Kleinvieh macht viel Mist: Mikroplastik in der Isar durch Reifenabrieb?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Anna Hanusch, Dominik Krause, Sabine Krieger, Hep Monatzeder und Sabine Nallinger (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 29.8.2018
Antwort Baureferentin Rosemarie Hingerl:
In Ihrer Anfrage führen Sie aus, dass in den letzten Jahren die Konzentration von Mikroplastik in der Umwelt erheblich zugenommen habe und ein wesentlicher Anteil davon durch Reifenabrieb verursacht werde. Auch für den Anstieg der Konzentration an Mikroplastikpartikeln in der Isar, die nach dem Ballungsraum München im Rahmen einer Studie durch die Universität Bayreuth gemessen wurde, sei eine der Ursachen beim Straßenverkehr zu suchen. Insbesondere durch Regenauslässe, die der Entlastung des Kanalnetzes bei starken Regenfällen dienen und durch die Direkteinleitung von Niederschlagswasser auf den Isarbrücken, wo der Reifenabrieb ungefiltert in die Isar abfließt, werde die Wasserqualität beeinträchtigt.
Das Baureferat führt hierzu aus:
Entsprechend der aktuellen länderübergreifenden Veröffentlichung „Mikroplastik in Binnengewässern Süd- und Westdeutschlands“ (https://www.lfu.bayern.de/analytik_stoffe/mikroplastik/laenderbericht_2018/doc/laenderbericht_mikroplastik.pdf), auf die sich auch die in der Anfrage zitierten Messergebnisse der Universität Bayreuth beziehen, „(...) ist bislang nicht abschließend geklärt, ob der Gummiabrieb von Reifen dem Mikroplastik zugeordnet werden sollte. (…) In vorliegender Studie konnten, bedingt durch die Messtechnik, keine Partikel aus Reifenabrieb analysiert werden.“ Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) hat hierzu auf Anfrage mitgeteilt:
„In der von uns in Auftrag gegebenen Studie der Uni Bayreuth zur Mikroplastikbelastung von Fließgewässern wurde das Thema Reifenabrieb nicht berücksichtigt. (…)
Im Gegensatz zu Mikroplastik, das aus definierten Polymeren besteht, ist Reifenabrieb eine komplexe Mischung aus verschiedenen Stoffen (…). Reifenabrieb, wie er in der Umwelt vorliegt, analytisch zu erfassen ist eine große Herausforderung und aktuell Gegenstand von diversen Forschungsprojekten im Rahmen der Fördermaßnahme ‚Plastik in der Umwelt‘ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). So befasst sich der Projektverbund RAU ‚Reifenabrieb in der Umwelt‘ (https://bmbf-plastik.de/verbundprojekt/rau) schwerpunktmäßig mit dem Thema.“In diesem Zusammenhang werden aktuell durch die TU Berlin entsprechende Untersuchungen des Straßenabflusses durchgeführt, um hier weitergehende Erkenntnisse – speziell zum quantitativen Anteil des Reifenabriebs – zu gewinnen. Die Projektlaufzeit ist vorerst bis 2020 angesetzt.
Ihre Fragen beantworten wir wie folgt:
Frage 1:
Gibt es belastbare Schätzungen, welcher Anteil des Reifenabriebs in Mün- chen ohne Filtration in die Umwelt gelangt?
Frage 2:
Gibt es belastbare Schätzungen, welchen Anteil der Reifenabrieb an der Einleitung von Mikroplastik in die Isar hat?
Antwort zu den Fragen 1 und 2:
Gemäß den vorstehenden Ausführungen liegen hierzu dem Baureferat derzeit keine belastbaren Schätzungen vor.
Frage 3:
Kann der Reifenabrieb, der in der Kanalisation aufgefangen wird, in den beiden Klärwerken wirksam herausgefiltert werden?
Antwort:
Verschiedene wissenschaftliche Studien zeigen, dass konventionelle Kläranlagen einen Großteil des Mikroplastiks im Abwasser zurückhalten können. Aufgrund einer vergleichenden Analyse verschiedener Studien schätzt das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT die massebezogene Abscheideeffizienz von Kläranlagen für Mikroplastik auf 95% und für Makroplastik auf nahezu 100%. Auch die Partikelzahl wird deutlich vermindert, allerdings dürften sehr kleine Partikel in den Kläranlagen schlechter abgeschieden werden als größere Mikroplastikpartikel.
Bei der Münchner Stadtentwässerung wird in beiden Klärwerken die konventionelle Reinigung, bestehend aus der mechanischen und biologischen Stufe, durch einen zusätzlichen Verfahrensschritt ergänzt. Dieser weitergehende Abwasserreinigungsschritt ist die Sandfiltration. In der Fachwelt wird aktuell davon ausgegangen, dass sich solche Sandfilter zusätzlich positiv auf den Rückhalt von Mikroplastikpartikel auswirken.
Es ist außerdem davon auszugehen, dass sich in den Kläranlagen ein wesentlicher Anteil des Mikroplastiks aus dem Abwasser im Klärschlammabscheidet. Die Münchner Stadtentwässerung führt den gesamten entstehenden Klärschlamm schon seit vielen Jahren einer thermischen Behandlung zu und betreibt keine landwirtschaftliche, gärtnerische oder landschaftsbauliche Verwertung. Somit wird der Wiedereintrag des abgeschiedenen Mikroplastiks in die Umwelt vollständig vermieden.
Aufgrund der komplexen Stoffzusammensetzung des Abwassers ist es derzeit auf den Kläranlagen nicht möglich, konkrete Bilanzierungen der abgeschiedenen Mikroplastikfracht darzustellen. Hinzu kommen fehlende Standards für Probenahmen und Analysen, die eine Vergleichbarkeit der verschiedenen veröffentlichten Studien erschweren. Auch fundierte Erkenntnisse, welche Verfahren sich für eine zusätzliche Verbesserung der Abwasserreinigung im Hinblick auf Mikroplastik am besten eignen, liegen bisher nicht vor. Die Münchner Stadtentwässerung ist zu diesem Thema im intensiven Austausch mit Behörden und Fachausschüssen und ist als assoziierter Partner an drei Forschungsprojekten beteiligt. Sie hat das Ziel, in Zukunft die Maßnahmen zu ergreifen, die ein hohes Maß an Gewässerschutz bei gleichzeitig geringer Gebührenbelastung gewährleisten.
Frage 4:
Bei wie vielen Isar-Brücken im Stadtgebiet wird das Abwasser direkt in die Isar oder ihre Nebenarme geleitet?
Frage 5:
Wurde bei den betroffenen Brücken bereits eine Erneuerung des Kanalisationssystems geprüft, mit dem Ziel das Abwasser direkt in dieses einzuspeisen? Falls ja, warum ist bisher keine bauliche Veränderung erfolgt?
Frage 6:
Seit einiger Zeit gibt es Filtersysteme, die den Reifenabrieb bereits in den Gullys vom Schmutzwasser trennen. Ist deren Verwendung in München bereits geprüft worden?
Antwort zu den Fragen 4 bis 6:
Dem Baureferat sind Filtersysteme zum Rückhalt von Reifenabrieb, die direkt in konventionelle Straßensinkkästen (Gullys) eingebaut werden können, bekannt.
Zur Entwässerung von Straßen auf Brücken sind jedoch aufgrund der geringen verfügbaren Einbautiefe regelmäßig spezielle Straßensinkkästen mit geringer Bauteilhöhe erforderlich. In diese können entsprechende Filtersysteme aufgrund des Platzbedarfes nicht eingebaut werden.