Städtische Schulen in Bayern mit Vorbildcharakter Deutsche Gebärdensprache als Wahlpflichtfach an städtischen Schulen einführen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Gülseren Demirel, Jutta Koller, Sabine Krieger und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 3.11.2016
Antwort Stadtschulrätin Beatrix Zurek:
Die verspätete Beantwortung bitte ich zu entschuldigen.
Nach § 60 Abs. 9 S. 1 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Für die Entscheidung über die Einführung des Wahlpflichtfaches oder Wahlfaches „Deutsche Gebärdensprache“ an öffentlichen Schulen wäre aber das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst zuständig. Daher erfolgt die Beantwortung des Antrages auf diesem Weg.
Sie haben in Ihrem Antrag angeregt, die Deutsche Gebärdensprache als Wahlpflichtfach an den städtischen Schulen in München einzuführen. Die städtischen Schulen unterliegen der Gesetzgebung durch das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG), was zur Folge hat, dass die Stadt München als Sachaufwands- und Schulträgerin nicht die Befugnisse besitzt, neue Wahlpflichtfächer zu schaffen.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, teile ich Ihnen auf diesem Wege zu Ihrem Antrag Folgendes mit:
Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in der Bundesrepublik ist die aktive Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft in den Fokus gerückt. Der Antrag Nr. 2612 der Fraktion Die Grünen/Rosa Liste zielt auf eine bessere Einbindung von Menschen mit Hörbehinderung ab, indem die Sprachbarriere durch die Vermittlung der Deutschen Gebärdensprache an städtischen Schulen verringert werden soll.
In München leben nach der Behindertenstatistik des Zentrums Bayern Familie & Soziales 6.720 Menschen, die von Taubheit, zum Teil Taubheit kombiniert mit Störungen der Sprachentwicklung und entsprechenden Störungen der geistigen Entwicklung oder Schwerhörigkeit, auch kombiniert mit Gleichgewichtsstörungen betroffen sind (Stand: 31.12.2015). Der Blick alleine auf die Menschen mit einer Hörbehinderung in München ist zu kurzangesetzt, da die Vermittlung einer Sprache an sich wertvolle Fertigkeiten vermittelt und über die Münchner Grenzen hinaus eingesetzt werden kann.
Gemäß Art. 2 Abs. 2 BayEUG, ist in Bayern inklusiver Unterricht Aufgabe aller Schulen. Aus der Sicht des Referats für Bildung und Sport ermöglicht eine inklusive Pädagogik ein gemeinsames Leben und Lernen aller Kinder, unabhängig von ihren körperlichen, geistigen und psychischen Bedingungen sowie der ökonomischen, geschlechtlichen, religiösen und ethnisch-kulturellen Ausgangslage. Inklusion ist ein wichtiger Bestandteil der Schulentwicklung, und der Unterricht in Deutscher Gebärdensprache dient der besseren Verständigung zwischen Hörenden und Gebärdenden.
Die rechtliche Situation der städtischen Schulen in München ist jedoch nicht mit der im Antrag angesprochenen Situation in Hamburg zu vergleichen. In der Doppelfunktion als Freie Hansestadt und Bundesland konnte Hamburg im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz ein entsprechen-
des Wahlpflichtfach einführen.
In Hamburg werden im Zuge der Umsetzung der Inklusion bestimmte
Schulen als sogenannte Schwerpunktschulen bezeichnet. Die Schulen bieten besondere Angebote für Schülerinnen und Schüler, die einen Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, Autismus, Sehen oder Hören haben. Insofern sind sie mit den Förderzentren in Bayern zu vergleichen.
Die Regelung in Hamburg sieht vor, dass Schwerpunktschulen, die Kinder mit dem Förderschwerpunkt Hören unterrichten, die Einführung des Wahlpflichtfaches Deutsche Gebärdensprache beantragen können.
Der Unterricht in Deutscher Gebärdensprache soll nach den Willen der Antragssteller an den städtischen Schulen in Wahlpflichtfächern bzw. Wahlfächern erfolgen; der Antragstext unterscheidet nicht zwischen den beiden Möglichkeiten.
Rechtlich ist zwischen Wahlpflichtfächern und Wahlfächern zu unterscheiden. Das Angebot an Unterrichtsfächern (Pflichtfächer, Wahlpflichtfächer) an den öffentlichen Schulen in Bayern wird durch das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Art. 50 BayEUG) und durch ergänzende Rechtsverordnungen (z. B. Schulordnung für Gymnasien – § 16 Abs. 4 GSO, Schulordnung für Realschulen – § 14 Abs. 2 RSO, Schulordnung für Berufliche Schulen – § 8 ff BSO) seitens des für Bildung und Kultus zuständigen Staatsministeriums in Stundentafeln festgelegt.Die Landeshauptstadt München ist als Trägerin öffentlicher Schulen an die gesetzlichen Vorgaben gebunden, sie hat keine Befugnisse, andere als in den Schulordnungen für die einzelnen Schularten in Bayern festgelegten Unterrichtsfächer anzubieten. Grundsätzlich ist eine Einführung der Deutschen Gebärdensprache als Wahlpflichtfach an den Schulen aber möglich, wenn das Staatsministerium der Ausweitung der Stundentafeln zustimmt.
Die Einführung als Wahlpflichtfach an Berufsschulen ist nicht zielführend, da der Unterricht gezielt auf die berufliche Laufbahn vorbereiten sollen und aufgrund der Unterrichtsstrukturen im Dualen System eine Sprachenvermittlung nicht nachhaltig genug erfolgen kann. Dagegen könnte an den Realschulen, Gymnasien, Schulen der besonderen Art, den Wirtschaftsschulen, den Fachakademien und den Fach- und Berufsoberschulen die Deutsche Gebärdensprache grundsätzlich als Wahlpflichtfach angeboten werden.
Die Wahlpflichtfächer der Wirtschaftsschule (Übungsfirmenarbeit, Bürokommunikation) sollen gezielt auf eine kaufmännische Ausbildung vorbereiten, damit ist eine Ausweitung der Stundentafeln an dieser Schulart unwahrscheinlich.
An den Gymnasien und den Fach- und Berufsoberschulen muss das Wahlpflichtfach Gebärdensprache mit Sprachangeboten wie Spanisch, Französisch oder Latein konkurrieren, welche allesamt zur allgemeinen Hochschulreife verhelfen, da eben nur eine Entscheidungsmöglichkeit zwischen zwei verpflichtenden Fächern besteht. An den Realschulen wäre das Angebot in die bestehenden Wahlpflichtfachgruppen zu integrieren.
Das Angebot eines Wahlpflichtfachs Gebärdensprache an Fachakademien ist in Abstimmung mit dem Ministerium für Bildung und Kultus ebenfalls möglich.
Die Entscheidung über ein Wahlfachangebot liegt im Gegensatz zu Wahlpflichtfächern in der Zuständigkeit der jeweiligen Schulleitung und unterliegt je nach Schulordnung unterschiedlichen Voraussetzungen. Sie müssen aber ebenfalls Bestandteil der durch das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst festgelegten Stundentafeln sein.
Der Wahlunterricht ist aus dem der Schule zur Verfügung gestellten Budget unter Berücksichtigung der Personalsituation und in Anlehnung an dasjeweilige Schulprofil zu bilden. Für die Schülerinnen und Schüler besteht keine Verpflichtung zur Teilnahme am Wahlunterricht.
Unabhängig, ob Gebärdensprache als Wahlpflichtfach oder als Wahlfach eingeführt werden soll, sind für die Einführung die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Derzeit stehen nicht genügend städtische Lehrkräfte zur Verfügung, die über eine entsprechende Qualifizierung verfügen, damit flächendeckend an städtischen Schulen ein entsprechendes Wahlfachangebot bereitgestellt werden kann. Der Einsatz von Lehrkräften bestehender privater oder vergleichbarer Anbieter ist nur möglich, wenn diese die Voraussetzungen der Lehramtsbefähigung erfüllen.
Das Referat für Bildung und Sport wird sich jedoch bemühen, die deutsche Gebärdensprache in Form eines Pilotprojektes an einer städtischen Schule anzubieten, soweit die Zustimmung durch die zuständigen Stellen (Ministerialbeauftragten bzw. Regierung von Oberbayern) vorliegt und die personellen Voraussetzungen erfüllbar sind.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.