München „hitze-fit“ – Frischluftkorridore
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl und Mario Schmidbauer (Fraktion Bayernpartei) vom 9.8.2018
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Am 9.8.2018 haben Sie folgende schriftliche Anfrage gestellt:
„Der langanhaltende und überaus heiße Sommer ist noch nicht vorbei und der nächste kommt bestimmt. Längere Hitzewellen und weitere klimatische Veränderungen machen den Münchnerinnen und Münchnern zu schaffen. Auch Tiere und die Natur leiden.
Die wärmsten je gemessenen Jahre fallen alle, so die Analysten, in die Zeit seit 2005. Die notwendige bauliche Nachverdichtung in München erhöht zusätzlich die Stadttemperatur in diesen Tagen um drei bis fünf Grad. In diesen heißen Wochen und Tagen wird es als sehr wohltuend von den Münchnern und Münchnerinnen erlebt, wenn der Wind frische Luft durch die städtischen Frischluftkorridore weht. Das ist ein Stück Münchner Lebensqualität, das es zu erhalten gilt.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Bearbeitung zugeleitet. Für die gewährte Fristverlängerung bedanke ich mich. Die in Ihrer Anfrage aufgeworfenen Fragen beantworte ich wie folgt:
Frage 1:
Wo genau erstrecken sich die sog. Frischluftschneisen im Stadtgebiet? Bitte eine Übersicht vorlegen.
Antwort:
Für das Münchner Stadtgebiet wurde eine Stadtklimaanalyse (Klimafunktionskarte) erstellt. Diese enthält – berechnete – Karten zu den thermischen Bedingungen im Stadtgebiet und zum Luftaustausch. Die einzelnen Ergebnisse wurden in einer Analyse- und einer Bewertungskarte (s. Anlage 1 und 2) zusammengefasst. Die Karte wurde von der Vollversammlung des Stadtrats 2014 beschlossen (s. Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats vom 17.12.2014, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 01810). Zudem ist die Karte und der begleitende Fachbericht auf der Website des Referats für Gesundheit und Umwelt veröffentlicht (http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Stadtklima/Stadtklimaanalyse.html).
In diesem Rahmen wurden auch Leitbahnen für den Luftaustausch zwischen Siedlungsräumen und Ausgleichsräumen im Umland identifiziert.Hier spielen die Isarauen im Süden des Stadtgebiets und im Norden mit dem Englischen Garten sowie weitere großflächige, zusammenhängende Grün- und Freiflächen, die vom Umland ins Stadtgebiet hineinreichen, eine wichtige Rolle.
Mit den beiliegenden Karten (s. Anlage 1 und Anlage 2) wird eine Übersicht vorgelegt, die den Luftaustausch im Münchner Stadtgebiet darstellt. In der Analysekarte (s. Anlage 1) ist der Luftaustausch im Einzelnen dargestellt:
-Kaltluftleitbahnen (Darstellung: große blaue Pfeile) ermöglichen den Luftaustausch zwischen Siedlungsräumen und Ausgleichsräumen im Umland, basierend auf dem modellierten Kaltluftströmungsfeld.
-Durch die nächtlichen Temperaturunterschiede zwischen dicht bebauten Bereichen und Grünflächen bilden sich Ausgleichsströmungen aus. Dargestellt ist die Hauptströmungsrichtung der Flurwinde in den Grün- und Freiflächen (Darstellung: kleine blaue Pfeile).
-Übergeordnete Ventilationsbahnen (Darstellung: graue Balken) weisen Luftaustauschpotential aufgrund ihrer geringen Rauigkeit auf und sind je Windrichtung wirksam.
Zusätzlich werden in der stadtklimatischen Bewertungskarte (s. Anlage 2) die klimawirksamen Grün- und Freiflächen dargestellt. Grün- und Freiflächen sind klimaökologische Ausgleichsräume und können die Wärmebelastung in den Siedlungsflächen verringern.
In einer differenzierten Beurteilung wird auch der mögliche Einfluss von klimatischen Bedingungen auf den Menschen mit einbezogen: So wird die Nähe von Grünflächen zu Siedlungsräumen mit ungünstiger oder weniger günstiger bioklimatischer Situation berücksichtigt. Des Weiteren fließen folgende Größen ein: Leitbahnen zum Luftaustausch und ihr Umfeld, Aufenthaltsqualität am Tage aus bioklimatischer Sicht – Parkflächen und Waldflächen.
-Als „sehr hohe bioklimatische Bedeutung“ wurden Grünflächen eingestuft, die in einer Kaltluftleitbahn liegen oder mit einem direkt zugeordneten, bioklimatisch stark belasteten Wirkungsraum (1 km Entfernung) verknüpft sind.
-Grünflächen, die mit einer „hohen bioklimatischen Bedeutung“ eingestuft wurden, verfügen entweder über einen direkt zugeordneten, bioklimatisch belasteten Wirkungsraum, weisen ein überdurchschnittliches Kaltluftliefervermögen auf oder die Fläche weist eine hohe Aufenthaltsqualität am Tage in fußläufiger Erreichbarkeit auf.
Frage 2:
Welche Auswirkungen haben die städtischen Frischluftkorridore auf die Gesundheit der Menschen und die mögliche Senkung der Temperatur in der Stadt?
Antwort:
Das Klima im Stadtgebiet von München weist im Vergleich zum Umland einige Besonderheiten auf. Durch die dichte Bebauung und den hohen Versiegelungsgrad ergibt sich ein „Wärmeinseleffekt“ mit durchschnittlich 2-3 °C Temperaturdifferenz zum Umland, besonders groß ist der Temperaturunterschied nachts (bis zu 10 °C Differenz). Eine räumliche Differenzierung ergibt sich durch die Dichte der Bebauung und das Potenzial für Durchlüftung (Luftaustausch).
Dieser Effekt wird sich durch die bereits eingetretenen und die erwarteten thermischen Veränderungen durch den Klimawandel (Anstieg der Durchschnittstemperatur, Zunahme der Hitzeextrema, Zunahme der Sommertage und heißen Tage, Zunahme der Nächte ≥ 20 °C) verstärken. Gerade die Nachtsituation ist für die menschliche Gesundheit von großer Bedeutung. In Nächten mit ≥ 20 °C ist die Regenerationsfähigkeit eingeschränkt (s. Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats vom 15.11.2016, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 06819). Der Luftaustausch im Stadtgebiet (s. Anlage 1 und 2) trägt zum Abbau von thermischen und lufthygienischen Belastungen bei.
Frage 3:
In wie weit wird bei Nachverdichtungsmaßnahmen und dem Bau neuer Wohngebiete Rücksicht genommen auf den Erhalt der Frischluftkorridore? An welchen Stellen wurde durch Nachverdichtung die Frischluftzufuhr bereits beeinträchtigt?
Antwort:
Grün- und Freiflächen haben für das Stadtklima eine wichtige Bedeutung, etwa für die nächtliche Abkühlung und als Korridore für den Luftaustausch. Aufgrund der aktuellen Siedlungsentwicklung und des hohen Bebauungsdrucks ist eine genaue Betrachtung der klimatisch bedeutsamen Flächen von besonderer Bedeutung.
Die Klimafunktionskarte bildet eine wichtige Abwägungsgrundlage für die bauliche Entwicklung in München und für eine Weiterentwicklung klimawirksamer Freiflächen und Siedlungsstrukturen. Die Maßnahme „Integration der Klimafunktionskarte in die Stadtplanung“ wurde im Rahmendes „Maßnahmenkonzepts Anpassung an den Klimawandel in der Landeshauptstadt München“ (Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats vom 15.11.2016, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 06819) entwickelt und wird seitdem gemeinsam mit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung umgesetzt:
Ein frühzeitiges Screening vor der Ausschreibung städtebaulicher Wettbewerbe, der Erstellung von Strukturkonzepten und der Aufstellung von Bebauungsplänen trägt dazu bei, dass die klimatische Wirksamkeit von Flächen erhalten und der groß- und kleinräumige Luftaustausch funktionsfähig bleibt. Bei Betroffenheit stadtklimatisch hochwirksamer Flächen wird ein vertiefendes mikroklimatisches Gutachten vergeben und auf dieser Basis werden Kriterien für städtebauliche Wettbewerbe (falls stattfindend) bzw. Planungshinweise für die jeweiligen Vorhaben abgeleitet. Sehr wichtig ist eine frühzeitige Berücksichtigung im Planungsprozess – dies wird mit der beschriebenen Vorgehensweise ermöglicht.
Die Anlagen zur Antwort können abgerufen werden unter:
https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_antrag_dokumente.jsp?risid=5088733