Sind eine Fruchtfliege und eine Küchenmotte die einzigen Gründe um einen Caterer fristlos zu kündigen?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Jutta Koller, Sabine Krieger und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 11.4.2018
Antwort Stadtschulrätin Beatrix Zurek:
Auf Ihre Anfrage vom 11.4.2018 nehme ich Bezug.
In Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt: „In der Süddeutschen Zeitung vom 9.4.2018 war zu lesen, dass das Referat für Bildung und Sport dem Caterer Bio-Kontor 7 mit sofortiger Wirkung gekündigt hat. Grund dafür sollen zwei Vorfälle gewesen sein, in welchen Kinder in ihrem Essen eine Fruchtfliege bzw. eine Küchenmotte gefunden haben. Laut eines Schreibens des Referats an die Eltern stehe ‚das Wohl der Kinder an oberster Stelle, deshalb können derartige Vorfälle nicht hin- genommen werden.‘
Der Caterer kündigte an, dass er nun die Hälfte seiner Belegschaft entlassen muss, da der städtische Auftrag einen Großteil seines Auftragsvolumens ausgemacht hat. Gleichzeitig wurden (wieder einmal) Stimmen laut, welche bemängelten, dass die hohen städtischen Standards nur sehr schwer mit den gezahlten Preisen und den sonstigen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen sind. Die bisher von Bio-Kontor 7 belieferten Einrichtungen sollen nun übergangsweise von einem anderen Anbieter beliefert werden bis eine neue Ausschreibung im Jahr 2019 erfolgt.“
Zu den von Ihnen gestellten Fragen möchte ich nun Stellung nehmen.
Frage 1:
Waren die benannten 2 Funde von einer Fruchtfliege und einer Küchenmotte die einzigen dokumentierten negativen Vorfälle welche sich der Caterer zu Schulde hat kommen lassen?
Antwort:
Am 10.1.2018 wurden an 6 von 13 Tagesheimen bzw. Campusstandorten, die mehrere Kindertageseinrichtungen versorgen und vom gleichen Caterer beliefert wurden, Verunreinigungen durch Lebewesen im Essen entdeckt. Die Lebensmittelüberwachung hat in 3 Rückstellproben Larven, Käfer und Käferteile entdeckt.
So befanden sich allein in einem Eimer mit gekochten Nudeln an über 20 Stellen Käfer, Larven und Käferteile. Laut Gutachten handelte es sich um Getreideplattkäfer (Oryzaephilus sirnamensis).Am 27.2.2018 wurden an 5 der 13 vom gleichen Caterer belieferten Einrichtungen wiederum Verunreinigungen im Mittagessen festgestellt. Hier wurden bei stichpunktartigen Untersuchungen von 5 Rückstellproben in einem Fall 4 tote Insekten und im anderen Fall eine tote Fliege entdeckt.
Frage 2:
Wenn nein, welche weiteren dokumentierten Vorfälle gab es mit dem Anbieter?
Antwort:
Über weitere Vorfälle ist nichts bekannt.
Frage 3:
Wenn es nur die Fälle aus Frage 1 gab, sind diese dann der ausschlaggebende Kündigungsgrund seitens der Stadtverwaltung oder gibt es weitere Gründe?
Antwort:
Der Vertrag mit den Caterern enthält die Regelung einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund. Als wichtiger Grund ist dort explizit sowohl die mangelhafte Leistung nach vorheriger Abmahnung als auch ein schwerwiegender Vertragsverstoß, bei dem der Landeshauptstadt München die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar ist, genannt. Eine außerordentliche Kündigung konnte auf beide Punkte gestützt werden.
Frage 4:
Welche Konsequenzen wurden dem Anbieter nach dem ersten Vorfall angedroht bzw. welche Konsequenzen wurden gezogen? Wurde dem Anbieter angedroht, dass bei einem weiteren Vorfall dieser Art eine fristlose Kündigung ausgesprochen wird? Gab es keine Konventionalstrafen, welche im Vertrag festgelegt wurden?
Antwort:
Die Firma Bio-Kontor 7 wurde nach der mit Ungeziefer verunreinigten Lieferung vom 10.1.2018 schriftlich abgemahnt. Dem Anbieter wurde im Wiederholungsfall eine fristlose Kündigung angedroht. Die in den Vertrag einbezogene VOL/B sieht eine Vertragsstrafe für verspätete, nicht aber für mangelhafte Leistung vor. Derzeit wird umfassend geprüft, ob und wenn ja wie die künftigen Ausschreibungen eine Vertragsstrafe auch für mangelhafte Leistungen enthalten sollen.Frage 5:
Bei einem Cateringvolumen von mehreren tausend Mahlzeiten pro Tag dürften zwei Vorfälle dieser Art – zumal hier hauptsächlich Bioprodukte ohne Pestizideinsatz verarbeitet werden – kein allzu großer Zwischenfall sein. Betrachtet die Verwaltung diese Zwischenfälle als so gravierend, als dass ausschließlich eine fristlose Kündigung als Mittel zur Wahl zur Verfügung stand?
Antwort:
Das Mittagessen in der Kindertageseinrichtung hat einen hohen Stellenwert für die Versorgung, Bildung und Erziehung der Kinder. Ein Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit ist auch die Unterstützung der Kinder bei der Entwicklung eines gesunden Essverhaltens und das Erleben einer von Wohlbefinden geprägten Essensatmosphäre. Das Kind entscheidet grundsätzlich selbst, was und wie viel es von den angebotenen Speisen essen möchte. Aufgrund der vielfältigen Auswahl der Speisen und durch Unterstützung der Pädagoginnen und Pädagogen können die Kinder neue Geschmacksrichtungen und -eindrücke erleben.
Durch die gemeinsamen und pädagogisch gestalteten Mahlzeiten werden für die Kinder in den Kitas Zugänge für Bildungsprozesse eröffnet. Ernährungswissen ist Wissen um Natur, Nahrungsmittel, deren Herkunft, Wachsen und die Bedeutung für den Menschen.
Die Kinder erfahren gemeinsam mit anderen Kindern in einer angenehmen und kommunikativen Atmosphäre Freude und Genuss beim Essen.
Wenn sich Ungeziefer im Essen befinden, ist ein genussvolles Essen in entspannter Umgebung für das Kind nicht möglich. Es könnte ein Ekelgefühl entwickeln, das sich auf sein gesamtes Essverhalten auswirkt und in Zukunft zu gesundheitlichen Schäden führt. Die natürliche Neugierde des Kindes auf neue Sinneseindrücke könnte gehemmt und durch Unbehagen und Angst ersetzt werden.
Die Essensausgabe sowie die letzte Sichtkontrolle in der Kindertageseinrichtung erfolgt durch die Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort. Dies ersetzt jedoch keine grundsätzliche Qualitätskontrolle durch den Lieferanten. Die vertraglich festgelegte Qualitätsvereinbarung der gelieferten Speisen muss daher durch den Anbieter täglich zuverlässig gewährleistet sein. Nach zwei mit Ungeziefern verunreinigten Speiselieferungen innerhalb von wenigen Wochen war das Vertrauensverhältnis zu dem Caterer erheblich gestört. Da eine Abmahnung beim ersten Vorfall keine Wirkung zeigte, sondern innerhalb kurzer Zeit erneut mit Ungeziefer verunreinigte Speisen geliefert wurden, war eine Kündigung notwendig.