Alter Botanischer Garten, ein Kriminalitätsschwerpunkt?
Anfrage Stadträte Richard Quaas und Professor Dr. Hans Theiss (CSU-Fraktion) vom 16.9.2016
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Ihre Anfrage vom 16.09.2016 wurde im Auftrag von Herrn Oberbürgermeister Dieter Reiter in Federführung dem Kreisverwaltungsreferat zur Beantwortung zugeleitet.
Ihrer Anfrage schicken Sie folgenden Sachverhalt voraus:
„In den Medien wurde im August berichtet, dass damals zum wiederholten Mal im Alten Botanischen Garten, der zwischen Stachus/Lenbachplatz und der Luisenstraße, gegenüber dem Justizpalast liegt, eine Frau vergewaltigt wurde. In den Wochen vorher war auch über Gewaltdelikte, Drogenkriminalität und andere Sexualdelikte in dieser Parkanlage berichtet worden.
Besorgnis erregt das nun besonders bei den Bewohnern an der angrenzenden ‚Alten Chemie‘; den Betreibern des Luxus Hotels, den Besuchern des Parkcafes und Eltern, Schüler und Lehrern der angrenzenden Gymnasien und beruflichen Schulen, die allesamt über die Umstände besorgt sind. Es ist fast unheimlich, dass sich in Mitten der Stadt, keine 500 Meter vom Polizeipräsidium und kaum 20 Meter von der Justiz entfernt, ein neuer Kriminalitätsschwerpunkt entwickeln konnte.
Hier muss besonders darauf geachtet werden, auch weil in der Nähe Einrichtungen für Flüchtlinge sind, die ja schnell, gerne auch in ein Zwielicht gestellt werden, dass sich diese Szene nicht verfestigt und, dass der Park rund um die Uhr überwacht wird.“
Nachdem dem Kreisverwaltungsreferat zwischenzeitlich die beim Polizeipräsidium München angeforderte Stellungnahme vorliegt, können wir Ihnen zu den im Einzelnen gestellten Fragen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Ist es richtig, dass, wie in den Medien berichtet, sich am und im Alten Botanischen Garten seit Beginn des Jahres ein neuer Brennpunkt von Kriminalität entwickelt hat?
Antwort des Polizeipräsidiums München:
In den letzten fünf Jahren ist bei den Gesamtstraftaten am Alten Botanischen Garten ein kontinuierlicher Anstieg festzustellen: Wurden im Jahr 2011 noch 104 Straftaten mit Tatort ‚Alter Botanischer Garten‘ zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) gemeldet, so waren es im Jahr 2015 insgesamt 285 Delikte. Im 5-Jahres-Vergleich bedeutet dies eine deutliche Zunahme. Betrachtet man diese Deliktsentwicklung jedoch näher, ist festzustellen, dass der Anstieg beinahe ausschließlich durch die Zunahme der Rauschgiftdelikte verursacht wird: Ihre Zahl nahm von 30 Betäubungsmittelverstößen im Jahr 2011 auf insgesamt 209 im Jahr 2015 zu. Das entspricht im 5-Jahres-Vergleich einem Plus von 179 Fällen. Somit waren im Jahr 2015 drei von vier aller Straftaten Betäubungsmittelverstöße. Diese Entwicklung setzt sich auch 2016 fort.
Die Zunahme der Rohheitsdelikte von zwölf Fällen im Jahr 2011 auf 33 Fälle im Jahr 2015 (+ 21 Rohheitsdelikte) lässt sich auf eine höhere Zahl von Körperverletzungen zurückführen (+16 Fälle auf 26 Delikte). Die Zahl der Sexualdelikte im Alten Botanischen Garten bewegte sich in den vergangenen fünf Jahren im niedrigen einstelligen Bereich. Aktuell ist ein Anstieg der Fallzahlen festzustellen, der überwiegend auf die Zunahme exhibitionistischer Handlungen/Erregungen öffentlichen Ärgernisses zurückzuführen ist.
Die Zahl der Rohheitsdelikte bewegt sich aktuell dagegen auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums.
Innerhalb der Gesamtstraftaten ist im gleichen Zeitraum ein Rückgang vor allem bei den Verstößen gegen das Ausländergesetz zu verzeichnen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Straftatenentwicklung im Alten Botanischen Garten weitestgehend auf eine Erhöhung der polizeilichen Präsenz und Kontrollintensität vor Ort zurückzuführen ist. Der Straftatenanstieg lässt sich zum großen Teil durch eine Zunahme registrierter Betäubungsmittelverstöße im Rahmen polizeilicher Kontrollen erklären. Von einem Kriminalitätsbrennpunkt ist aus polizeilicher Sicht nicht zu sprechen. Gleich wohl steht der Bereich im Rahmen der strategischen Ausrichtung des Polizeipräsidiums München bezüglich des Hauptbahnhofs mit näherer Umgebung und südlichem Hauptbahnhofviertel unter besonderer Beobachtung. Siehe hierzu auch Antwort zur Frage 2 sowie unser Schreiben vom 8.9.2016 (‚Stellungnahme zur Stadtratsanfrage der Fraktion Die Grünen – Rosa Liste ‚Problemlagen am Hauptbahnhof rund um die Themen Sucht und Prostitution dringend umfassend angehen!‘ vom 18.8.2016‘ s. Anlage).
(Die Anlage kann im Presse- und Informationsamt per E-Mail an presseamt@muenchen angefordert oder im Ratsinformationssystem (www.ris-muenchen.de) unter dem Suchbegriff „Alter Botanischer Garten“ abgerufen werden.)
Frage 2:
Was unternehmen Polizei und KVR gezielt am Alten Botanischen Garten dagegen, dass sich hier nicht wieder ein Kriminalitätsschwerpunkt bilden, bzw. festsetzen kann?
Antwort des Kreisverwaltungsreferates:
Die Lage im Alten Botanischen Garten wird durch die Polizei und das Kreisverwaltungsreferat genau beobachtet und einer regelmäßigen Neubewertung unterzogen.
Das Kreisverwaltungsreferat unterstützt die polizeilichen Maßnahmen durch individuelle sicherheitsrechtliche Maßnahmen. Sicherheitsrechtliche Maßnahmen können unter anderem der Erlass von zwangsgeldbewehrten Aufenthalts- und Betretungsverboten im Alten Botanischen Garten sein, deren Einhaltung durch die Polizei vor Ort kontrolliert wird. Im Falle von Straftaten, die durch ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger verwirklicht werden, wird die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen geprüft.
Darüber hinaus haben Herr Stadtrat Christian Vorländer, Herr Stadtrat Gerhard Mayer, Herr Stadtrat Cumali Naz, Herr Stadtrat Helmut Schmid und Frau Stadträtin Julia Schönfeld-Knor mit Änderungsantrag Maßnahmen für Verbesserungen im Alten Botanischen Garten im Kreisverwaltungsausschuss vom 13.12.2016 eingebracht, die mit Ausnahme des letzten Spiegelstriches wie folgt durch die Vollversammlung des Stadtrates am 14.12.2016 beschlossen wurden:
- Veränderungen bei der Bepflanzung, insbesondere Ausdünnung des Unterholzes
- Umbau von Sitzgelegenheiten: Einrichtung von Mittellehnen beziehungsweise Einzelsitzen
- Verbesserte Beleuchtung
- Schwerpunktmäßige Umsetzung der in der Grünanlagensatzung geregelten Untersagung des Alkoholgenusses, soweit andere dadurch mehr als unvermeidbar belästigt werden
- Verstärkte Nutzung des Alten Botanischen Gartens für kulturelle, sportliche und gesellschaftliche Veranstaltungen
Das Kreisverwaltungsreferat prüft die vorstehenden Verbesserungsmaßnahmen bereits in Abstimmung mit dem Polizeipräsidium München und den zuständigen Fachreferaten im Rahmen des Runden Tisches Hauptbahnhof.
Antwort des Polizeipräsidiums München:
Der Alte Botanische Garten ist Teil des Gesamtkonzepts des Polizeipräsidiums München zur Bekämpfung von Sicherheits- und Ordnungsstörungen am Münchner Hauptbahnhof sowie dessen Umfeld. Hieraus resultieren unter anderem eine fortwährende, intensive Auswertung der Lage sowie insbesondere ein hoher Kräfteansatz mit entsprechender Präsenz und Kontrolltätigkeit verschiedener Polizeidienststellen.
Darüber hinaus findet eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Polizeipräsidium München und der Landeshauptstadt München, insbesondere dem KVR statt. Der Alte Botanische Garten wird regelmäßig in turnusmäßigen Gesprächsrunden wie S.A.M.I. (Sicherheits- und Aktionsbündnis Münchner Institutionen) und dem Runden Tisch Hauptbahnhof thematisiert.
Frage 3:
Ist den Behörden bekannt, welche Ursachen es hat, dass nach Jahren der Ruhe in und um den Park, sich hier wieder eine Kriminalitätsszene entwickelt hat?
Antwort des Polizeipräsidiums München:
Auch wenn eine gesicherte Feststellung der konkreten Kriminalitätsursachen nur schwer möglich ist, lassen sich beim Alten Botanischen Garten zumindest potentiell (mit-)ursächliche Elemente für die dortige Kriminalität feststellen. Der Alte Botanische Garten ist zentral gelegen, hervorragend mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, bietet zahlreiche Möglichkeiten zum Niederlassen (Parkbänke, Grünflächen) und durch den teils dichten Bewuchs einen gewissen Sichtschutz. Hierdurch ist die Wahrnehmbarkeit und damit Sozialkontrolle durch Bevölkerung und Behörden, insbesondere
der Polizei einschränkt. Dies erklärt eine gewisse Attraktivität für Betäubungsmittelhändler wie -konsumenten sowie Angehörige der Alkoholikerszene.
Auch ist der Alte Botanische Garten aufgrund seiner räumlichen Nähe zum Münchner Hauptbahnhof zumindest für einen Teil der dortigen Alkoholiker-/Betäubungsmittelkonsumenten und Obdachlosenszene eine Rückzugs- beziehungsweise Ausweichörtlichkeit, woraus sich auch immer wieder Auseinandersetzungen ergeben. Es sind aufgrund der umfangreichen polizeilichen Maßnahmen am Hauptbahnhof und im Umfeld Verdrängungstendenzen in den Alten Botanischen Garten feststellbar. Hinsichtlich langjähriger Angehöriger der verschiedenen Szenen ist auch ein gewisser „Treffpunktcharakter“ bestimmter Örtlichkeiten feststellbar. Hier findet sozialer Austausch statt, auch ohne vorherige Vereinbarungen sindBezugspersonen anzutreffen. Abhängig von der jeweiligen polizeilichen Kontrollintensität können sich diese Örtlichkeiten verlagern. Einem generellen Auftreten der Szenepersonen ist jedoch als sozialem Phänomen mit polizeilichen Mitteln allein nicht beizukommen. Zumindest phasenweise treffen sich zudem Asylbewerber/Flüchtlinge im Alten Botanischen Garten.
Daraus haben sich in der Vergangenheit auch vereinzelt Gewaltdelikte entwickelt.
Frage 4:
Ist von Seiten des KVR und der Polizei auch daran gedacht, den Park mit einer Videoüberwachung zu versehen, um so präventiv tätig zu werden und Täter abzuschrecken?
Antwort des Kreisverwaltungsreferates:
Der städtische Datenschutzbeauftragte hat eine eigene städtische Videoüberwachung im öffentlichen Raum grundsätzlich für zulässig erachtet.
Jeder Einrichtung einer Videoüberwachung und Videoaufzeichnung, die sich ausschließlich auf einzelne kriminalitätsbelastete öffentliche Bereiche
beschränkt, hat eine sehr sorgfältige Abwägung vorauszugehen, in der die Risiken und Beeinträchtigungen der individuellen Freiheitsrechte mit den Vorteilen für die Sicherheit abzuwägen sind. Nach polizeilicher Gefährdungseinschätzung stellt der Alte Botanische Garten jedoch keinen durch Kriminalität belasteten Bereich dar, der eine polizeiliche oder städtische Videoüberwachung rechtlich rechtfertigen würde.
Antwort des Polizeipräsidiums München:
Das Polizeipräsidium München prüft fortlaufend bei der Auswertung der Kriminalitätslage grundsätzlich die Notwendigkeit und Effizienz möglicher Bekämpfungsmaßnahmen. Dies schließt auch die polizeiliche Videoüberwachung mit ein. Konkret kann die Bayerische Polizei eine stationäre offene präventive Videoüberwachung zum Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung an sogenannten gefährlichen Orten bzw. Kriminalitätsbrennpunkten installieren, die rechtliche Grundlage hierfür bietet das Polizeiaufgabengesetz (PAG). Das Polizeipräsidium München setzt aktuell dauerhaft an drei Kriminalitätsbrennpunkten (Sendlinger-Tor-Platz, Bahnhofplatz, Karlsplatz (Stachus)) insgesamt sechs Kameras zur offenen Videoüberwachung ein. Eine Erweiterung auf den Alten Botanischen Garten halten wir im Rahmen der Gesamtstrategie zurzeit für nicht erforderlich. Zudem erscheint dort aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, namentlich dem dichten Bewuchs durch Bäume und Büsche, eine Videoüberwachung nur bedingt geeignet.
Frage 5:
Wenn ja, wann kann die Installation der Anlagen erfolgen?
Antwort des Kreisverwaltungsreferates und des Polizeipräsidiums München:
Entfällt – siehe Ausführungen des Kreisverwaltungsreferates und des Polizeipräsidiums München zu Frage 4.
Frage 6:
Wenn nein, was spricht hier gegen eine Videoüberwachung?
Antwort des Kreisverwaltungsreferates und des Polizeipräsidiums München:
Entfällt – siehe Ausführungen des Kreisverwaltungsreferates und des Polizeipräsidiums München zu Frage 4.
Ich darf Sie um Kenntnisnahme dieser Ausführungen bitten und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit erledigt ist.