Nur politisch korrekte Literatur für die Bibliotheken – Beschafft wird, was genehm ist?
Anfrage Stadträte Fritz Schmude und Andre Wächter (Liberal-Konservative Reformer) vom 25.4.2018
Antwort Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers:
Auf Ihre Anfrage vom 25.4.2018 nehme ich Bezug.
Sie haben Ihrer Anfrage folgenden Text vorausgeschickt:
„Münchner Bürger haben sich an uns gewandt und berichtet, dass sie in der Stadtbibliothek gerne Publikationen wie ‚Der Selbstmord Europas‘ oder die Wochenzeitschrift ‚Tichys Einblick‘ vorgefunden hätten. Dies wäre auch der Bibliothek so kommuniziert worden. Die Anschaffung wurde in allen Fällen mit der Begründung abgelehnt, dass ‚schon genügend konservative Literatur vorhanden wäre‘.
Der Historiker und Journalist Douglas Murray, Mitherausgeber des ‚Spectator‘, hat mit ‚Der Selbstmord Europas‘ einen Bestseller darüber geschrieben, wie Europa freiwillig in eine Katastrophe taumelt. Das Buch führte wochenlang die angelsächsischen Hitlisten an und ist zwischenzeitlich in deutscher Sprache im Münchner FinanzBuch-Verlag erschienen. Natürlich kann es keinen Anspruch darauf geben, dass jeder Lesewunsch erfüllt wird, allerdings sollte eine Bibliothek mit der Größe des Münchner Hauses ein breites Spektrum an verfügbarer Literatur bieten. Eine politische Korrektheitsprüfung ist sicher nicht die Aufgabe der Münchner Stadtbibliothek.“
Ihre Anfrage vom 25.4.2018 beantworte ich wie folgt:
Frage 1:
Wer entscheidet, welche Bücher bei der Stadtbibliothek beschafft werden?
Antwort:
Bei der Münchner Stadtbibliothek sind 13 Lektorinnen und Lektoren mit bibliothekarischer Fachausbildung für die Medienauswahl zuständig. Sie sichten und beurteilen für den jeweiligen Fachbereich Neuerscheinungen des Medienmarktes und entscheiden im Rahmen des zur Verfügung stehenden Etats über die Anschaffung bzw. Nichtanschaffung.
Frage 2:
Nach welchen Kriterien werden Publikationen mit politischem Hintergrund bei der Stadtbibliothek beschafft und gibt es Verlage, von denen generell nichts bezogen wird?
Antwort:
Wie in allen Bereichen wird auch beim Themenbereich Politik ausschließlich nach der für die Münchner Stadtbibliothek einheitlich definierten Bestandsausrichtung und hier insbesondere nach rein qualitativen Kriterien entschieden.
Der in der Vorrede beispielhaft genannte Titel von Douglas Murray „Der Selbstmord Europas“ wurde vom herausgebenden FinanzBuch-Verlag selbst so angekündigt: „Douglas Murray, gefeierter Autor, sieht in seinem neuen Bestseller Europa gar an der Schwelle zum Freitod – zumindest scheinen sich seine politischen Führer für den Selbstmord entschieden zu haben“.
Die britische Zeitung The Guardian bescheinigt diesem Titel in einer Rezension „gentrifizierte Fremdenfeindlichkeit“. Nach Bewertung des zuständigen Fachlektors für Geschichte und Politik bietet dieses Buch somit keine sachliche Analyse einer komplexen politischen Entwicklung, sondern befördert absichtlich nur Ressentiments.
Die Münchner Stadtbibliothek verzichtet daher bewusst auf die Anschaffung dieses Titels.
Da die Münchner Stadtbibliothek stets individuelle, titelbezogene Kaufentscheidungen trifft, werden Titel bestimmter Verlage in keinem Fall pauschal von der Anschaffung ausgeschlossen. So können im Online-Katalog der Münchner Stadtbibliothek derzeit beispielsweise 398 Titel des genannten FinanzBuch-Verlags gefunden werden.
Frage 3:
Welche Magazine, denen man politische Inhalte unterstellen könnte, hat die Stadtbibliothek zum 1.3.2018 abonniert?
Antwort:
Derzeit führt die Münchner Stadtbibliothek 564 verschiedene Publikumszeitschriften. Eine Auflistung aller Titel würde den Rahmen dieser Anfrage sprengen. Auch eine Auswertung, welche dieser Titel politische Inhalte transportieren, ist aus Sicht der Münchner Stadtbibliothek nicht möglich, da sich Politik in alle Lebensbereiche auswirkt und es unter diesem Blickwinkel keine „unpolitischen“ Zeitschriften geben kann.