Reif für Kultur – Programm für Senioren in Münchner Museen und Sammlungen im Kunstareal
Antrag Stadtrats-Mitglieder Dr. Wolfgang Heubisch, Dr. Michael Mattar, Gabriele Neff, Thomas Ranft und Wolfgang Zeilnhofer (Fraktion FDP – HUT) vom 12.10.2017
Antwort Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers:
Sie beantragen:
„Der Stadtrat möge beschließen:
Die städtischen Museen in München entwickeln in Zusammenarbeit mit den staatlichen Museen im Kunstareal ein spezielles Kulturprogramm für Senioren nach dem Vorbild der Stadt Mainz (vgl. http://www.landesmuse-um-Mainz.de/museum-aktiv/veranstaltungsreihen/reif-fuer-kultur).“
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen, dass die städtischen Museen und die staatlichen Museen im Kunstareal ein spezielles Seniorenprogramm nach dem Vorbild der Stadt Mainz entwickeln. Der Auftrag, kulturelle Bildung für Seniorinnen und Senioren in den Münchner Museen anzubieten, wird seit den frühen 1990er Jahren bereits sehr intensiv umgesetzt. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 12.10.2017 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Besucht man die Webseite des Landesmuseums Mainz, werden unter dem Kennwort „Reif für Kultur“ für Seniorinnen und Senioren zwei- bis dreimal im Monat Führungen in den verschiedenen Museen mit anschließendem Besuch im Café und der Gelegenheit zum Gespräch und Kontakt angeboten.
Der Antrag zielt vor allem auf das Münchner Kunstareal ab. Dabei wird jedoch die Vielfalt der ca. 62 Münchner Museen nicht deutlich. Das Angebot, das seit Jahren in allen Münchner Museen auch für Seniorinnen und Senioren stattfindet, übersteigt das angesprochene Format bei Weitem. Neben eigenen Webseiten, eigenen Flyern und Veröffentlichungen sind sämtliche Münchner Museen auch im Internet auf dem Museumsportal http://museen-in-muenchen.de vertreten. Noch buchbare Angebote sind außerdem über die städtische Datenbank für kulturelle Bildung http://www.musenkuss-muenchen.de zu finden.Auf diesen beiden Internetportalen werden alle Ausstellungen, Führungen und Veranstaltungen tagesaktuell eingepflegt. Seit vielen Jahren werden Führungen für alle Alters- und Interessengruppen durch die Münchner Volkshochschule (MVHS), das Seniorenprogramm der MVHS, von allen Münchner Bildungsträgern, von allen Museen selbst sowie von vielen freien, selbständigen Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittlern angeboten. Auch letztere nutzen mit ihrem – oft über Jahre bestehenden, älter werdenden, privaten – Kundenstamm die Münchner Museen.
Die Museen in München haben sich seit langem auf den Weg gemacht, Angebote für Seniorinnen und Senioren vorzuhalten, nicht zuletzt, weil auch hier der demographische Wandel angekommen ist. Nicht nur in München werden die Besucherinnen und Besucher der Museen älter, auch die nach München kommenden Touristinnen und Touristen. Ca. 60% der Museumsbesucherinnen und -besucher sind mittlerweile 60 Jahre und älter. Gerne nehmen sie auch altersübergreifende Angebote wahr. Das Thema Inklusion ist mittlerweile ebenfalls an den Häusern angekommen. Dauerhafte Barrierefreiheit ist hier jedoch noch umzusetzen. Texteinblendungen, Tastführungen oder Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher sind zwar im Angebot, dennoch muss noch jedes Haus individuell Erfahrungen sammeln und die Barrierefreiheit und deren Praktikabilität ausloten.
Das Seniorenprogramm der Münchner Volkshochschule stellt zur Frage nach Angeboten für Seniorinnen und Senioren im Bereich Kunstvermittlung in Museen Folgendes fest:
„Es gibt in der Stadt München ein breitgefächertes Kunst- und Kulturangebot für Seniorinnen und Senioren, das von unterschiedlichsten Trägern und auch von den Museen selber durchgeführt wird. So bietet die MVHS schon seit Jahrzehnten ein eigenständiges Programm ‚Die MVHS im Museum‘ mit mehr als 850 Veranstaltungen im Jahr 2017 für alle Altersgruppen an. Davon fanden 2017 allein 50 Veranstaltungen im Zielgruppenprogramm Senioren Volkshochschule statt.
Begleitend zu Sammlungen und Sonderausstellungen von Münchner Museen und Ausstellungshäusern bietet die MVHS in enger Kooperation mit den Kulturinstitutionen ein differenziertes Vermittlungsangebot für Seniorinnen und Senioren an, das von erfahrenen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern kreativen Kunst-, Kultur-, und Museumspädagoginnen und Museumspädagogen, Archäologinnen und Archäologen, Ethnologinnen und Ethnologen sowie und Historikerinnen und Historikern durchgeführt wird.Speziell für die ältere Generation gibt es schon seit 1975 das Seniorenprogramm der MVHS, ursprünglich gefördert vom Sozialreferat der LHM. Kunstgeschichtliche Vorträge und Stadtteilspaziergänge im Seniorenprogramm gibt es seit Mitte der 80er Jahre, gezielte Ausstellungsbesuche und Museumsführungen seit 1991. Die Einbindung der Senioren Volkshochschule in das Programm ‚MVHS im Museum‘ fand ab Frühjahr 2010 statt und wurde dadurch stark ausgeweitet. Seither bietet die MVHS Kunst-Cafés und spezielle Studienkreise an, die die Möglichkeit des Austausches und der Vernetzung untereinander fördern. In unseren Reihenkursen, die bestimmte Museen oder Kunstepochen fokussieren, entsteht eine enge Bindung zu den Dozentinnen und Dozenten, die eine Umgebung des Vertrauens und der Sicherheit schaffen. Diese fast schon ‚familiäre‘ Atmosphäre zeichnet sich durch eine hohe Treue der Teilnehmenden am Programm aus.
Zudem finden jedes Semester in Kooperation mit dem Fachgebiet Barrierefrei lernen der Münchner Volkshochschule barrierefreie Führungen in den Münchner Museen statt. Die Führungen werden von Dolmetscherinnen und Dolmetschern in die Deutsche Gebärdensprache übersetzt. Die Führungen werden, vor allem von gehörlosen Seniorinnen und Senioren, sehr gut angenommen. Im Jahr 2017 gab es dazu fünf Führungen in der Villa Stuck, drei in der Artothek, zwei in der Kunsthalle München und eine im Münchner Stadtmuseum. Alle unsere Führungen können durch Zuhilfenahme von hauseigenen Audiofunksystemen auch für Menschen mit Höreinschränkungen störgeräuschfrei durchgeführt werden.
Wir versuchen stets, unser Bildungsangebot für Seniorinnen und Senioren nach den Gegebenheiten und Bedingungen des älter werdenden Men-
schen mit und ohne Behinderung auszurichten. Die Gestaltung der Lebensphase nach dem Beruf ist dabei entscheidend im Sinne eines ‚aktiven, lebenslangen Lernens‘ zu unterstützen – auch durch Kunstvermittlung. Die Planung des Programms MVHS im Museum/Kunst- und Kulturge-
schichte wird bereits in enger Absprache mit den Museen durchgeführt. Eine noch engere Vernetzung aller Anbieter der Kunstvermittlung wäre sicher sinnvoll, um die Angebote besser abzustimmen und innovative Weiterentwicklungen in der Kunstvermittlung für spezielle Zielgruppen aufzuzeigen.“
Das Münchner Bildungswerk ist seit mehr als 20 Jahren Gast in den Münchner Museen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit werden in den
verschiedenen Museen regelmäßig Führungen für die Betroffen der Rheumaliga und der Parkinsongesellschaft sowie weiterer Zielgruppenangeboten, bei denen auf die spezifischen Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen besonders Wert gelegt wird. Aktuell werden z.B. für sehbehinderte Seniorinnen und Senioren im Bayerischen Nationalmuseum und in der Münchner Residenz Tastführungen durchgeführt. Diese Führungsformate sind spezifisch auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer abgestimmt, jedoch ist jederzeit die Teilnahme von weiteren Interessierten möglich.
Im Sinne der Zielsetzung, Kultur nicht nur zu konsumieren, sondern auch persönlich erfahrbar zu machen, bietet das Evangelische Bildungswerk München (ebw) seit ca. 20 Jahren vor allem erlebnisorientierte Zugänge zur Kunst und Exkursionen zu Kultureinrichtungen in der Stadt (aktuell z.B. Museum Brandhorst oder der Hypo-Kunsthalle). Die Einführungen in zeitgenössische Kunst und deren Ausdrucksmittel sind sehr gefragt. Darüber hinaus bieten die Absolventinnen und Absolventen des Fortbildungskurses Kulturführerschein als ehrenamtlich Kulturführerinnen und Kulturführer (viele selbst über 60 Jahre alt) kreative Zugänge zu Ausstellungen in verschiedenen Münchner Museen an.
Auch wissenschaftlich wird die kulturelle (Erwachsenen-) Bildung seit vielen Jahren beleuchtet und erforscht. In Bezug auf die Zielgruppe der Seniorinnen und Senioren sind hier die in ihren Grundzügen sicher noch gültige Dissertation aus dem Jahre 2013 (Esther Gajek: Seniorenprogramme an Museen: alte Muster – neue Ufer. Waxmann, Münster u.a. 2013.
(= Regensburger Schriften zur Volkskunde – vergleichenden Kulturwissenschaft, Band 25) sowie der Beitrag derselben Autorin im Handbuch Museumspädagogik 2016 (Esther Gajek: Senior/innen in Museen. In: Handbuch Museumspädagogik. Kulturelle Bildung in Museen. Hrsg. von Hannelore Kunz-Ott, Beatrix Commandeur, Karin Schad. S. 278-284.) zu nennen. Den Museen selbst wird eher davon abgeraten, noch weitere öffentliche Angebote speziell für Seniorinnen und Senioren einzuführen, weil sich die Zielgruppe selbst anders sieht.
Dies ist auch die Erfahrung der Museen im Kunstareal. Die Seniorinnen und Senioren besuchen sowohl die speziellen Führungsformate der zusätzlichen Anbieter als auch die Führungen der Museen selbst. Das Lenbachhaus, die Pinakotheken, das Museum Brandhorst, die Ägyptische Sammlung, die Antikensammlungen und Glyptothek, aber auch das NS-Dokumentationszentrum zeigen ein vielfältiges, experimentierfreudiges und möglichst inklusives Angebot, das über die Webseiten der Museen selbst, über Flyer und Museen übergreifende Programmhefte, über das Museumsportal und die Bildungsprogramme angeboten wird. Die Institutionen im Kunstareal tauschen sich regelmäßig in einer Projektgruppe aus.
Seit 2016 finden im Kunstareal und darüber hinaus (Artothek, Bayerisches Nationalmuseum, Lenbachhaus, Museum Villa Stuck, Pinakothek der Moderne, Staatliches Museum Ägyptischer Kunst) Führungen für Menschen mit Demenz und für ihre Angehörigen statt. Auf Initiative der Stiftung Pinakothek der Moderne wird KunstZeit durch die freundliche Unterstützung der Josef und Luise Kraft-Stiftung ermöglicht. KunstZeit wird als öffentliche Führung oder auch als privat buchbare Führung angeboten. Ebenso werden buchbare Gruppenangebote für Senioreneinrichtungen und in Kooperation mit Alten-Service-Zentren ausgearbeitet und durchgeführt. Beispiele dafür sind die Projekte „KunstZeit“ und „Kunst kommt“.
Der Vorschlag, Führungen für Seniorinnen und Senioren in verschiedenen Museen anzubieten, ist bereits umgesetzt. An der Verbesserung der Barrierefreiheit wird in allen Museen weiter gearbeitet. Die Überlegungen zu neuen, Generationen übergreifenden und inklusiven Formaten werden in den bereits vernetzen Arbeitsgruppen und „Round Tables“ besprochen.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.