). Diese Aufstockung um zwei befristete Stellen für die Anerkennungsberatung wurde vor dem starken Anstieg der Fluchtmigration bewilligt, um folgende Bedarfe zu decken:
1.Nachhaltigkeit der Beratung durch Erhöhung der Anzahl der persönlichen Beratungen
2.Unterstützung der Personalgewinnung für die Landeshauptstadt München
3.Erreichung von Flüchtlingen als Zielgruppe
Die Beratung von Geflüchteten stellt andere, schwierigere Ansprüche an die Beratungsarbeit. Dazu einige Hintergrundinformationen:
Ausdrückliche Intention des Gesetzgebers war es, durch die Möglichkeiten der Anerkennung der ausländischen Qualifikationen auch für Flüchtlinge die Erfolgsaussichten auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Das Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz (§ 18a AufenthG) ermöglicht es auch Geduldeten, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, wenn sie eine ihrem Abschluss entsprechende Beschäftigung finden. Diese Vorschrift, die im Interesse der Sicherung des Fachkräftebedarfs eingeführt wurde, erlangt durch die Möglichkeiten der Anerkennungsgesetze mehr Wirksamkeit.
Deshalb hat die frühzeitige Beratung zur Anerkennung von geflüchteten Menschen hohe Priorität in der Servicestelle, weil eine zügige Anerkennung verbunden mit dem schnellen Erwerb von guten Deutschsprach-
kenntnissen Flüchtlingen die Möglichkeit eröffnen kann, auf diesem Wegihren Aufenthalt zu sichern und gleichzeitig den Fachkräftemangel zu lindern.
Allerdings sind dabei nicht nur von Flüchtlingen eine Vielzahl an Hürden zu überwinden. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Servicestelle müssen neue Wege und strategische Partner finden. Dies erfordert Zeit und Geschick.
Das Anerkennungsgesetz sieht beispielsweise vor, verloren gegangene Dokumente mit einer Qualifikationsanalyse nachzuweisen. Bis jetzt wurde dieser Anspruch aus dem Anerkennungsgesetz kaum umgesetzt. Hier
plant die Servicestelle, auf entsprechende Einrichtungen im Bereich der Handwerksberufe einzuwirken, um Verbesserungen herbeizuführen. Diese können später auf weitere Berufsfelder übertragen werden.
Anhand einer Gruppe von syrischen Ärztinnen und Ärzten wurde beispielsweise deutlich, dass in der Auslandsvertretung in Beirut falsch beraten wird. Das führt zu aufenthaltsrechtlichen Problemen, mit denen die Servicestelle in der Beratung konfrontiert ist. Hier konnten erste punktuelle Verbesserungen erzielt werden und betroffene Personen vor einer drohenden Ausweisung geschützt werden.
Fehlende Dokumente, wie ein für die Ärzteanerkennung notwendiges „cerftificate of good standing“ (Führungszeugnis) können je nach Herkunftsregion nur mit großem Aufwand oder gar nicht beschafft werden. In diesem Falle muss mit Anerkennungsbehörden verhandelt werden, die Verfahren nicht einzustellen.
Ein weiteres wichtiges strategisches Arbeitsfeld ist die Schaffung von Möglichkeiten der Kompetenzfeststellung für Flüchtlinge, deren Anerkennungsanträge abgelehnt werden. Damit kann beispielsweise eine Anrechnung auf eine Ausbildung erzielt werden.
Ihr Anliegen wird vom Sozialreferat voll und ganz geteilt. Die Besetzung der auf Seite 1 genannten zusätzlichen Ressource erfolgte aufgrund des Haushaltsmoratoriums Ende 2015 erst Ende 2016. Deshalb kann nicht abschließend eingeschätzt werden, ob der ansteigende, zeitlich dringliche Beratungsbedarf von Flüchtlingen ausreichend gedeckt werden kann. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass der Weg zur Anerkennung und in den Arbeitsmarkt sehr viel aufwändiger ist. Wie oben dargelegt treten in der Anerkennungsberatung und -begleitung von Geflüchteten komplexere Problemkonstellationen auf, die nicht allein auf der Beratungsebene gelöst werden können.Das Sozialreferat plant deshalb, dem Stadtrat die Entfristung der neu geschaffenen Stellen vorzuschlagen. Darüber hinaus wird der Mehrbedarf an Beratung und Arbeit auf der strategischen Ebene weiter dokumentiert, ausgewertet und in den Gesamtplan Integration von Flüchtlingen eingebracht.
Das Referat für Bildung und Sport führt Folgendes aus:
Mit inzwischen langjähriger Erfahrung berät die Bildungsberatung der Landeshauptstadt München, Fachbereich des Pädagogischen Instituts im Referat für Bildung und Sport, zunehmend Menschen mit Fluchterfahrung, um ihnen einen guten Einstieg ins Bildungssystem und die Berufswelt zu ermöglichen und bei auftretenden Hürden Lösungswege aufzuzeigen.
Im Teilbereich der Bildungsberatung International, das im IBZ (Internationalen Beratungszentrum Goethestraße 53) in guter Kooperation mit den weiteren dort ansässigen Beratungseinrichtungen arbeitet, werden zugewanderte Menschen hinsichtlich ihres Einstiegs in das bayerische Bildungs- und Erziehungssystem beraten. Hier geht es schwerpunktmäßig um Fragen nach einem Kita-Platz, um Fragen der Eingliederung ins bayerische Schulsystem und der Vermittlung von Jugendlichen in berufsvorbereitende Angebote. Es ist festzustellen, dass Menschen mit Fluchterfahrung derzeit eine wachsende Gruppe der Ratsuchenden darstellt. Die Bildungsberatung International bietet Beratung in sechzehn Sprachen an: Aserbaidschanisch, Arabisch, Bosnisch, Englisch, Französisch, Farsi/Dari (Persisch/ Afghanisch), Griechisch, Italienisch, Kroatisch, Kurdisch, Polnisch, Russisch, Serbisch, Türkisch, Ukrainisch, Weißrussisch. Für geflüchtete Menschen spielen vor allem Arabisch, Farsi, Dari, Kurdisch sowie Englisch und Französisch (für Geflüchtete aus afrikanischen Ländern) eine zentrale Rolle. Weiterer Sprachbedarf kann über die ebenfalls zur Bildungsberatung gehörende Servicestelle BildungsBrückenBauen abgedeckt werden, die Ehrenamtliche in über sechzig Sprachen als Vermittler bei Beratungsgesprächen zur Verfügung stellt.
Im Teilbereich der Beratung für Schule, Beruf und Weiterbildung ist die Schulberatung für Fragen der Schullaufbahn und der Schulabschlüsse zuständig. Die Beratung für Beruf und Weiterbildung steht nicht mehr vollzeitschulpflichtigen geflüchteten Menschen offen. Dabei geht es darum, die meist noch jungen Ratsuchenden bei allen anstehenden Bildungs- und Berufsentscheidungen fachkundig und umfassend zu beraten, um ihnen nachhaltig die Chance zu geben, sich über passende Bildungs- und Ausbildungswege beruflich und sozial integrieren zu können. Zu ihrer persön-lichen Weiterentwicklung und beruflichen Integration benötigen sie das Angebot einer freiwillig aufzusuchenden, ergebnisoffenen, personenzentrierten und systemisch orientierten Beratung. Dabei sind Ratsuchende mit Fluchterfahrung bzw. Migrationsgeschichte in besonderer Weise auf eine professionelle interkulturelle Beratung angewiesen. Die in der Bildungsberatung tätigen Beratungslehrkräfte und Weiterbildungsberaterinnen und -berater vermitteln in diesem Rahmen die notwendigen Informationen, entwickeln Lösungsmöglichkeiten für anstehende Problemlagen und erarbeiten Bildungs- und Berufspläne gemeinsam mit den geflüchteten Ratsuchenden. Ein besonderer Beratungsschwerpunkt liegt bei dieser Zielgruppe darauf, wie an mitgebrachte Kompetenzen angeknüpft werden kann und wie diese im deutschen Bildungssystem weiterentwickelt werden können. Die Beratung kann in Englisch oder Französisch durchgeführt werden. Darüber hinaus kann auch hier die Servicestelle BildungsBrückenBauen in über sechzig Sprachen vermittelnd tätig werden.
Als weiterer Teilbereich der Bildungsberatung ist die Berufswegplanungsstelle b-wege im Kontext der Beratung von Geflüchteten tätig. Die Stelle kooperiert im Beratungsverbund JiBB (Junge Menschen in Bildung und Beruf) mit Fachstellen der Agentur für Arbeit (z. B. Zentrum Flucht), des Sozialreferats (z. B. IBZ Sprache und Beruf), des Jobcenters und des Landkreises München. Auch diese Anlaufstelle für Fragen zu Bildung und Beruf junger Menschen etwa zwischen 15 und 25 Jahren steht geflüchteten Menschen als wichtige multiprofessionelle Beratungseinrichtung offen.
Durch die enge teamorientierte Verzahnung der drei Teilbereiche der Bildungsberatung (Beratung für Schule/Beruf/Weiterbildung, Bildungsberatung International und Berufswegplanungsstelle) ergibt sich ein breites Beratungswissen als Grundlage für eine flexible lebensbegleitende Beratungsarbeit über verschiedene Lebenskontexte hinweg. Die langjährige Erfahrung aus der Beratung von Menschen mit Migrationsgeschichte zeigt, dass nach ersten Integrationsschritten oft weitere Beratungen erforderlich sind, um eine nachhaltige Integration sicher zu stellen.
58 Prozent aller Ratsuchenden in der gesamten Bildungsberatung sind Menschen mit Migrationsgeschichte. In 2015 weist die Statistik der Bildungsberatung 10.529 Beratungskontakte aus, davon etwa ein Drittel ausführliche Einzelberatung. In fast 25 Prozent aller Fälle geht es um Integration nach Zuwanderung. Eine gesonderte Erfassung geflüchteter Menschen im Unterschied zu anderen Migrationsursachen wird derzeit noch nicht durchgeführt.Sie sind gerne eingeladen, sich selbst ein Bild über die Arbeit vor Ort zu machen.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.