Muss bei der Erschließung neuer Baugebiete der vorhandene Baumbestand generell der Kampfmittelräumung weichen, ohne dass zuvor eine umweltschonende Bodenuntersuchung vorgenommen wird?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Herbert Danner und Sabine Nallinger (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 20.4.2018
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 20.4.2018 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
Wir bedanken uns für die Zustimmung zur Fristverlängerung bis zum 31.7.2018, die aufgrund der erforderlichen referatsübergreifenden Klärungen und weiterer dringlicher Erledigungen notwendig wurde.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
Immer wieder wird bei Neubaugebieten auf ehemaligen militärisch genutzten Flächen die Abholzung eines erheblichen Teiles des vorhandenen Baumbestandes mit der Suche und Beseitigung von Kampfstoffen begründet, obwohl die Kampfmitteluntersuchung per se durch den Einsatz von geophysikalischen Feststellungsverfahren baumschonend durchgeführt werden kann. Eine Fällung der Bäume wäre somit ausschließlich dann notwendig, wenn die Kontamination mit Kampfmitteln nachweislich vorläge.
Frage 1:
Auf welcher gesetzlichen Grundlage müssen diese Kampfmitteluntersuchungen im Verdachtsfall durchgeführt werden?
Antwort:
Für den Freistaat Bayern ist die Abwehr von Gefahren durch Kampfmittel durch die „Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern (StMi) über die Abwehr von Gefahren durch Kampfmittel vom 15. April 2010 (AllMBl. S.136)“, geregelt. (1)
Zudem werden folgende Gesetze und Verordnungen laut StMi berührt: -LstVG, Landesstraf- und Verordnungsgesetz (2)
-PAG, Polizeiaufgabengesetz (3)
-KWKG, Kriegswaffenkontrollgesetz (4)
-SprengG, Sprengstoffgesetz (5)
-WaffG; Waffengesetz (6)
-BayBO, Bayerische Bauordnung (7)
Für die konkrete Planung und Ausführung der Erkundung, Bewertung und Räumung von Kampfmitteln wird als allgemeiner Stand der Technikdie Arbeitshilfe Kampfmittelräumung (AH KMR) herangezogen. Diese gilt strenggenommen nur für Bundesliegenschaften, wird aber analog auch für städtische Liegenschaften herangezogen.
-AH KMR; Arbeitshilfen Kampfmittelräumung: Baufachliche Richtlinien zur wirtschaftlichen Erkundung, Planung und Räumung von Kampfmitteln auf Liegenschaften des Bundes; Oberfinanzdirektion Hannover, Leitstelle des Bundes für Kampfmittelräumung, Waterloostraße 5, 30169 Hannover (8)
Die Bekanntmachung (1) enthält Hinweise, Informationen und Verhaltensregeln zu den Gefahren durch Kampfmittel sowie zur Abwehr dieser Gefahren und ist an die Gemeinden, Landratsämter und Polizeidienststellen gerichtet. Hierbei handelt es sich nicht um eine rechtsverbindliche Regelung. Gemäß (19) sind folgende grundsätzliche Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten aufgeführt:
Öffentliche Sicherheit, Sicherheitsbehörden
„Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch Kampfmittel bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln des Sicherheits- und Polizeirechts. Es handelt sich in der Regel um örtliche Gefahren, für die die Gemeinden als örtliche Sicherheitsbehörden zuständig sind. Soweit ein Handeln der Sicherheitsbehörden nicht rechtzeitig möglich ist, ergreift die Polizei die erforderlichen Maßnahmen.“
In der Bekanntmachung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die örtlichen Sicherheitsbehörden und die Polizei vor Ort nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse und Einrichtungen verfügen, um konkrete Gefahren abzuwehren. Es wird ihnen lediglich ein vom Staatsministerium des Innern vorgehaltener Kampfmittelbeseitigungsdienst als freiwillige Leistung kostenfrei zu Verfügung gestellt, welcher erst bei konkret vorliegenden Kampfmitteln tätig wird.
Mit dieser Regelung wird die Verantwortung für kampfmittelbelastete Grundstücke dem Grundstückseigentümer aufgebürdet. Der vom Innenministerium bereitgestellte Kampfmittelbeseitigungsdienst hat keine Aufgaben eine Kampfmittelbelastung oder -freiheit zu beurteilen oder zu bescheinigen.
Alle dafür notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenerforschung (grundstücksbezogene historische Recherchen, technische Kampfmittelerkundung mit Gefahrenbeurteilung, Vorgehen gemäß Arbeitshilfe Kampfmit-telräumung AH KMR (8)) sind daher vom Grundstückseigentümer zu veranlassen. Dazu beauftragt er Fachfirmen gemäß den auf der Internetseite des Staatsministeriums des Innern veröffentlichten Listen mit Fachfirmen zur Luftbildauswertung und Kampfmittelräumung. Hierbei sind in der Regel die zuständigen Sicherheitsbehörden nicht eingebunden.
Verantwortung der Grundstückseigentümer (1)
„Die Grundstückseigentümer sind als Zustandsstörer grundsätzlich für die Beseitigung konkreter Gefahren, die von Kampfmitteln auf ihren Grundstücken ausgehen, verantwortlich. Sie können von den Sicherheitsbehörden im Einzelfall bei Vorliegen einer konkreten Gefahr verpflichtet werden, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, soweit es die öffentliche Sicherheit erfordert.“
Zudem leitet sich die Notwendigkeit für die Beauftragung von Fachfirmen zur Gefahrenerforschung im Verantwortungsbereich des Grundstückseigentümers von der Bayerischen Bauordnung (BayBO) ab. Das Grundstück muss so beschaffen sein, dass es für die beabsichtigte Bebauung geeignet ist (Kampfmittel als Baugrundrisiko). Der Bauherr muss daher geeignete Maßnahmen ergreifen, dass bei Baumaßnahmen niemand durch Kampfmittel zu Schaden kommt.
Frage 2:
Bei wie vielen Hochbau- und Gartenbauprojekten bzw. Bauleitplanverfahren in den letzten fünf Jahren waren Kampfmitteluntersuchungen erforderlich?
Antwort:
Grundsätzlich ist und war bei allen Baumaßnahmen, die einen Eingriff in den Untergrund erfordern, die Kampfmittelproblematik zu berücksichtigen, da alleine wegen der zahlreichen Luftangriffe auf die Stadt München praktisch flächendeckend eine Anfangsgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann. Nur bei Bauvorhaben, bei denen bereits im Vorfeld durch Baumaßnahmen oder Kampfmitteluntersuchungen ein Kampfmittelverdacht ausgeräumt werden konnte, konnte auf eine Kampfmitteluntersuchung verzichtet werden. Zahlen hierzu liegen aber nicht vor.
Frage 3:
Wie läuft eine Kampfmitteluntersuchung standardmäßig ab?
Antwort:
Die Vorgehensweise richtet sich in der Regel gemäß den Anforderungen der AH KMR nach dem folgenden 3 Phasen Ablaufschema. Dieses
Schema findet auf allen stadteigenen Grundstücken und im Rahmen städtebaulicher Verträge auch auf allen Abtretungsflächen und Sonderflächen privater Dritter Anwendung.
Phase A : Historische Erkundung der möglichen Kampfmittelbelastung und Bewertung.
Zur Konkretisierung des diffusen Kampfmittelverdachts, der infolge der insgesamt 58 Luftangriffe für das Stadtgebiet Münchens besteht, wird eine Fachfirma (Liste des Innenministeriums im Internet veröffentlicht) beauftragt, eine sogenannte historisch-genetische Rekonstruktion (HgR-KM) der Kampfmittelbelastung durchzuführen. Mit Hilfe der kombinierten Auswertung von Archivalien und Kriegsluftbildern der alliierten Luftwaffen soll der diffuse Anfangsverdacht konkretisiert werden. Insbesondere sollen die Verursachungsszenarien, welche für eine potentielle Kampfmittelbelastung in Frage kommen können (blindgegangene Abwurfmunition, Bodenkämpfe, Munitionsvergrabungen in Hohlformen, Stellungen etc.) ermittelt werden. Die HgR-KM endet mit der Feststellung, ob sich der Gefahrenverdacht konkretisiert hat und eine mögliche Gefährdung durch Kampfmittel nicht auszuschließen ist. In diesem Fall werden weitere technische Erkundungsmaßnahmen empfohlen.
Phase B: Technische Erkundung der Kampfmittelbelastung und Gefährdungsabschätzung.
Ist der Anfangsverdacht nicht ausgeräumt, wird im Rahmen der Phase B eine Fachfirma aus der Liste des Innenministeriums beauftragt, welche die Fachkunde gemäß §9 SprengG, über Fachpersonal mit Befähigungsschein §20 SprengG verfügt und die Erlaubnis nach §7 SprengG besitzt. In Abhängigkeit der aktuellen Nutzung, der Untergrundverhältnisse sowie der zu erwartenden Kampfmittel (Großladungsbomben, Artilleriemunition etc.) werden flächige geophysikalische Untersuchungen des Untergrundes durchgeführt um ferromagnetische (eisenhaltige) Störkörper, welche gefährliche Kampfmittel sein können, zu ermitteln. Die gängigsten geophysikalischen Methoden sind das passive Geomagnetikverfahren (Messung von Anomalien des Erdmagnetfeldes durch Eisenkörper), das aktive Elektromagnetische Verfahren (Pulsinduktionsverfahren) sowie das Georadar (aktives Verfahren bei dem hochfrequente elektromagnetische Impulse ausgesendet und reflektiert werden) zu nennen.Soweit sinnvoll wird vor Durchführung der Maßnahmen die Geeignetheit der Methode (welche vom Untergrundaufbau, der Größe der zu suchenden Kampfmittel u.a. abhängig ist) über Testfelder ermittelt, bevor die Gesamtfläche untersucht wird. Ermittelte ferromagnetischen Störkörper werden anschließend nachgegraben und identifiziert. Dabei erlauben die bisherigen geophysikalischen Messmethoden derzeit noch keine Unterscheidung von ungefährlichen Eisenschrott und gefährlichen Kampfmitteln, so dass in der Regel alle Störkörper identifiziert werden müssen. Werden Kampfmittel angetroffen, dann werden Sie dem vom Freistaat Bayern beauftragten Kampfmittelräumdienst übergeben, der diese unschädlich macht.
Auf Basis der Testfeldsondierungen und Testfeldräumungen (Nachgraben, Identifizieren der Störkörper) wird mindestens bei größeren Räumbereichen ein sogenanntes Räumkonzept erarbeitet und abgestimmt. Bei privaten Planungsbeteiligte erfolgt diese Abstimmung im Rahmen städtebaulicher Verträge mit dem Kommunalreferat.
Gemäß AH-KMR entspricht dies den Phasen C.
Phase C1: Räumkonzept, Ausschreibung und Vergabe der Leistungen. Phase C2: Räumung, Abnahme und Dokumentation
Zum Räumkonzept führt die AH-KMR (8) folgendes aus:
„Auf Grundlage der Gefährdungsabschätzung entscheidet der Nutzer im Einvernehmen mit dem Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes (in Bayern nicht der Fall, hier Rückgriff auf Fachfirmen) über die Art der durchzuführenden Maßnahmen, die eine gefahrlose Nutzung der Liegenschaft zum Ziel haben. Hierzu bieten sich grundsätzlich folgende Lösungsmöglichkeiten an:
-Kampfmittelräumung ohne Einschränkungen,
-Kampfmittelräumung mit Einschränkungen,
-Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen.“
Im Räumkonzept sollen die Räummaßnahmen nutzungsorientiert geplant werden. Aufbauend auf der Analyse der Kostenwirkungsfaktoren (Untergrund, Störkörper, bereits gefundene Kampfmittel, Tiefe der Funde, geeignete Methoden der Kampfmittelräumung, nutzungsbedingte Bodenkontaminationen etc.) und unter Berücksichtigung der Bauleitplanung werden im Räumkonzept Lösungsmöglichkeiten für die gefahrlose Nutzung einer Liegenschaft/Fläche untersucht.
Das Räumkonzept stellt die geplanten Räummaßnahme mit Terminen, die technische Vorgehensweise, die zu beachtenden Randbedingungen(Naturschutz etc.) und die Wirtschaftlichkeit (Kosten, Varianten) dar. Insbesondere muss hier der Fokus auf die aktuelle, die zukünftige Nutzung sowie geplante Baumaßnahmen gelegt werden. Das Räumkonzept ist dann Grundlage für die Ausführungsplanung und Leistungsbeschreibung der Kampfmittelräumung.
Zum Abschluss der Räummaßnahme (C2) wird ein Abschlussbericht erstellt. In diesem wird in einem Ergebnisplan festgehalten, welche Bereiche ohne Einschränkungen kampfmittelfrei oder nur eingeschränkt bis zu einer bestimmten Tiefe (z.B. 0,5 m unter Geländeoberkante in Bereichen mit Baumbestand, Auffüllungen etc.) kampfmittelfrei sind. Zudem können je nach Vorliegen von Verdachtsmomenten Einschränkungen in der Größe der Kampfmittel (Räumung nur großkalibriger Munition, keine Kleinmunition) gemacht werden.
Eine eingeschränkte Kampfmittelfreigabe kann eine Nutzungseinschränkung nach sich ziehen (keine multifunktionale Nutzung). Hierbei verbleibt auch immer ein Restrisiko, das vom Grundstückseigentümer getragen werden muss und bei späteren Nutzungsänderungen werden ggf. weitere Maßnahmen zur Kampfmittelräumung notwendig.
Frage 4:
Wird dieses „Standardverfahren“ grundsätzlich angewandt, oder werden aus Kostengründen auch billigere – weniger baumschonende Verfahren – angewandt?
Wenn ja, in welchen Fällen?
Antwort:
Das Standardverfahren wurde in der Antwort zur Frage 3 skizziert und ist Grundlage jeder Kampfmittelräumung. In Abhängigkeit der Größe der Untersuchungsfläche bzw. der Komplexizität der Aufgabe (eine Untersuchung einer Ackerfläche ist relativ einfach zu bewerkstelligen, dagegen ein Nutzungsmix mit Baum- und Gebäudebestand komplex und aufwändig) kann bereits nach der Phase B das Ergebnis der Kampfmittelfreiheit feststehen oder auch erst nach der Durchführung der Phasen C. Aufgabe des bereits beschriebenen Räumkonzeptes ist es, den für die Aufgabenstellung notwendigen Umfang und die geeignetste geophysikalische Messmethode (Geomagnetik, Elektromagnetik und oder Georadar) zu ermitteln. Hier geht es in erster Linie um die Erreichung des definierten Räumziels, Kostenüberlegungen spielen eine untergeordnete Rolle. Alle geophysikalischen Methoden (auch die relative günstige Geomagnetik) sind „baumschonend“, da sie im ersten Schritt beprobungslos erfolgen. Erst das für die Kampfmittelräumung notwendige Nachgraben der ermittelten Störkörper (gefährliche Kampfmittel; aber auch ungefährlicher Schrott) führt bei allen Messmethoden zu Bodeneingriffen per Handschachtung bzw. mit Minibagger. Hierbei ist anhand der Messergebnisse von der beauftragten Fachfirma sowie dem Auftraggeber bzw. den Nutzern eine Entscheidung zu treffen, welche Störkörper bzw. bis zu welcher Tiefe nachgegraben werden muss, um eine Kampfmittelfreiheit zu attestieren. Ohne Bodeneingriffe zur Identifizierung der Störkörper wird eine Kampfmittelfreiheit und damit eine Beseitigung der Gefahr für die aktuelle bzw. zukünftige Nutzung von der Fachfirma § 20 SprengG nicht erteilt. Die sorgfältige Abwägung muss alle Ergebnisse der Voruntersuchungen, bereits geborgenen Kampfmittel und deren Gefährlichkeit sowie die zukünftige Nutzung (Öffentliche Grünfläche, Kinderspielfläche) aber auch festgestellte Bodenkontaminationen gemäß Bundesbodenschutzverordnung (Altlasten) berücksichtigen, die ggf. saniert werden müssen.
Grundsätzlich wird das Ziel einer uneingeschränkten Kampfmittelfreiheit verfolgt. Ist dies auf Grund hoher Störkörperdichte (eine Unterscheidung der geophysikalisch gemessenen Störkörper als Kampfmittel von ungefährlichen Schrott ist bisher nicht Stand der Technik) nicht erreichbar, ohne Biotopflächen bzw. Baumbestand zu vernichten, wird für Teilbereiche eine Einschränkung der Kampfmittelfreiheit (siehe Phase C) mit entsprechendem Restrisiko abgewogen. Mindestanforderung bleibt aber die gefahrlose Herstellung, Nutzung und Pflege entsprechend der beabsichtigten Verwendung des Grundstücks. Darüber hinaus können Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen (Biotop) nötig werden.
Frage 5:
Welche städtischen Referate sind bei Kampfmitteluntersuchungen federführend verantwortlich bzw. beteiligt (Kommunalreferat, Planungsreferat, Baureferat, RGU)? Gibt es eine einheitliche referatsübergreifende städtische Linie?
Antwort:
Bei allen städtischen Baumaßnahmen des Baureferates (Hochbau, Tiefbau und Gartenbau) ist dieses als Bauherr auch federführend verantwortlich für die Kampfmitteluntersuchung.
Bei allen baufeldvorbereitenden Maßnahmen (Baufeldfreimachung, Bodensanierung) auf Flächen des allgemeinen Grundvermögens, bei städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen und bei der Konversion bestehender Industriebrachen ist das Kommunalreferat hierfür federführend verantwortlich. Darüber hinaus betreut das Kommunalreferat beratend den Grundstücks-verkehr, alle städtebaulichen Verträge im Rahmen der Bauleitplanverfahren. Das Kommunalreferat nutzt dabei auch den historischen Luftbilddatenbestand des Geodatenservice.
Das Standardverfahren – wie ausgeführt – ist Grundlage für die Bearbeitung in beiden Referaten. Auf Arbeitsebene erfolgt ein intensiver Erfahrungsaustausch.
Frage 6:
Wie häufig wurden wertvolle Bäume gefällt, ohne dass letztendlich ein Gefährdungspotential vorhanden war?
Antwort:
Wertvolle Bäume, bei denen kein Gefährdungspotential vorhanden ist, werden im Rahmen der Kampfmittelsuche grundsätzlich nicht gefällt. Wenn in der Vergangenheit Bäume (vgl. Antwort auf Frage 7, Ackermannbogen) gefällt wurden, waren anhand der Kampfmittelerkundungen aussagekräftige Indizien vorhanden, welche eine Fällung zur Gefahrenabwehr notwendig machten.
Das Baureferat und das Referat für Stadtplanung und Bauordnung haben in einzelnen Fällen erreicht, dass besondere Einzelbäume auch trotz Gefährdungspotential stehen bleiben konnten. Ausschlaggebend ist dabei auch der Standort der Bäume, ist er öffentlich zugängig, oder kann er für einen überschaubaren Nutzerkreis durch entsprechende Maßnahmen „abgesperrt“ werden. Von zentraler Bedeutung ist daher, welches Restrisiko getragen werden kann, letztendlich handelt es sich um gutachterliche Einschätzungen und Einzelfallentscheidungen.
Frage 7:
Welche städtischen Referate waren bei den Neubaugebieten Ackermann- bogen bzw. Dornier-Gelände beteiligt? Wie wurde hier jeweils vorgegangen und mit welchen Ergebnissen?
Antwort:
Ackermannbogen:
Die Kampfmittelräumung für die künftige öffentliche Grünfläche „Urbane Mitte am Ackermannbogen“ wurde unter der Projektleitung des Kommunalreferates (KR-IS-SP-KG) durchgeführt.
Die Vorgehensweise für das o.g. Projekt erfolgte wie in der Antwort zur Frage 3 ausgeführt.
Der Abschlussbericht der vom Kommunalreferat beauftragten Fachfirma schließt mit folgenden Daten:Insgesamt wurden 22.000 m² kampfmittelgeräumt. Dabei wurden 493 kg Kampfmittel (u.a. drei Handgranaten oberflächennah, diverse Stabbrandbomben und eine 250 kg Sprengbombe) geräumt. Eine uneingeschränkte Kampfmittelfreigabe konnte für rund 99% der Flächen erfolgen. Dabei konnte der wertvolle schützenswerte Baumbestand (ca. ein Drittel der Fläche) erhalten werden. Lediglich ein Bestandsbaum musste gefällt werden, da hier beim Nachgraben von Störkörpern ein abgeschertes Leitwerk einer 1.000 kg Sprengbombe identifiziert worden ist. Nach Abwägung der Fakten – unter Einbeziehung des staatlichen Sprengkommandos München – wurde in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde entschieden, den Baum zur Gefahrenabwehr zu fällen, um den erwarteten Sprengkörper zu räumen. Beim Fund der ersten 250 kg Sprengbombe war ebenfalls ein abgeschertes Leitwerk identifiziert worden. Glücklicherweise handelte es sich bei den im Bereich des Baumes festgestellten Störkörpern nur um ungefährliche Munitionsteile. Für den Baum wurde eine Ersatzpflanzung vorgenommen. Insgesamt konnte dann die gesamte Fläche kampfmittelfrei an das Baureferat Gartenbau und damit der Nutzung als öffentliche Grünfläche mit Kinderspielplätzen übergeben werden.
Dorniergelände:
Das Vorgehen ist analog der Antwort zu Frage 3. Beteiligt sind hier die Referate Umwelt und Gesundheit (Altlasten), Referat für Bauordnung und Stadtplanung, Baureferat Gartenbau als zukünftiger Nutzer und das Kommunalreferat (Kampfmittel). Luftbildauswertungen zeigen, dass sich in dem Bereich auch Splitterschutzgräben befinden. Da auf dem Gelände die ehemaligen Dornierwerke angesiedelt waren, besteht die Möglichkeit, dass Material der Wehrmacht in diesen Splitterschutzgräben vergraben worden ist. Der planungsbegünstigte Dritte hat über eine Fachfirma ein Kampfmittelräumkonzept zur Abstimmung vorgelegt. Das Räumkonzept ist noch nicht abschließend, da noch einige wichtige Aspekte nachgearbeitet werden müssen. Insbesondere sind noch weitere Untersuchungen bezüglich der Wirkungspfade Boden – Mensch bzw. Boden – Grundwasser gemäß Bundesbodenschutzverordnung durchzuführen, da die bisherigen Ergebnisse das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast befürchten lassen. Die Federführung hat hier das Referat für Gesundheit und Umwelt.
Im Zuge des Bauleitplanverfahrens werden die unterschiedlichen Belange des Baumschutzes, der Altsanierung und der Kampfmittelbeurteilung miteinander abgewogen. Dazu wird mit dem Investor/ Planungsbegünstigten ein Konzept erarbeitet, um zu genauen Erkenntnissen über möglicherweise vorhandene Kampfmittel unter größtmöglicher Schonung des Baumbestandes zu gelangen. Dazu sind mehrere repräsentative Schürfgruben im Bereich des baumbestandenen Walles anzulegen, wobei ein Teil des Baumbestandes für diese Schürfungen gefällt werden muss. Die Maßnahme wird durch eine vereidigte Sachverständige für Baumstatik und Baumpflege begleitet, die in Zusammenarbeit mit den Gutachtern für Kampfmittel die Lage der entsprechenden Schürfungen so festlegt, dass die Eingriffe in den Baumbestand möglichst gering ausfallen und die Ergebnisse gleichzeitig ausreichend aussagekräftig sind, so dass letztendlich eine Abschätzung des verbleibenden Restrisikos für Kampfmittel für den gesamten westlichen Wall vorgenommen werden kann. Weiter muss gleichzeitig aufgezeigt werden, welche zusätzlichen Eingriffe in die Baumkulisse (Totholzentfernung, Fällung von Bäumen, die nicht verkehrssicher sind) erforderlich sind, um die Verkehrssicherheit der Grünfläche herzustellen. Analog wird mit dem Problem Altlasten in diesem Bereich umgegangen.
Aufgrund der noch ausstehenden Untersuchungen können daher aktuell noch keine abschließenden Aussagen zum Baumerhalt im westlichen Wallbereich getroffen werden.
Bayernkaserne:
Auch in der ehemaligen Bayernkaserne erfolgte eine Bestandsaufnahme und Bewertung des vorhandenen Baumbestandes bereits vor dem Aufstellungs- und Eckdatenbeschluss. Da im Rahmen der Nutzung der Kaserne als Flüchtlingsunterkunft diverse Umbauten und damit auch einige Baumfällungen nötig wurden, wurde die Kartierung im Laufe der Planung regelmäßig aktualisiert. Der möglichst weitgehende Erhalt des prägenden Baumbestandes floss als Ziel in die Auslobung des städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerbs ein.
Für das östlich anschließende Grundstück Heidemannstraße 164 (privater Investor, nachträglich im B-Plan 1989 ehemalige Bayernkaserne zusammengeführt), wurde 2015 ebenfalls eine Bestandsaufnahme und Bewertung des Baumbestandes durchgeführt.
Im Bebauungsplanentwurf wurde eine Reihe von Bäumen als „zu erhalten“ festgesetzt, sowohl in Grünflächen als auch in einem Straßenabschnitt. Um Informationen darüber zu bekommen, ob diese Bäume tatsächlich gehalten werden können, wurde – neben der Vitalitätseinschätzung – für die auf den Grünflächen festgesetzten Bäume eine Vorabsondierung von Seiten des Kommunalreferates auf Kampfmittel vorgenommen (Untersuchung mit Handsonde, ggf. baumschonende Nachgrabung mit
Hand). Die Sondierung wird für die zu erhaltenden Bäume im o.g. Straßenabschnitt ebenfalls zeitnah erfolgen.
Bislang wird voraussichtlich ein Großteil der so untersuchten Bäume erhalten werden können.