Wie kann die Landeshauptstadt die Situation der Flüchtlinge erleichtern?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 3.10.2016
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Für die gewährte Fristverlängerung bedanke ich mich.
In Ihrer Anfrage vom 3.10.2016 führen Sie Folgendes aus:
„München ist die Stadt, die mit dem großartigen Umgang ihrer Bürger, der Verwaltung, der Polizei und anderen Einrichtungen mit den tausenden Geflüchteten, die in der Stadt ankamen, weltweit Beachtung und Anerken- nung fand. Diese Kultur des ‚refugees welcome‘ sollte uns Verpflichtung im Alltag auch jenseits solcher Extremsituationen sein.
Nun machen seit Anfang September eine Gruppe ebenso verzweifelter wie engagierter Geflüchteter auf einem kleinen Areal am Sendlinger-Tor-Platz auf ihre insgesamt unwürdige Situation aufmerksam. Sie weisen darauf hin, dass sie teilweise seit vielen Monaten in Lagern isoliert auf ihre Verfahren warten. Sie machen darauf aufmerksam, dass ihre Asylanträge teilweise aus nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt werden. All dies findet nun auch seinen gesetzlichen ‚Segen‘ durch den Entwurf des ‚Bayerischen Integrationsgesetzes‘ und durch das vor der Sommerpause noch verabschiedete Bundes-Integrationsgesetz: durch beides wird in vielerlei Hinsicht die Situation für Geflüchtete immer unerträglicher, die Angst vor einer drohenden Abschiebung kommt oftmals hinzu. Um auf diese Situation, die den meisten Bürgern verborgen bleibt, öffentlichkeitswirksam aufmerksam zu machen, und um aus ihrer so empfundenen Isolation herauszukommen, wurde von den Geflüchteten die Form des Protestcamps gewählt. Es geht ihnen um einen gesicherten Status – Bleiberecht – sie möchten weg von der Fessel der ‚Residenzpflicht‘. Wie können wir Münchner zeigen, dass wir Verständnis für diese Wünsche haben?“
Zu Ihrer Anfrage vom 3.10.2016 nimmt das Kreisverwaltungsreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Welche Möglichkeiten bestehen, um über die Vertretungen im Bayerischen und Deutschen Städtetag angemessene Veränderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht zu bewirken?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München wird in der Regel bei anstehenden Gesetzesvorhaben vom Deutschen bzw. vom Bayerischen Städtetag eingebunden. In diesem Zusammenhang regt die Ausländerbehörde München in ihren Stellungnahmen oft Ergänzungen oder Korrekturen an. Daneben hat auch der Oberbürgermeister als Vertretung im Deutschen Städtetag die Möglichkeit sich für sinnvolle Anpassungen einzusetzen und nimmt diese Möglichkeit auch wahr.
Zudem nutzt die Ausländerbehörde München die ihr darüber hinaus zur Verfügung stehenden Mittel, z.B. den sog. „Erfahrungsaustausch der Ausländerbehörden großer Städte“. Dieses Gremium trifft sich zweimal im Jahr. An den Treffen nehmen neben den Leitungen der Ausländerbehörden der großen Städte auch verantwortliche Mitarbeiter des Bundesministeriums des Innern, des Auswärtigen Amtes, des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und des Deutschen Städtetages teil. Die Ausländerbehörde München weist regelmäßig auf rechtliche Problemstellungen hin und regt sinnvolle gesetzliche Änderungen oder Änderungen der Weisungslage an – insbesondere zur Sicherstellung eines humanen Vollzugs.
Frage 2:
Wie kann die Stadt in ihrem Wirkungskreis in Zusammenwirken mit der Regierung von Oberbayern eine vernünftige, möglichst dezentrale Unterbringung von Geflüchteten realisieren?
Antwort:
Das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, teilte uns auf Anfrage hierzu Folgendes mit:
Aufgrund der Ausführungen in der Anfrage gehen wir davon aus, dass sich diese auf Personen bezieht, die sich noch im Asylverfahren befinden bzw. deren Asylgesuch abgelehnt wurde, der Aufenthalt jedoch geduldet ist.
§ 53 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) regelt, dass Asylsuchende in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden sollen, wenn sie nicht mehr in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen müssen. Die Unterbringung dieser Personen ist im Aufnahmegesetz (AufnG) geregelt. In der Regel erfolgt die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, die von den Regierungen zu errichten und zu betreiben sind, vgl. Art. 4 AufnG. Können die betroffenen Personen nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft der Regierung untergebracht werden, erfolgt die Unterbringung in sogenannten dezentralen Unterkünften, Art. 6 Abs. 1 AufnG, § 5 Abs. 2 und 3 DV Asyl, die von den Landkreisen bzw. den kreisfreien Gemeinden zu errichten und zu betreiben sind.
Bei der dezentralen Unterbringung handelt es sich um eine Aufgabe der Landeshauptstadt München im übertragenen Wirkungskreis. Dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten sind demnach durch die Landeshauptstadt München nur dann zu schaffen, wenn der Regierung von Oberbayern keine Plätze in Gemeinschaftsunterkünften zur Unterbringung von Asylbewerbern mehr zur Verfügung stehen. Die dezentrale Unterbringung stellt somit den Ausnahmefall dar.
Die Kosten der dezentralen Unterbringung erstattet die Regierung von Oberbayern der Landeshauptstadt München gem. Art. 8 AufnG.
Eine Ausnahme von der gesetzlichen Pflicht, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu leben stellt die sog. private Wohnsitznahme dar. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Personen berechtigt, aus der Gemeinschaftsunterkunft auszuziehen, Art. 4 Abs. 4 AufnG. Darüber hinaus kann in begründeten Ausnahmefällen der Auszug von der zuständigen Behörde gestattet werden, Art. 4 Abs. 6 AufnG.
Bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Anerkennung als Asylberechtigte oder Asylberechtigter entfällt die Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft.
Insgesamt ist festzuhalten, dass es sich bei der Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern um eine staatliche Aufgabe der Regierung von Oberbayern handelt. Für Asylbewerberinnen und Asylbewerber besteht eine grds. Verpflichtung, in einer Gemein- schaftsunterkunft zu wohnen. Die Landeshauptstadt München hat insofern keine Möglichkeiten, auf die Unterbringung außerhalb dieser gesetzlichen Vorgaben hinzuwirken. Insbesondere, da mit der Zuständigkeit der Regierung von Oberbayern für die Unterbringung auch die Kostenübernahmepflicht beim Freistaat Bayern liegt.
Frage 3:
Wie kann die Stadt in ihrem Wirkungskreis – Ausländerbehörde/ Kreisverwaltungsreferat – für ein humaneres Vorgehen bei „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“ sorgen?
Antwort:
Beim Vollzug des Ausländerrechts wird die Ausländerbehörde nicht im eigenen, sondern im übertragenen Wirkungskreis tätig. Die Ausländerbehörde prüft in jedem Einzelfall umfassend unter Berücksichtigung aller Umstände, ob die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Duldung rechtlich möglich ist. Dabei werden alle Handlungsspielräume genutzt. Auch beim Vollzug von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen wird stets auf ein humanes Vorgehen geachtet. So wird in der Regel die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise gegebenenfalls mit Hilfe der Stelle für Rückkehrhilfen beim Sozialreferat eröffnet. Die Handlungsspielräume der Ausländerbehörde werden jedoch für manche Fallgestaltungen und Personengruppen durch gesetzliche Vorgaben und Weisungen der zuständigen Aufsichtsbehörden eingeschränkt. Zudem wird die Zuständigkeit für bestimmte ausreisepflichtige Personengruppen verstärkt den zentralen Ausländerbehörden bei den Regierungen zugewiesen.