Infostände der türkischen Parteien – alle auf einem Haufen?
Anfrage Stadtrat Sebastian Schall (CSU-Fraktion) vom 20.6.2018
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage vom 20.6.2018 zur Beantwortung überlassen.
Inhaltlich teilen Sie Folgendes mit:
„Im Zusammenhang mit den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei und dem in der Kardinal-Faulhaber befindlichen Wahllokal befinden sich diverse Infostände der türkischen Parteien am Promenadeplatz.“
Zusammenfassend beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
Frage 1:
Sind diese Infostände alle beantragt und genehmigt?
Antwort:
Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Republik Türkei fanden am 24.6.2018 statt. Die Stimmabgabe erfolgte in München außerhalb der Räumlichkeiten des Generalkonsulates. Als Wahllokal standen im Zeitraum vom 7.6.2018 bis zum 19.6.2018, täglich von 9 bis 21 Uhr, die Räumlichkeiten der „Alten Bayerischen Staatsbank“ in der Kardinal-Faulhaber-Straße 1 zur Verfügung.
Aus Anlass dieser Wahlen wurden bei dem Veranstaltungs- und Versammlungsbüro des Kreisverwaltungsreferates der Landeshauptstadt München (VVB) zahlreiche Versammlungen angezeigt sowie diverse Informationsstände beantragt.
Im östlichen Bereich des Promenadeplatzes wurden auf der gepflasterten Fläche zwei Informationsstände von drei Parteien (iyi Parti, Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) und Saadet Partisi) in der Zeit vom 8.6.2018 bis zum 13.6.2018, jeweils von 10 bis 19 Uhr, betrieben. In der Zeit vom 14.6.2018 bis zum 19.6.2018 wurden diese Informationsstände von 10 bis 20 Uhr durchgeführt.
Beide Informationsstände wurden von einem Antragsteller für die jeweiligen Parteien beantragt und entsprechend seitens des VVB genehmigt.Ein dritter beantragter Infostand neben den oben genannten Informationsständen wurde aufgrund der beengten Verkehrsfläche am Promenadeplatz für diese Örtlichkeit in Abstimmung mit den beteiligten Sicherheitsbehörden nicht genehmigt.
Der Verwaltungspraxis des VVB entspricht es grundsätzlich, nur einen Informationsstand pro Antragstellerin bzw. Antragsteller und Örtlichkeit zu genehmigen. Hier war jedoch im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die Besonderheit zu berücksichtigen, dass ein Antragsteller für drei Parteien aufgetreten ist und die Durchführung der genehmigungspflichtigen Informationsstände beantragt hat. Zudem bestand zwischen den Parteien Einverständnis darüber, dass die zwei seitens des VVB genehmigten Informationsstände unmittelbar nebeneinander liegen konnten. Bei der beantragten und genehmigten Örtlichkeit wurde zudem darauf geachtet, dass die Informationsstände einerseits nicht zu nah am Wahllokal platziert waren, andererseits aber ein Ortsbezug zum Wahllokal noch gegeben und ein Erreichen potentieller Wähler möglich war.
Am 19.6.2018 erlangte das VVB Kenntnis darüber, dass ein dritter Stand aufgebaut worden war.
Frage 2:
Wird überprüft, ob sich die Infostände im Rahmen der Genehmigung bewegen?
Antwort:
Im Mai und Juni 2018 wurden durch das VVB insgesamt 826 Anträge auf Durchführung eines Informationsstandes bearbeitet. Dazu kamen in den genannten Monaten 280 angezeigte und bestätigte Versammlungen.
Das Veranstaltungsbüro des Kreisverwaltungsreferates überprüft die Einhaltung der Vorgaben in den entsprechenden Bescheiden stichprobenartig und anlassbezogen.
Im konkreten Fall ist dem Betreiber des nicht genehmigten Informationsstandes unmittelbar nach Kenntniserlangung mitgeteilt worden, dass es sich mangels Genehmigung des betriebenen dritten Informationsstandes um eine illegale Sondernutzung handelt und weitere Verstöße im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens geahndet werden.
Frage 3:
Ist es rechtmäßig, dass sich Infostände so nah nebeneinander befinden?
Antwort:
Die hier in Rede stehende erforderliche Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Durchführung von Informationsständen auf dem Promenadeplatz stellt eine Nutzung des Straßenraums über den Gemeingebrauch hinaus und damit eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar (vgl. Art. 14 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 1 BayStrWG).
Das gesetzliche Erfordernis des Erlaubnisverfahrens für das Aufstellen eines Informationsstandes stellt sicher, dass die Behörde vollständige Kenntnis von Ort und Umfang der beabsichtigten Straßennutzung erhält, damit sie von vornherein erkennbare Störungen verhindern oder in zumutbaren Grenzen halten sowie die unterschiedlichen und teilweise gegenläufigen Nutzungsabsichten der Straßennutzer ausgleichen kann. Da das Gesetz selbst in Art. 18 Abs. 1 S. 1 BayStrWG die Maßstäbe, nach denen sich die Ermessensausübung zu richten hat, nicht bestimmt, sind diese aus dem Zweck des Gesetzes unter Beachtung insbesondere der Verteilungs- und Ausgleichsfunktion der Sondernutzungserlaubnis abzuleiten. Die behördliche Ermessensausübung hat sich dabei ausschließlich an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben.
Dabei besteht gemäß der Verfassung (Art. 21 GG) zu Zeiten von Wahlen grundsätzlich ein Anspruch auf Erteilung der erforderlichen Sondernutzungserlaubnis, der darauf gerichtet ist, den Parteien Wahlsichtwerbung und Informationsweitergabe auf öffentlichen Straßen zu ermöglichen. Die Bedeutung von Wahlen und die Bedeutung der Parteien für solche Wahlen schränken das behördliche Ermessen bei der Entscheidung über die Erlaubnis zur Durchführung von Informationsständen zu Zeiten der Wahl in so erheblichem Umfang ein, dass jedenfalls für den Regelfall ein grundsätzlicher Anspruch auf Erlaubnis besteht. Dieser Anspruch besteht freilich nicht schrankenlos. Eine beabsichtigte Durchführung eines Informationsstandes darf u.a. abgelehnt werden, wenn sie zu einer Verkehrsgefährdung führen würde. Der in aller Regel gegebene Anspruch auf Gestattung einer Wahlsichtwerbung ist weiter dadurch beschränkt, dass er lediglich auf eine Werbung in einem Umfang gerichtet ist, der für die Selbstdarstellung der jeweiligen Partei notwendig und angemessen ist.
Die Örtlichkeit für die genehmigten zwei Informationsstände am Promenadeplatz war im konkreten Fall mit der Polizei und der Verkehrsabteilung des Kreisverwaltungsreferates der Landeshauptstadt München abgestimmt. Eine Verkehrsbehinderung oder sonstige Ablehnungsgründe bestanden nicht. Auch waren die Betreiber mit der unmittelbaren Nähe einverstanden. Die hier gegebene Nähe der zwei genehmigten Informationsständeuntereinander war sicherheitsrechtlich mithin nicht zu beanstanden. Zu beachten war ferner, dass aufgrund der Wahlmöglichkeit in der Kardinal-Faulhaber-Straße dem Antragsteller im Rahmen der Festsetzung der konkreten Veranstaltungsörtlichkeit ein Ortsbezug zuzubilligen war.
Frage 4:
Ist es bei Wahlen in Deutschland auch zulässig, dass Infostände z.B. auf der gleichen Hausnummer angemeldet werden können?
Antwort:
Die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis steht grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Diese hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Entsprechend dem Zweck des Art. 14 i.V.m. Art. 18 BayStrWG hat sich die behördliche Ermessensausübung an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben, vgl. bereits Antwort zu Frage 3.
Zu diesen Gründen können insbesondere zählen ein einwandfreier Straßenzustand (Schutz des Straßengrundes und des Zubehörs), die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger (etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen) oder Belange des Straßen- und Stadtbildes, d. h. baugestalterische oder städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße (Vermeidung einer „Übermöblierung“ des öffentlichen Straßenraumes, Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbildes und Ähnliches).
Für die Zeit des „heißen“ Wahlkampfes steht den zur Wahl zugelassenen Parteien und Gruppierungen wegen der überragenden Bedeutung von Wahlen regelmäßig ein Anspruch darauf zu, in angemessener Weise Wahlsichtwerbung und Informationsweitergabe im Straßenraum zu betreiben, siehe Antwort zu Frage 3. Dieser Anspruch schränkt in der Regel das Ermessen der Behörde dahingehend ein, dass entsprechende Sondernutzungserlaubnisse zu erteilen sind.
Allein die Tatsache, dass zwei Informationsstände an der gleichen Hausnummer stattfinden sollen, stellt somit keinen ermessensfehlerfreien Ablehnungsgrund dar.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.