Wie groß ist die Bedrohung durch schadstoffbelastete Raumluft in städtischen Gebäuden wirklich?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch, Jutta Koller, Sabine Krieger, Dominik Krause und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 1.2.2017
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Schadstoffbelastete Raumluft in städtischen Gebäuden ist ein Thema, das bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Verunsicherung hervorruft. Schadstoff- quellen sind u.a. Holzwerkstoffe, Fugenmassen, Klebstoffe, Farben und Lacke. Flüchtige organische Lösungsmittel können allergische Reaktionen, Müdigkeit und Kopfschmerzen verursachen. Es ist deshalb wichtig, dass die Landeshauptstadt München umfassend über Schadstoffe aufklärt und bei Neubau und Renovierung von öffentlichen Gebäuden eine Minimierung der Schadstoffbelastung gewährleistet“.
Als Beispiel führen Sie die PCB-Belastung der Mittelschule an der Eduard-Spranger-Straße an und weisen auf die Besorgnis unter der Eltern- und Lehrerschaft hin.
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Zunächst bedanke ich mich für die Fristverlängerung und kann jetzt unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Baureferates, des Referates für Bildung und Sport sowie des Kommunalreferates die einzelnen Punkte Ihrer Anfrage wie folgt beantworten:
Da für die Landeshauptstadt München die Gesundheit der Nutzerinnen und Nutzer städtischer Gebäude – dies gilt in besonderem Maße für unsere Kinder in Kindertagesstätten und Schulen – oberste Priorität hat, werden seit den 1990er Jahren in allen städtischen Gebäuden umfangreiche Schadstoffuntersuchungsprogramme durchgeführt, mit dem Ziel, eine Unbedenklichkeit der Nutzung sicherzustellen.
Da es in Deutschland nach wie vor bis auf wenige Ausnahmen keine gesetzlichen Grenzwerte für Innenraumschadstoffe gibt, erfolgt die Beurteilung im Wesentlichen entsprechend den Richtwerten des Ausschusses für Innenraumrichtwerte beim Umweltbundesamt. Der Ausschuss besteht
aus Fachleuten der Innenraumlufthygienekommission (IRK) und Fachleuten der Arbeitsgruppe Innenraumluft des Umwelthygieneausschusses der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden.
Frage 1:
Welche Schadstoffe sind relevant und welche Auswirkungen haben sie?
Antwort:
Bei allen Neubauten und nach größeren Renovierungsmaßnahmen werden stets Messungen auf Formaldehyd und flüchtige organische Stoffe (VOC von Englisch volatile organic compounds) sowohl als Summenwert als auch für Einzel-VOCs, für die gesonderte Richtwerte eingeführt sind, durch entsprechend akkreditierte Ingenieurbüros durchgeführt.
Eine Nutzungsfreigabe durch das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) erfolgt nur, wenn die Messergebnisse nachvollziehbar die Einhaltung der Richtwerte belegen.
VOCs, die im Wesentlichen in Farben, Lacken, Klebstoffen und Fugendichtmassen enthalten sind, lassen sich sehr gut ablüften. Bei Formaldehyd ist immer die Qualität der eingesetzten Holzwerkstoffplatten von entscheidender Bedeutung. Daher fordert das Baureferat in seinen Ausschreibungen generell nur noch formaldehydfrei verleimte Holzwerkstoffe.
Je nach Gebäudealter und Bauweise können auch bei Bestandsbauten im Einzelfall sehr unterschiedliche Schadstoffe relevant sein.
In Gebäuden mit Betontafelbauweise aus den 1970er Jahren wurden, wie in Ihrer Anfrage erwähnt, z.B. polychlorierte Biphenyle (PCBs) in Fugendichtmassen eingesetzt. Diese Stoffe sind – wie auch Asbest – inzwischen verboten. Untersuchungen werden hier einzelfallbezogen veranlasst. Dies gilt auch beim Auftreten von Schimmel, insbesondere im Fall von Nässeschäden.
Die Auswirkungen der einzelnen Stoffe können je nach Art (z.B. gasförmige Stoffe, Fasern, Sporen) sehr unterschiedlich sein und können daher auch nicht pauschal abgehandelt werden. Bei Fragen zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen einzelner Innenraumschadstoffe können sich Betroffene immer an die umweltmedizinische Beratungsstelle des RGU wenden, die bei der Beratung gerne auf den jeweiligen Einzelfall eingeht.
Frage 2:
Wie klärt die Stadt über die Problematik auf?
Antwort:
Das RGU klärt insbesondere durch Gespräche vor Ort, Elterninfoabende, Broschüren und Flyer, aktuelle Presseinformationen in der Rathaus-Umschau sowie durch Darstellungen des Themas im Internet über die Proble-matik auf.
Hierbei wird auch stets auf die Wichtigkeit von Stoßlüften hingewiesen, dass insbesondere in Schulen nach jeder Unterrichtsstunde auch zur Reduzierung der Kohlendioxid-Konzentration von großer Bedeutung ist.
Bei Neubauten sowie bei Renovierungsmaßnahmen werden – wie in Ziffer 1 bereits erwähnt – immer durch das RGU Raumluftmessungen durch entsprechend akkreditierte Ingenieurbüros beauftragt.
Die vom RGU bewerteten Messergebnisse werden mit dem Nutzerreferat kommuniziert. Bei Schulen und Kitas stellt das RGU darüber hinaus die zusammenfassenden Messergebnisse im Internet ein, um hier für alle Beteiligten eine größtmögliche Transparenz zu schaffen.
Frage 3:
Welche Maßnahmen trifft die Stadt, um Giftstoffe zu vermeiden oder zu beseitigen
- bei Bau und Renovierung bzw. Sanierung von städtischen Gebäuden
- bei der Beschaffung von Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen
- und bei der Gebäudereinigung?[/italic]
Antwort:
Das Baureferat teilt dazu Folgendes mit:
„Bei Renovierung und Sanierung von städtischen Gebäuden werden im Vorfeld Schadstoffuntersuchungen von externen Sachverständigen durchgeführt und Schadstoffe bei evtl. Vorkommen entsprechend den einschlägigen Vorgaben aus Arbeits- und Gesundheitsschutz entsorgt.
Alle Baumaßnahmen an städtischen Gebäuden werden unter Einbeziehung der Planer von der Vorplanung bis zur Übergabe des Gebäudes an die Vermieterreferate anhand von Qualitätsvorgaben und Qualitätskontrollen auf der Grundlage von Gesetzen, Normen, Richtlinien durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Baureferates begleitet und überwacht. Bei Leistungsverzeichnissen werden in einem eigenen Abschnitt zur Materialökologie in den Vorbemerkungen die Qualitätsvorgaben beschrieben. Die Vorbemerkungen sind Teil des Angebotes und werden anschließend Vertragsbestandteil des Auftragnehmers. Alles passiert in enger Abstimmung mit dem RGU.
Sollten wider Erwarten Überschreitungen der Richtwerte bei der Freimessung festgestellt werden, wird der Ursache nachgegangen. Werden Schadstoffe festgestellt, werden diese beseitigt. Dies kann bis zum Aus- bzw. Rückbau von Baustoffen oder Bauteilen führen. Die Qualitätsvorgaben werden aus diesen Erkenntnissen heraus und bezüglich der ständigen Weiter-entwicklungen in der Bauindustrie laufend angepasst. Auch hier wird das weitere Vorgehen mit dem RGU abgestimmt.“
Das Referat für Bildung und Sport nimmt wie folgt Stellung:
„Bei der Beschaffung von Ersteinrichtungs- und Gebrauchsgegenständen achtet die Vergabestelle 1 darauf, schadstoffarme Produkte auszuschreiben. Entsprechende Festlegungen werden in den Ausschreibungen getroffen.“
Das Kommunalreferat teilt ergänzend mit:
„In der Gebäudereinigung ist eine Ausschlussliste von Inhaltsstoffen in Reinigungs-, Pflege- und Desinfektionsmitteln Vertragsbestandteil mit der jeweiligen Reinigungsfirma. Darüber hinaus ist die Anwendung metallvernetzter Dispersionen untersagt.
Grundreinigungen in Schulhäusern werden grundsätzlich in Ferienzeiten (vornehmlich in den Sommerferien) durchgeführt, um ein gründliches Ablüften flüchtiger organischer Stoffe (VOC) zu gewährleisten.
Liegt an einem Standort eine erhöhte Konzentration von PCB in der Raumluft vor, sind abweichend vom städtischen Standard folgende Maßnahmen in der Gebäudereinigung beauftragt und täglich auszuführen:
- Alle wasserfesten Bodenbeläge sind sehr feucht zu wischen,
- textile Beläge sind mit einem leistungsstarken Sauger, der über ein mehrstufiges Filtersystem verfügt, zu saugen,
- alle Fensterbretter, Heizkörper, Heizleitungsrohre und Einrichtungsgegenstände (z.B. Tische, Sitzmöbel, Schränke, Ablagebretter, Regale, Langbänke, Sprossenwände, usw.), auch über Sichthöhe, sind mit einem feuchten Tuch abzustauben, soweit die Flächen freigeräumt sind - Kreidestaub ist rückstandslos zu entfernen.“
Hinsichtlich der von Baureferat, Referat für Bildung und Sport sowie Kommunalreferat genannten Maßnahmen erfolgt eine kontinuierliche Abstimmung mit dem RGU.