Auswirkungen geplanter Straßenbaumaßnahmen auf den ÖPNV und Staus im Münchner Nordosten – neue Staus statt Lösungen?
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Rathaus Umschau 11 / 2018, veröffentlicht am 16.01.2018
Auswirkungen geplanter Straßenbaumaßnahmen auf den ÖPNV und Staus im Münchner Nordosten – neue Staus statt Lösungen?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Anna Hanusch und Sabine Nallinger (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 14.9.2017
Antwort Referat für Stadtplanung und Bauordnung:
Mit Schreiben vom 14.9.2017 haben Sie gemäß § 68 GeschO o.g. Anfrage an Herrn Oberbürgermeister Reiter gestellt. Ihre Anfrage wurde dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung zur federführenden Beantwortung zugeleitet.
Mit Schreiben vom 9.10.2017 hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung um Fristverlängerung gebeten.
In Ihrer Anfrage führten Sie aus:
„In den kommenden Jahren stehen mehrere größere Straßenbauvorhaben an, die verkehrlich im Zusammenhang stehen. Der Ausbau des Föhringer Rings, der geplante Tunnel am Isarring und die Sanierung des Altstadttunnels werden sich möglicherweise zeitlich überschneiden und damit zu erheblichen Problemen beim MIV und ÖPNV führen. Erfahrungsgemäß führen Ausbaumaßnahmen im Straßenverkehrsnetz zu Überlastungserscheinungen im vor- und nachgelagerten Netz.“
Zu den Fragen 1 bis 9 nimmt das Referat für Stadtplanung und Bauordnung in Abstimmung mit dem Baureferat und dem Kreisverwaltungsreferat wie folgt Stellung:
Zu allen drei Projekten liegen aktuelle Beschlüsse des Stadtrates vor: Beim Föhringer Ring handelt es sich um eine Staatsstraße. Die Baulast liegt beim Freistaat Bayern, der in eigener Zuständigkeit die weitere Planung, Ausschreibung, Vergabe und Bauabwicklung durchführt, wie in dem Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung zur Finanzierung vom 19.7.2017, bestätigt von der Vollversammlung am 26.7.2017 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 09365), ausgeführt.
Für den geplanten Tunnel am Isarring verweisen wir auf den Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates zum Handlungsprogramm Mittlerer Ring – Tunnel Englischer Garten – vom 28.6.2017, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 07395. Mit diesem Beschluss wurde die Bedarfs- und Konzeptgenehmigung für die Tunnelbaumaßnahme erteilt und das Baureferat damit beauftragt, die Vor-, Entwurfs- und Genehmigungsplanung sowie das Planfeststellungsverfahren für die Tunnelbaumaßnahme am Isarring im Englischen Garten für die Vorzugsvariante 1 (mittellange Variante, Tunnellänge 390 m) durchzuführen.
Die Projektgenehmigung für die Sanierung des Altstadtringtunnels erfolgte in der Vollversammlung des Stadtrates am 15.3.2017 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 06080).
Vorgesehen sind die sicherheitstechnische Tunnelnachrüstung sowie ein Straßenumbau im Bereich Oskar-von-Miller-Ring/Von-der-Tann-Straße.
Frage 1:
In welchem Zeitfenster werden die oben aufgeführten drei Projekte umgesetzt und welche zeitlichen Überschneidungen sind zu erwarten?
Antwort:
Der in den jeweiligen o.g. Beschlüssen angegebene zeitliche Ablauf gilt unverändert.
Frage 2:
Ist für die jeweiligen Projekte eine (zeitweise) Vollsperrung angedacht, um Baukosten und -zeiten erheblich reduzieren zu können?
Antwort:
Detaillierte Aussagen über die Ausführungen in den Beschlüssen hinaus sind derzeit nicht möglich. Sie müssen erst im Rahmen der weiteren Projektplanung erarbeitet werden.
Frage 3:
Welche Buslinien sind jeweils betroffen und welche Verkehrsführung der betroffenen Buslinien ist während der Bauzeit geplant?
Antwort:
Die Betroffenheit von Buslinien fällt in die Zuständigkeit der MVG. Die konkreten Betroffenheiten ergeben sich erst aus den weiteren Projektplanungen.
Frage 4:
Wie soll der MIV bei den jeweiligen Projekten abgewickelt werden? Bitte präzise Angaben bei Gleichzeitigkeit dieser 3 Bauprojekte.
Antwort:
Die Verkehrsführungen während der jeweiligen Bauzeit werden im Rahmen des Projektfortschrittes vom Kreisverwaltungsreferat mit dem Freistaat Bayern bzw. dem Baureferat entwickelt. Aussagen sind noch nicht möglich.
Frage 5:
Welche Auswirkungen sind ggf. auf das U-Bahnnetz, insbesondere U3 und U6 Nord zu erwarten?
Antwort:
Auswirkungen auf die Fahrgastnachfrage auf den U-Bahnlinien während der Bauzeit von Straßenbaumaßnahmen werden nicht durch Berechnungen mit dem Verkehrsmodell quantifiziert. Bei den drei genannten Straßenbaumaßnahmen ist mit eher geringen Auswirkungen auf die Fahrgastnachfrage auf den U-Bahnlinien zu rechnen.
Frage 6:
Die Erfahrung zeigt: Wer Straßen sät, wird (Auto)Verkehr ernten. Gibt es bereits Prognosen darüber, wohin sich der Stau nach der jeweiligen Fertigstellung verlagern wird? Wie wird sich vor allem der Verkehrsstau am heute bereits stark belasteten Effnerplatz voraussichtlich entwickeln?
Antwort:
Grundsätzlich verfolgen alle drei angesprochenen Maßnahmen u.a. das Ziel, die Verkehrsverhältnisse zu verbessern, das im Verkehrsentwicklungsplan der Landeshauptstadt München ausgewiesene Hauptverkehrsstraßennetz zu stärken und empfindliche (Wohn-) Bereiche von Kfz-Verkehr zu entlasten. Die beiden Maßnahmen am Altstadtring und am Isarring liegen in der Straßenbaulast der Landeshauptstadt München, der Föhringer Ring (St 2088) in der Straßenbaulast des Freistaates Bayern. Die wesentlichen langfristigen verkehrlichen Effekte der drei Maßnahmen hinsichtlich des Verkehrsflusses, die jeweils in Verkehrsuntersuchungen nachgewiesen wurden, werden im Folgenden kurz erläutert.
1. Altstadtringtunnel
Der im Zusammenhang mit der sicherheitstechnischen Nachrüstung des Altstadtringtunnels geplante Straßenumbau an Oskar-von-Miller-Ring und Von-der-Tann-Straße schafft u.a. eine neue Auffahrmöglichkeit auf den Altstadtring Richtung Süden am Knoten Oskar-von-Miller-Ring/Gabelsbergerstraße. Dadurch kann der heute über den Odeonsplatz und die Brienner Straße verlaufende Verkehr zwischen Ludwigstraße und Platz der Opfer des Nationalsozialismus zukünftig über den Altstadtring geführt werden.Es wird eine deutliche Verkehrsentlastung des Odeonsplatzes und der inneren Briennerstraße erzielt und die Hauptradroute durch die Briennerstraße kann verbessert werden. Nach Abschluss der Baumaßnahme sind keine durch die Maßnahme ausgelösten Beeinträchtigungen des Verkehrsflusses zu erwarten.
2. Tunnel am Isarring
Die geplante Tunnelbaumaßnahme am Isarring im Bereich des Englischen Gartens sieht die endgültige Realisierung von zusätzlichen Verflechtungsspuren zwischen Dietlindenstraße und Ifflandstraße in beiden Fahrtrichtungen vor. Nach den Ergebnissen der für die Maßnahme durchgeführten Verkehrsuntersuchung reduziert sich dadurch in der Dietlindenstraße die maximale Staulänge in der maßgeblichen Abendspitzenstunde von ca. 1.000 m im Prognosenullfall 2030 auf ca. 300 m (-70 %) im Prognoseplanfall. In Fahrtrichtung Osten erhöht sich durch die Einfädelspur die Kapazität des Isarrings um jeweils ca. 300 Kfz/h (ca. +8 %) in den Spitzenstunden. Dies stellt eine spürbare Verbesserung der Verkehrsqualität als Voraussetzung zur Aufrechterhaltung der Hauptbündelungsfunktion des Mittleren Rings und seiner Zufahrt über die Dietlindenstraße in Fahrtrichtung Osten dar. Der Effnerplatz stellt im Umgriff der Maßnahme den leistungskritischsten Knotenpunkt dar. Die Kapazitätsgrenze wird erreicht. Die übrigen lichtsignalgesteuerten Knotenpunkte im Umgriff sind unkritisch und können auch mit den höheren Prognosebelastungen leistungsfähig abgewickelt werden. In der Verkehrsuntersuchung zum Isarring wurde der Ausbau des Föhringer Rings bereits unterstellt.
3. Ausbau des Föhringer Rings
Mit dem geplanten Ausbau des Föhringer Rings soll eine leistungsfähige Abwicklung der hohen bestehenden und prognostizierten Kfz-Verkehrsmenge gewährleistet werden. Dadurch sollen auch die Fahrzeiten der auf dem Föhringer Ring verkehrenden Buslinien deutlich reduziert werden. Im westlichen Anschlussbereich an die A9 bzw. den Frankfurter Ring wird durch Spursubtraktion bzw. -addition ein störungsfreierer Verkehrsablauf erreicht. Die Rampen des höhenfreien Anschlusses der St 2053 (Münchner Straße) erhalten Verzögerungs- und Beschleunigungsspuren, so dass die Ein- und Ausfahrvorgänge erleichtert werden sowie die Verkehrssicherheit erhöht wird. Zwischen dem Anschluss der St 2053 und der Kreisstraße M3 werden durch die Zusammenbindung der Beschleunigungs- und Verzögerungsspuren zu durchgehenden Randfahrstreifen die Verflechtungen erleichtert und damit ein stetiger und sicherer Verkehrsablauf begünstigt.
Frage 7:
Gibt es bereits Überlegungen, mit welchen Maßnahmen zusätzliche Überlastungen im Straßennetz bzw. Staus verhindert werden können oder wartet man ab, was passiert?
Antwort:
Das Hauptstraßennetz der Landeshauptstadt München ist aus Platz- und Kostengründen nur noch in sehr begrenztem Umfang in seiner Kapazität erweiterbar. Daher müssen Lösungsansätze verfolgt werden, die alle Arten von Verkehrsmitteln in Betracht ziehen, um die Mobilität aller Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft zu jeder Tageszeit in ausreichendem Maße sicherzustellen. Das bedeutet, dass aufgrund der stetig steigenden Verkehrsnachfrage solche Verkehrsmittel oberste Priorität erhalten müssen, die die höchste Leistungsfähigkeit bei vergleichsweise geringstem Platzverbrauch und niedrigsten Investitionskosten je Person aufweisen. Dies gebietet nicht nur der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, sondern ist auch der Erhaltung eines attraktiven und als lebenswert empfundenen Stadtbildes geschuldet. Deshalb wurde die Zielsetzung, dass alle Maßnahmen höchste Priorität haben, die den weiteren Anstieg des Motorisierten Individualverkehrs auf das notwendige Maß begrenzen sowie zur Verkehrsminderung und zur Verlagerung auf umweltgerechte Verkehrsmittel beitragen, mit dem Verkehrsentwicklungsplan 2006 durch den Stadtrat beschlossen.
Zu einer wesentlichen Entlastung der stark nachgefragten beiden, nördlich der Prinzregentenstraße einzigen, Ost-West-Tangentialstraßen Mittlerer Ring und Föhringer Ring würde ein Ausbau der ÖPNV-Tangentialverbindungen wie dem DB-Nordring, der Tram Nord sowie der Tramnordtangente durch den Englischen Garten führen.
Frage 8:
Gibt es innerhalb der Stadtverwaltung (Planungsreferat und KVR) bereits konkrete Überlegungen über ein gezieltes Staumanagement, das den Stau dorthin verlagert, wo er weniger Schaden anrichtet (z.B. in anbaufreie Straßen), und insbesondere den ÖPNV möglichst wenig beeinträchtigt?
Antwort:
Um Verkehr steuern und lenken zu können, sind Potenziale vonnöten, dem Verkehr bei Bedarf alternative Routen anbieten zu können. Während der Hauptverkehrszeiten sieht die Verwaltung im vorhandenen Verkehrsraum aktuell keine Spielräume mehr, um steuernd nachhaltig positiv auf das Verkehrsgeschehen einwirken zu können.Dem Bereich Verkehrssteuerung steht derzeit außer einer Übersicht über Tagesbelastungszahlen im Hauptverkehrsnetz keinerlei systematischer und zusammenhängender Überblick über neuralgische Verkehrsknoten – insbesondere deren Schwachstellen, zeitlich und mengenmäßig – zur Verfügung. Deshalb wird aktuell über eine umfassende Untersuchung zur stadtverträglichen Verkehrsmenge („wie viel Verkehr verträgt die Stadt“) nachgedacht, um auf dieser Grundlage entsprechende Maßnahmen entwickeln zu können.
Frage 9:
Wann gedenkt die LHM Konzepte zu entwickeln, die den Ausbau des ÖPNV, des Radverkehrs sowie höhere Parkgebühren und eine City-Maut berücksichtigen, ganz im Sinne des vom Stadtrat beschlossenen Bürgerbegehrens „sauba sog i“?
Antwort:
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die derzeit laufenden Arbeiten an gesamtstädtischen Verkehrskonzeptionen gegeben:
Der aktuell gültige Verkehrsentwicklungsplan (VEP) aus dem Jahr 2006, der die Ziele der Verkehrsentwicklungsplanung sowie Handlungs- und Maßnahmenkonzepte festlegt, muss angesichts des prognostizierten starken Bevölkerungs- und Arbeitsplatzwachstums und der damit einhergehenden erhöhten Anforderungen an die Stadt- und Verkehrsplanung sowie den Klimaschutz- und Luftreinhaltezielen angepasst werden. Daher wird derzeit ein Beschluss vorbereitet, mit dem der Prozess zur Fortschreibung des VEP neu aufgenommen werden soll. In dem Stadtratshearing „Mobilität“ am 7.2.2018 soll gemeinsam mit dem Stadtrat festgelegt werden, welche weiteren Schritte notwendig sind und welche Schritte Priorität haben, um die aufgrund der steigenden Einwohnerzahlen stetig steigende Verkehrsnachfrage leistungsfähig, stadt- und umweltverträglich abwickeln zu können.
Im Bereich ÖPNV wird derzeit vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Teil I „Qualitätsstandards“ des Nahverkehrsplans der Landeshauptstadt München fortgeschrieben. Die Ergebnisse sollen 2018 dem Stadtrat vorgestellt werden. Darauf aufbauend wird im Teil II „Infrastruktur“ der Infrastrukturbedarf zur Einhaltung der Qualitätsstandards bewertet und priorisiert.
Zur strategischen Radverkehrsplanung wurden die beiden Grundsatzbeschlüsse „Grundsatzbeschluss zur Förderung des Radverkehrs in München – Fortschreibung und Radverkehrsbericht 2017“ und „Gesamtkonzeption Fahrradparken in München – Fortschreibung und Erweiterung des Stell-platzkonzeptes“ erarbeitet, die am 31.1.2018 bzw. im 1. Halbjahr 2018 in den Stadtrat eingebracht werden sollen.
Am 13.12.2017 wurde der Beschluss „Parkraummanagement in München – Fortschreibung Sektor V“ in den Stadtrat eingebracht, mit dem u.a. auch eine Weiterentwicklung der Parkgebühren – zunächst in einem Testbetrieb – beschlossen wurde.