Vorprogrammiertes Chaos bei Türkeiwahlen in der Münchner Altstadt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Alexandra Gaßmann, Richard Quaas, Johann Sauerer und Professor Dr. Hans Theiss (CSU-Fraktion) vom 7.6.2018
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage vom 7.6.2018 zur Beantwortung überlassen. Für die gewährte Fristverlängerung bedanke ich mich.
Inhaltlich teilen Sie Folgendes mit:
„In der Zeit von Donnerstag, den 7.6.18 bis einschließlich Dienstag, den 19.6.18 findet (auch an den Wochenenden), täglich von 9 bis 21 Uhr, in den Räumen der ‚Alten Bayer. Staatsban‘ die Stimmabgabe zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen der Republik Türkei für ganz Südbayern statt. Aufgrund der zahlreichen Wahlberechtigten aus ganz Bayern kommt es in dieser Zeit zu massiven Verkehrsbeeinträchtigungen im Bereich rund um die Kardinal-Faulhaber-Straße. Durch diese Situierung des Wahllokals wird sicherlich öffentlicher Grund in erheblichem Umfang in Anspruch genommen.
Daher hat die Landeshauptstadt München in der Kardinal-Faulhaber-Straße und am Salvatorplatz für den Zeitraum vom 6.6.2018 bis 20.6.2018 eine Einbahnregelung in nördlicher Richtung sowie Haltverbote eingerichtet. Die Einbahnregelung beginnt am Promenadeplatz und endet an der Jungfernturmstraße. Die Zufahrt vom Maximiliansplatz zur Prannerstraße wird ebenfalls gesperrt. Hier ist nur die Ausfahrt möglich.“
Zur umfassenden Beantwortung Ihrer Fragen habe ich das Polizeipräsidium München sowie die Lokalbaukommission um Stellungnahme gebeten. Zusammenfassend beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
Frage 1:
Welche Auswirkungen ergeben sich für den Verkehrsfluss in der Altstadt und wie wird der wegfallende Parkraum kompensiert?
Antwort:
In der Zeit vom 7.6.2018 bis 19.6.2018 war für die in Deutschland lebenden türkischen Staatsangehörigen die Stimmabgabe im Zusammenhang mit den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei möglich. Hierzu wurde durch das Generalkonsulat der Republik Türkei für die zirka 115.000 in Südbayern lebenden Wahlberechtigten in München die „Alte Bayerische Staatsbank“ in der Kardinal-Faulhaber-Straße 1 angemietet und als Wahllokal eingerichtet. Das Wahllokal stand für die Stimmabgabe täglich zwischen 9 bis 21 Uhr offen.
Das Polizeipräsidium München gewährleistete den Schutz der Wähler, die störungsfreie Durchführung der Stimmabgabe und damit im Zusammenhang stehender Versammlungen. Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs wurde ein Verkehrskonzept in Form einer Einbahnstraßenregelung, Einrichtung von Haltverbotszonen und Zufahrtsverboten erstellt.
Das Polizeipräsidium München teilte im Vorfeld der Stimmabgabe dem Generalkonsulat der Republik Türkei Parkmöglichkeiten für Busse und Pkw in der Nähe des Wahllokals mit, damit dieses die Wahlberechtigten hierüber informieren konnte.
Weder der Polizei noch dem Kreisverwaltungsreferat liegen Erkenntnisse zu einer weitreichenden Beschwerdelage vor. Nach Auskunft der Polizei waren die Auswirkungen auf den Verkehrsfluss und die Parksituation in der Altstadt den Umständen entsprechend gering. Bei einer internen Kontrolle des Verkehrsmanagements des Kreisverwaltungsreferates am 8.6.2018 gegen ca. 12.30 Uhr waren im Bereich des Wahllokals keinerlei verkehrlichen Beeinträchtigungen feststellbar.
Frage 2:
Wie viel öffentlicher Raum wird durch die Situierung des Wahllokals in Anspruch genommen?
Antwort:
Auf Antrag des Polizeipräsidiums München wurden vom Verkehrsmanagement des Kreisverwaltungsreferates folgende Haltverbote angeordnet:
1. zur Gewährleistung der Durchfahrt und als Aufstellfläche für Infostände und Versammlungen:
- Kardinal-Faulhaber-Straße, Ostseite, zwischen Maffeistraße und Salvatorstraße, täglich von 9 bis 21 Uhr auf ca. 125 Metern.
- Kardinal-Faulhaber-Straße, Westseite, zwischen Prannerstraße und Salvatorstraße, täglich von 9 bis 22 Uhr auf ca. 55 Metern.
2. als Anfahrtszone für Busse:
- Maximiliansplatz, südöstliche Fahrbahn, Südseite (in Fahrtrichtung rechts) zwischen Prannerstraße und Haupteingang „Bang & Olufsen“ (Maximilianplatz 14), täglich von 9 bis 22 Uhr auf 70 Metern.
- Maximiliansplatz, südöstliche Fahrbahn, Südseite (in Fahrtrichtung rechts) zwischen Haupteingang „Bang & Olufsen“ (Maximiliansplatz 14)und Jungfernturmstraße, 9./10.6.2018 und 16./17.6.2018 von 9 bis 21 Uhr auf ca. 50 Metern.
Auf Antrag des türkischen Generalkonsulats wurde als Ein- und Ausstiegszone für gebrechliche und gehbehinderte Menschen folgendes Halteverbot angeordnet:
- Salvatorstraße Südseite, westlich Kardinal-Faulhaber-Straße, auf 30 Metern in Richtung Anwesen Salvatorstraße 2, täglich von 9 bis 21 Uhr.
Soweit dies verkehrlich vertretbar war, wurden diese Maßnahmen teilweise von der Polizei situativ aufgehoben und damit den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort angepasst.
Frage 3:
Wer hat die Einrichtung eines Wahllokals in diesem Gebäude genehmigt?
Antwort:
Der von der türkischen Seite betriebenen Einrichtung des Wahllokals in den Räumlichkeiten der Alten Bayerischen Staatsbank wurde durch die Bundesregierung ohne Beteiligung des Kreisverwaltungsreferates zugestimmt. Das Polizeipräsidium München wurde hierüber mit Verbalnote des Auswärtigen Amtes informiert.
Der äußere Schutz des Gebäudes sowie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Außenbereich waren durch die deutschen Sicherheits- und Ordnungsbehörden zu gewährleisten.
Die organisatorische Vorbereitung (z.B. Anmietung von Wahlräumen und Gewährleistung von Mietzahlungen) und Durchführung der Wahlen (z. B. Beauftragung geeigneter Sicherheitsfirmen für Zugangskontrollen und Sicherheitsmaßnahmen innerhalb des Wahllokals) sowie die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung innerhalb des Wahllokals oblag ausschließlich der türkischen Seite. Eine Erlaubnis nach Art. 19 Landesstraf- und Verordnungsgesetz war nicht erforderlich, da es sich nicht um eine öffentliche Vergnügungsveranstaltung handelte. Die Einhaltung der Flucht- und Rettungswege wurde durch die Branddirektion geprüft.
Frage 4:
Wurden die außerordentlichen verkehrlichen Belastungen bei der Geneh- migung überhaupt berücksichtigt?
Antwort:
Am 7.5.2018 fand ein Vorgespräch im Polizeipräsidium München unter Beteiligung des Verkehrsmanagements und der Versammlungsbehörde des Kreisverwaltungsreferates statt, wobei insbesondere Bedenken bezüglich der Innenstadtlage des Wahllokals und daraus womöglich resultierender Verkehrsbehinderungen erörtert wurden; diese Erörterung beinhaltete neben der Analyse auch Maßnahmen zu deren weitgehender Kompensation. Die Gesprächsergebnisse wurden durch das Polizeipräsidium München an das Bayerische Staatsministerium des Innern, Bau und Verkehr übermittelt. Verkehrliche Gründe, wonach zwingend eine andere Örtlichkeit für das Wahllokal zu finden war, lagen nicht vor. Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 mitgeteilt, kam es auch zu keiner weitreichenden Beschwerdelage.
Frage 5:
Ist eine solche Nutzung aus planerischer Sicht (Art der baulichen Nutzung) überhaupt zulässig?
Antwort:
Laut Auskunft der Lokalbaukommission widerspricht die Nutzung der genehmigten Versammlungsstätte als Wahllokal nicht den bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Maßgaben.
Frage 6:
Für wie viele Personen ist das Wahllokal als Versammlungsstätte zugelassen?
Antwort:
Die Höchstbesucherzahl der genehmigten Versammlungsstätte liegt laut Auskunft der Lokalbaukommission im gesamten Untergeschoss bei 1.200 Personen. Das türkische Generalkonsulat hat während des Verlaufs der Wahl mit 200 gleichzeitig anwesenden Besuchern gerechnet, womit die Höchstbesucherzahl eingehalten war. Brandschutzrechtliche Gründe, die Nutzung als Wahllokal zu verhindern, lagen nicht vor.
Frage 7:
Wurden Auflagen hinsichtlich der Ausstattung mit genügend WC-Anlagen gemacht, damit Zustände wie vor dem rumänischen Konsulat bei deren Parlamentswahl nicht vorkommen können?
Antwort:
Seitens des Kreisverwaltungsreferates wurden keine Auflagen bezüglich der Toilettensituation erlassen. Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung innerhalb des Wahllokals oblag ausschließlich der türkischen Seite (s.a. Antwort zu Frage 3).
Frage 8:
Sind genügend Ordnungskräfte vor Ort?
Antwort:
Seitens des Kreisverwaltungsreferates wurden auch diesbezüglich keine Auflagen bezüglich von Ordnungskräften erlassen. Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung innerhalb des Wahllokals lag in der Zuständigkeit des türkischen Generalkonsulats. Der äußere Schutz des Gebäudes sowie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Außenbereich waren durch das Polizeipräsidium München gewährleistet (s.a. Antwort zu Frage 3).
Frage 9:
Wie wirkt sich der Betrieb des Wahllokals über mehrere Wochen auf die hiesige Sicherheitslage aus, wenn man die politische Lage in der Türkei und den Einsatz des türkischen Militärs berücksichtigt?
Antwort:
Der Betrieb des Wahllokals hatte keine Auswirkungen auf die Sicherheitslage in München.
Die im Zusammenhang mit den Stimmabgaben angezeigten Versammlungen und Informationsstände verliefen störungsfrei.
Aufgrund der politischen Lage in der Türkei und des Einsatzes des türkischen Militärs waren bereits vor der Möglichkeit zur Stimmabgabe anlässlich der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen Versammlungen in der Landeshauptstadt München angezeigt, welche ebenfalls ohne nennenswerte Störungen verliefen.
Frage 10:
Warum wird eine solche Veranstaltung, die sich über mehrere Wochen hinzieht und eine hohe Nutzungsfrequenz auslöst, nicht in anderen Bereichen, wie z.B. der Messe, etabliert?
Antwort:
Die Entscheidung hierüber obliegt nicht der Landeshauptstadt München. Das türkische Generalkonsulat teilte im Rahmen des Abstimmungsverfahrens mit, dass eine andere Örtlichkeit nicht vorhanden bzw. zu organisieren gewesen sei.