Wie stand es um die Versorgungssituation schwangerer Frauen in München im vergangen Jahr 2017?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Lydia Dietrich, Anna Hanusch, Jutta Koller und Thomas Niederbühl (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 23.3.2018
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Die schwierige Versorgungslage von schwangeren Frauen in München ist bekannt. Es ist nicht einfach eine Hebamme zu finden, und bei der Geburt selber ist ein Entbindungsplatz auch nicht sofort garantiert. Im Jahr 2014 waren es ca. 800 Frauen, deren Anmeldung die Klinik während der Schwangerschaft nicht annehmen konnte oder die sie kurz vor der Geburt bzw. nach Wehenbeginn an eine andere Klinik verweisen musste. Im Jahr 2015 kann diese Anzahl an sogenannten geordneten Verlegungen gestiegen sein – so die Antwort auf unsere Anfrage im Februar vergangenen Jahres.
Konkrete Zahlen gab es nur für das Städtische Klinikum: Allein im Klinikum Schwabing wurden 2016 60 – 70 Frauen mit Frühgeburtsrisiko noch vor der Anmeldung an eine andere Klinik vermittelt, in Harlaching waren es 142 verlegte oder abgelehnte Frauen. Es ist anzunehmen, dass diese Unterversorgung durch die Entwicklungen in letzter Zeit nicht besser geworden ist. Zum einen haben im Münchner Umland seit 2014 verschiedene Kreißsäle geschlossen (Kreißsäle Weilheim, Gräfelfing, Bad Aibling, Bad Tölz, Schrobenhausen). Zum anderen sind jedoch die Geburtenzahlen insgesamt stark gestiegen. Zusätzlich wird die Situation dadurch verschärft, dass freiberufliche Hebammen nur noch zwei Frauen gleichzeitig unter der Geburt betreuen dürfen. Das bedeutet für München, dass die Kreißsäle Geisenhoferklinik, Klinikum Dritter Orden und Taxisstrasse Spitzenzeiten mit vielen Geburten weniger gut abpuffern können.
Wir befürchten deshalb, dass die Unterversorgung von schwangeren Frauen in jüngster Zeit Fahrt aufgenommen hat.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Stadtkämmerei und der Städtischen Klinikum München GmbH (StKM) wie folgt:
Frage 1:
Wie viele Frauen wurden im Jahr 2017 am städtischen Klinikum weitervermittelt, verlegt oder abgewiesen?
a) Vor der Anmeldung zur Geburt?
b) Während oder in den Wehen?
c) Nach der Geburt?
Antwort:
Die StKM verfügt über geburtshilfliche Abteilungen im Klinikum Schwabing, im Klinikum Harlaching und im Klinikum Neuperlach. Laut Angaben der StKM konnte das Städtische Klinikum Schwabing 2.440, das Städtische Klinikum Harlaching 2.503 und das Städtische Klinikum Neuperlach 1.279 Geburten im Jahr 2017 verzeichnen.
Vor Anmeldung zur Geburt kam es laut StKM zu keinen Abweisungen. Während oder in den Wehen stellt sich die Situation nach dessen Angabe wie folgt dar: „Im Klinikum Schwabing konnten 2017 insgesamt 6,6% der Frauen nicht entbunden werden. Im Klinikum Harlaching waren es 2017 5,1%. Das Klinikum Neuperlach hat keine Neonatologie und betreut deshalb nur reife Neugeborene. In 2017 wurden im Klinikum Neuperlach keine Termingeburten abgelehnt.
Nach der Geburt ist eine Verlegung sehr selten. Nur in Ausnahmefällen z. B. bei Frühgeburten und fehlenden Kapazitäten in der Neonatologie kommt dies vor. Falls Kinder verlegt werden, werden die Frauen entweder frühzeitig entlassen oder in die Frauenklinik des Standortes der aufnehmenden Kinderklinik verlegt.
Frage 2:
Waren darunter auch Frauen, die verwaltungstechnisch „im gleichen Haus“ entbunden, jedoch innerhalb des Klinikums (z.B. von Großhadern in die Maistraße oder von Schwabing nach Harlaching) verlegt wurden? Wenn ja, werden diese Frauen zu den abgewiesenen Frauen gerechnet?
Antwort:
StKM: „Frauen, die weiter vermittelt, verlegt oder abgewiesen werden, werden primär innerhalb des Klinikverbundes weitervermittelt. Wenn dies aufgrund von Kapazitäten nicht möglich ist, werden in der Regel umliegende Kliniken in München gewählt, die Entbindungen durchführen. Eine valide Dokumentation, wo die Frauen letztlich entbunden haben, wird nicht durchgeführt, da nicht immer bekannt ist, in welche Klinik sich die Frau begibt bzw. wo sie aufgenommen wird.“
Frage 3:
Gibt es Angaben, z.B. durch die AG Geburtshilfe, wie die Situation im Jahr 2017 an anderen Kliniken war? Wie viele Frauen wurden hier weitervermittelt, verlegt oder abgewiesen?
a) vor der Anmeldung zur Geburt?
b) während oder in den Wehen?
c) nach der Geburt?
Antwort:
Dem RGU liegen derzeit nur Daten für das Universitätsklinikum München Großhadern vor.
Nach Kenntnis des RGU konnten im Jahr 2017 insgesamt 1.713 Frauen entbunden werden.
Das Klinikum führt aus, dass vor der Anmeldung zur Geburt 204 Frauen vor der Anmeldung zur Geburt vermittelt, verlegt oder abgewiesen wurden. Auf Grund von personellen Kapazitätsengpässen in der Geburtshilfe und der Neonatologie mussten in beiden Abteilungen jeweils 51 Frauen während oder in den Wehen im Jahr 2017 abgewiesen werden. Die Anzahl an Verlegungen von Frauen nach der Geburt sei sehr selten gewesen. Im Jahr 2017 waren nicht mehr als fünf Frauen davon betroffen.
Insgesamt ist die geburtshilfliche Versorgung bei Entbindungen zum Termin, trotz Zunahme der Geburten, in München immer gewährleistet, wenn auch unter Umständen nicht in der geplanten Wunschklinik. Eine Auswertung des IVENA-Systems ergab für den Zeitraum von Januar 2016 bis Juni 2017, dass es für regelhafte Entbindungen, also für Schwangerschaften ab der 36. Woche, zu keiner Zeit zur Abmeldung aller geburtshilflichen Einrichtungen gleichzeitig kam1.
Grundsätzlich gilt, dass Spontangeburten nicht planbar sind. Oftmals weicht der tatsächliche Geburtstermin von dem errechneten Termin für die Entbindung ab. In der Konsequenz müssen die geburtshilflichen Abteilungen an den Münchner Kliniken immer wieder mit unerwarteten personellen und räumlichen Versorgungsengpässen rechnen. Darüber hinaus können Risikoschwangerschaften und Bedingungen während oder nach der Geburt, die ein erhöhtes Risiko für Mutter und/oder Kind darstellen, ein Grund dafür sein, dass Frauen nicht in der Klinik ihrer Wahl entbinden können, sondern in Kliniken, beispielsweise mit einer neonatologischen Abteilung, verlegt werden müssen.
Das RGU führt aktuell eine Studie zur Versorgungssituation in der Geburtshilfe in München durch, um die derzeitige Situation zu erfassen und umPrognosen für eine angemessene Versorgung in den geburtshilflichen Einrichtungen der Landeshauptstadt München geben zu können. Dem Stadtrat soll voraussichtlich Ende 2018 über die Studie berichtet werden.
Frage 4:
Wie gestaltete sich die Situation beim Geburtshaus München? Wie viele Frauen wurden in der Schwangerschaft oder nach Wehenbeginn aus Kapazitätsgründen abgewiesen?
Wenn Frauen abgewiesen wurden, für welchen Geburtsort entschieden sich die abgewiesenen Frauen?
Antwort:
Laut Auskunft des Geburtshauses München wurden im Jahr 2017 insgesamt 294 Geburten verzeichnet. Den Angaben des Geburtshauses zufolge kann dieses pro Monat 30 Frauen eine Entbindung ermöglichen. Anfragen von Frauen, die darüber hinaus beim Geburtshaus eingehen, werden vorerst in eine Warteliste eingetragen bzw. müssen aus personellen Kapazitätsgründen abgewiesen werden. Im Zeitraum zwischen Januar und Dezember 2017 sind insgesamt 109 Frauen auf der Warteliste gestanden. Im Nachrückverfahren konnte 19 dieser Frauen eine Entbindung im Geburtshaus ermöglicht werden.
Laut Angaben des Geburtshauses München war die Nachfrage in den Kalendermonaten Mai und August am größten. Das Geburtshaus verzeichnet jedoch auch Monate, in denen das Kontingent von 30 Geburten nicht vollständig ausgeschöpft werden kann.
Auf Grund der vorherigen Anmeldung werden keine Frauen nach Wehenbeginn abgelehnt, außer es ist eine Frühgeburt zu erwarten oder es sind Komplikationen absehbar.
Dem Geburtshaus liegen keine Angaben vor, wohin sich Frauen, die von ihnen abgewiesen worden sind, wenden.
zu1: In dieser Analyse wurden die sogenannten IVENA Daten für den Zeitraum von Januar 2016 bis Juni 2017 ausgewertet. IVENA steht für den webbasierten Interdisziplinären Versorgungsnachweis IVENA eHealth(www.ivena.de/page.php?k1=main&k2=ueber), der eine Anwendung ist, mit der sich die Träger der präklinischen und klinischen Patientenversorgung jederzeit in Echtzeit über die aktuellen Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten der Krankenhäuser informieren können. Krankenhausplan des Freistaates Bayern (Stand 1. Januar 2016, 41. Fortschreibung)