Politiker (fast) aller Couleur haben in den vergangenen Tagen eine konsequentere Altersfeststellung von jungen Flüchtlingen gefordert. Die Landeshauptstadt München geht voran und führt ein besseres Verfahren ein!
Antrag Stadtrat Andre Wächter (Liberal-Konservative Reformer) vom 5.1.2018
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen, dass zukünftig bei der Altersfeststellung junger Flüchtlinge nach folgendem Verfahren vorgegangen wird:
„1. Drei erfahrene externe Sachverständige führen mit dem Flüchtling ein Interview durch. Aufgrund dieses Interviews erfolgt eine Bewertung zur Altersfestsetzung auf der Basis des äußeren Erscheinungsbildes und des Verhaltens der befragten Person.
2. Bei jedem jungen Flüchtling wird eine human- und zahnmedizinische Begutachtung (ohne radiologischer Verfahren oder einer Genitaluntersuchung) durchgeführt.
3. Sollte das Gutachten der Sachverständigen vom medizinischen Gutachten abweichen, wird eine verpflichtende radiologische Untersuchung des Handwurzelknochens angeordnet.
Sollte sich zukünftig eine noch exakte und noch mildere medizinische Vorgehensweise bei der Altersdiagnostik durchsetzen (z.B. nichtinvasive Ultraschall-Handscanner), so wird vom Sozialreferat in Zweifelsfällen umgehend diese Maßnahme bevorzugt”.
Der Inhalt des Antrages betrifft deshalb eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 5.1.2018 teile ich Ihnen aber Folgendes mit:
Stellungnahme zu Punkt 1 des Antrages:
Gemäß § 42f Abs. 1 SGB VIII ist das Stadtjugendamt im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme gesetzlich verpflichtet, die Minderjährigkeit einer ausländischen Person in einem dreistufigen Verfahren zu überprüfen. Dies erfolgt gemäß gesetzlicher Vorgaben durch die Einsichtnahme in vorgelegte Ausweispapiere (1. Stufe) und im Anschluss durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (2. Stufe). Die qualifizierte Inaugenscheinnahmeumfasst ein ausführliches Interview über die Biographie und die Lebensumstände sowie Fluchtursachen der zu befragenden Person. Weiterer Bestandteil der qualifizierten Inaugenscheinnahme ist die Beobachtung des äußeren Erscheinungsbildes und des Verhaltens. Danach bewerten die besonders geschulten und erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtjugendamtes, ob es sich vorliegend um einen Zweifelsfall gem. § 42f Abs. 2 SGB VIII handelt und somit eine medizinische Untersuchung (3. Stufe) veranlasst werden muss oder, ob es sich um eine zweifelsfrei volljährige oder minderjährige Person handelt.
Da es sich bei der Altersfeststellung um eine hoheitliche und eigene Aufgabe des Stadtjugendamtes handelt, ist der Einsatz von externen Sachverständigen nicht zulässig. Dies gilt nicht bei der medizinischen Untersuchung, die lediglich durch das Jugendamt „zu veranlassen” ist. Das abschließende Recht über die Minderjährigkeit zu entscheiden, liegt gem. der gesetzlichen Vorgabe beim Jugendamt.
Stellungnahme zu Punkt 2 des Antrages:
Wie bereits unter Ziffer 1 ausgeführt, kann das Jugendamt lediglich in Zweifelsfällen gem.
§ 42f SGB VIII eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung veranlassen. Entsteht nach der abschließenden Gesprächsführung und Beobachtung des Verhaltens und den Angaben der befragten Person kein Zweifel an deren Minderjährigkeit, darf schon keine ärztliche Untersuchung veranlasst werden. Aus diesem Grund wäre eine pauschale Pflichtuntersuchung für jede ankommende Person mit Fluchthintergrund, die um eine vorläufige Inobhutnahme bittet, nicht mit dem Gesetz vereinbar.
Stellungnahme zu Punkt 3 des Antrages:
Da bereits die vorgeschlagene Praxis der Begutachtung durch externe Sachverständige und eine medizinische Untersuchung als Regelfall nicht mit geltendem Recht zu vereinbaren ist, erübrigt sich eine weitere Stellungnahme zum vorliegenden Antrag. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass für radiologische Untersuchungen keine gesetzliche Grundlage besteht. Da es sich bei einer radiologischen Untersuchung um einen körperlichen Eingriff handelt, bedarf dieser einer gesetzlichen Ermächtigung oder der Zustimmung der betroffenen Person.
Das Stadtjugendamt hält im Ergebnis an der bisherigen Verfahrensweise zur Altersfeststellung, dargestellt in der Beschlussvorlage Nr. 14-20/V 09275 vom 27.9.2017, fest.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.