Vernetzte Arbeit gegen Gewalt im Sport
Antrag Stadtrats-Mitglieder Verena Dietl und Christian Müller (SPD-Fraktion) vom 13.12.2013
Antwort Stadtschulrätin Beatrix Zurek:
Nach § 60 Abs. 9 Geschäftsordnung dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Bei dem Inhalt Ihres Antrags handelt es sich um eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 der Geschäftsordnung dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Wir bitten um Verständnis für die sehr lange Bearbeitungszeit Ihres Antrags und bedanken uns für die gewährte Fristverlängerung. Diese war nötig, weil zahlreiche Recherchen und Abstimmungen erforderlich waren.
Gewalt ist (leider) ein Dauerthema, auch in Deutschland. Die unterschiedlichen Formen bewusst zu machen, Gewalt zu verhindern, (potentielle) Opfer zu schützen und Prävention zu betreiben, gehört zu den wichtigsten Aufgaben – auch in unserer Gesellschaft. In Anlehnung an Maßnahmen und Erkenntnisse ähnlicher Anfragen von 2007 und 2014 hat sich das Referat für Bildung und Sport wiederum an adäquate, nachfolgend genannte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner gewandt, um die aktuelle Situation zu erfassen und im Folgenden darzustellen:
-Sozialreferat, Stadtjugendamt,
-Bayerischer Fußballverband,
-Münchner Sportjugend im Bayerischen Landessportverband e.V.,
-Deutscher Kinderschutzbund, Landesverband Bayern e. V.,
-Polizeipräsidium München.
Maßnahmen zur Gewaltprävention
Die beteiligten Organisationen wurden gebeten, ihre aktuellen Konzepte und Methoden zur Gewaltprävention im Sport darzulegen.
Das Sozialreferat, Stadtjugendamt hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Aktionen und Projekten im Umfeld der Jugendarbeit sowie der Jugendsozialarbeit im Sport methodisch aufgegriffen, um im multikulturellen Miteinander Fair Play und Spaß an Spiel und Bewegung positiv zu verstärken.
Zu nennen ist hier die Münchner Freizeit-Liga „bunt kickt gut“, „nightball“(Öffnung von Turnhallen für Kids in 13 Stadtbezirken in den Abendstunden), diverse Sportprojekte und Bolzplatznutzungen im Umfeld der Münchner Freizeitstätten sowie das städtisch geförderte Fanprojekt (vgl. Beschluss Nr. 02-08 / V 10586 von 2007).
Der Bayerische Fußballverband (BFV) bekennt sich klar gegen Gewalt, Rassismus, Intoleranz und Diskriminierung. Fußball ist kein wertfreier Sport. Er steht für Fairplay, Respekt, Gewaltfreiheit, Miteinander, Toleranz und Anerkennung. Deshalb verfolgt der BFV bei gewalttätigen Vorfällen eine Null-Toleranz-Politik. Sie ist die Basis für die sportgerichtliche Aufarbeitung aber auch für die präventiven Maßnahmen des Verbandes.
Es gibt zahlreiche Aktionen des BFV wie die Anti-Rassismus-Kampagne, die Schiedsrichter-Aktion „Gemeinsam und Fair“ oder die Kampagne „Keine Gewalt im Jugendbereich“, die präventiv eingesetzt werden. Die Vermittlung und der Aufruf zu Fairplay, Respekt und Gewaltfreiheit ist elementarer Bestandteil aller Spielgruppentagungen, Trainerausbildungen und Fortbildungsmaßnahmen (wie zum Beispiel „Bleib im Spiel“). Bei allen BFV-Veranstaltungen wirbt der Verband mit Durchsagen, Bannern, dem Anti-Rassismus-Werbespot oder weiteren Aktionen für das Motto „Gemeinsam und Fair“. Darüber hinaus vermitteln ausgebildete Konfliktmanager bayernweit bei schon vorhandenen Konflikten oder Vorfällen und versuchen so eine Eskalation oder die Wiederholung von Eskalationen zu verhindern.
Besondere Maßnahmen für München
Das Stadtgebiet München bietet besondere Rahmenbedingungen für die Amateurfußballvereine, die zusätzlich zur generellen Anonymität der Bewohner von Großstädten die Bindung der Mitglieder an ihren Verein erschweren. Auf den Bezirkssportanlagen teilen sich mehrere Vereine die Sportplätze, Umkleiden und das Vereinsheim. Die Bereitschaft bei Schwierigkeiten den Verein zu wechseln ist deutlich höher als im ländlichen Raum.
Der hohe Anteil an Familien mit Migrationshintergrund spiegelt sich auch im Sport wider, so dass jeder Münchener Sportverein sich mit der Vielfalt der Kulturen auseinandersetzen muss. Selbst in den ursprünglich eigenethnisch gegründeten Vereinen setzt sich die kulturelle Vielfalt immer mehr durch. Somit liegt die eigentliche Herausforderung für die Verantwortlichen im sozialen Umfeld der Mitglieder und nicht in der ethnischen Herkunft. Die bestehenden Qualifizierungsangebote des BFV für Trainer und Verantwortliche werden zudem nicht ausreichend wahr- bzw. angenommen. Um diesen besonderen Gegebenheiten für den Fußball in München zu begegnen, werden seit 2013 unter der Initiative „Fairplay München“ geeignete Maßnahmen entwickelt.Ein Bestandteil der Maßnahmen ist zum Beispiel die Ausbildung von Spielbeobachtern, um anonym Einschätzungen von den Situationen auf den Fußballplätzen zu sammeln und wenn nötig, vor und während der Spiele Maßnahmen zur Deeskalation einzuleiten. Ein Netzwerk an Kontaktpersonen wurde ausgebaut, um dort die Vielzahl an Qualifizierungs- und Unterstützungsangeboten bekannt zu machen. Eine Selbstverpflichtung der Vereine im Jugendbereich soll forciert werden.
Die Münchner Sportjugend führt Sozialtrainings zur Gewaltprävention für Münchner Schülerinnen und Schüler als ergänzendes Sport- und Gesprächsangebot zum sozialen Lernen an Grund-, Mittel- und Förderschulen durch. Das Konzept „Sozialtraining zur Gewaltprävention“ wird bereits seit 2001 in der Regel an drei bis fünf Schulen jährlich umgesetzt.
Eine der zentralen Aufgaben der Koordinationsstelle Sportsozialarbeit in der Münchner Sportjugend ist die sportartübergreifende Qualifizierung der Münchner Jugendleiter und Jugendleiterinnen im Sport, um deren Handlungskompetenz auch in schwierigen Situationen zu stärken. Es werden regelmäßig Seminartage und Abendveranstaltungen sowie mehrtägige Schulungsmaßnahmen zu präventiven und sozial-integrativen Themen der sportlichen Jugendarbeit veranstaltet, wie zum Beispiel:
-„Störenfriede“ in der Jugendgruppe – verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche verstehen und integrieren
-Konflikte in der Jugendgruppe gemeinsam lösen
-Kinder- und Jugendarbeit interkulturell sensibel gestalten
-Gegen sexualisierte Gewalt in der sportlichen Jugendarbeit
-Suchtprävention
Darüber hinaus sind die Möglichkeiten und Grenzen der (Gewalt-)Prävention im und durch Sport auch in den Basis-Qualifikationslehrgängen zur Jugendleitercard (JULEICA) stets Thema, ebenso die Bedeutung der Vorbildfunktion der Jugendleiterinnen und Jugendleiter.
Weitere präventive Maßnahmen des Bayerischen Landes-Sportverbandes bzw. der Bayerischen Sportjugend und der Fachverbände sind zum Beispiel:
-die Aktion „Alkoholfrei Sport genießen“
-der Jiu-Jitsu-Verband Bayern bietet seit einigen Jahren eine sportartübergreifende Übungsleiter B-Lizenz „Gewaltprävention“ an, einige Seminare der MSJ werden hier als Lizenzverlängerungslehrgänge anerkannt.
Der Deutsche Kinderschutzbund Landesverband Bayern e.V. führt das Gewaltpräventionsprojekt „Gemeinsam sind wir stark“ durch. DasSchulungsangebot gibt Instrumente an die Hand, in kritischen Situationen souverän zu reagieren. Ziel der Schulungseinheiten ist es, Trainerinnen und Trainer für Konfliktpotenziale zu sensibilisieren und ihre Wahrnehmung zu schärfen, so dass sie sich ihrer Vorbildfunktion bewusst werden. In den Schulungseinheiten lernen die Teilnehmenden Methoden kennen, die ihnen helfen, Konflikte gewaltfrei zu lösen.
Die Trainerinnen und Trainer sollen ihr Bewusstsein für Gewaltsituationen schärfen, aber auch ihre und die Grenzen des Vereins kennen lernen. Der erste Kontakt zu Pädagoginnen und Pädagogen während der Schulungen erleichtert ihnen die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten. Ein lokales Netzwerk an Hilfsangeboten und Beratungsmöglichkeiten soll aufgezeigt und die Nutzung angeregt werden.
Das Polizeipräsidium München nimmt trotz geringer Fallzahlen Gewalttaten in den unteren Spielklassen sehr ernst und beteiligt sich an allen Formen der Nachbereitung. Auf Präsidiumsebene besteht regelmäßiger Kontakt zum Referat für Bildung und Sport, Geschäftsbereich Sport und zum Bayerischen Fußballverband. Auf örtlicher Ebene nimmt die Polizeiinspektion im Regelfall nach jedem besonderen Ereignis Kontakt mit den Verantwortlichen des betroffenen Vereins auf, um mit diesen zu beraten und gemeinsame Maßnahmen zu erörtern. Eine regelmäßige Präsenz der Polizei bei Spielen in den unteren Spielklassen ist bei keinem Verein erforderlich.
Das Referat für Bildung und Sport, Geschäftsbereich Sport hat in seinem Programm zur interkulturellen Öffnung des organisierten Sports Bausteine zu Themen wie Gewaltprävention, Kommunikation und Deeskalation. Ziel ist es, mit Hilfe interkultureller Öffnung von Sportvereinen und -verbänden eine größere Differenzsensibilität für eine größere Chancen- und Teilhabegerechtigkeit zu vermitteln.
Handlungsempfehlungen und Ausblick
Im Kontext der oben genannten präventiven Kampagnen und Aktionen gewinnen die körper- und bewegungsbezogenen Konzepte der Gewaltprävention durch Sport zunehmend an Bedeutung. Wichtig ist, Kinder und Jugendliche auf der Beziehungsebene durch Sport zu erreichen. So wird ihnen ermöglicht, ihre Grenzen auszutesten, Regeln akzeptieren zu lernen und Fairness zu praktizieren. Die Förderung der Vernetzung von Vereinen und Verbänden mit freien und kommunalen Trägern der sozialen Arbeit ist ebenso wünschenswert wie die Vernetzung von Schul- und Vereinssport. Beide Bereiche haben adäquate Wege der Vernetzung gefunden wie zum Beispiel die Schulsportarbeitsgemeinschaften (SAG) oder die InitiativeSport-nach-1 sowie die Partnerschulen des Leistungssports. Des Weiteren ist die Vernetzungsinitiative „Vereint in Bewegung“ unter der Federführung des Bayerischen Landessportverbandes behilflich bei Fragestellungen zur Sucht- und Gewaltprävention für Kinder, Jugendliche und ihre Familien.
Die beschriebenen Programme verfügen neben den Sportangeboten auch über individuelle alltags- und lebensweltorientierte Hilfen sowie weiterführende Beratungs- und Betreuungsangebote. Sportvereine können mit Hilfe aller vorher genannten Akteure verstärkt leicht zugängliche Angebote schaffen, um eine bessere Heranführung benachteiligter Gruppen an Sportangeboten zu ermöglichen.
Fazit
Sport ist ein wirksames Mittel, Aggressionen gewaltfrei zu kanalisieren. Der Sport bietet Menschen unterschiedlicher Herkunft ein immenses Potenzial zur Integration und folglich auch der Gewaltprävention. Er kann und sollte jedoch nicht in eine Rolle gedrängt werden, gesellschaftliche Probleme alleine zu lösen.
Alle Maßnahmen, Projekte und Aktionen müssen stets unter dem Aspekt der Ehrenamtlichkeit der meisten Vereinsaktiven gesehen werden und den damit häufig engen zeitlichen Ressourcen.
Im Ergebnis der Darstellungen zeigt sich, dass bereits erhebliche, breit gefächerte und durchaus wirkungsvolle vernetzte Strukturen und Maßnahmen existieren und von einer Vielzahl von Organisationen verfolgt werden. Eine Unterstützung der Vereine wird von nahezu allen befragten Organisationen geleistet und forciert. Anlaufstellen, zumeist auch mit entsprechender Kompetenz in Pädagogik, Konfliktmanagement, Sucht- und Gewaltprävention sowie interkulturellem Kontext sind vorhanden.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.