Kann die Taubenplage in Teilen der nord-östlichen Altstadt auch durch den Einsatz des Bussard Hillary oder eines Falken reduziert werden?
Anfrage Stadtrat Richard Quaas (CSU-Fraktion) vom 18.12.2017
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„In den Medien ist zurzeit zu lesen, dass in der Hofstatt durch den Einsatz eines Wüstenbussards namens Hillary, die dortige Taubenplage, mit all den unangenehmen Begleiterscheinungen, wie Verkotung, Bauschäden, Krankheitsübertragung usw., beseitigt wurde und jetzt mit dem gezähmten Raubvogel, das Untergeschoss des Stachus, wo sich eine Taubenkolonie gebildet hat, ebenfalls taubenfrei gemacht werden soll. Der Erfolg in der Hofstatt ist offensichtlich durchschlagend und zeigt, dass mit einem quasi ‚biologischen‘ Mittel mehr erreicht werden kann, als mit anderen Vergrämungsmaßnahmen bzw. mit im Betrieb teuren Taubenhäusern in der Stadt. Rund um die Burgstraße, den Alten Hof und am Max-Joseph- Platz ist ebenfalls eine unangenehme Ballung von Tauben zu beobachten, die alle schon beschriebenen unangenehmen Begleiterscheinungen rund um die Oper, bis zum Marienplatz mit sich bringen, was, durch illegale Taubenfütterer, die seit Jahren dort ihr Unwesen treiben, noch verstärkt wird. Hier würde sich ein Einsatz des Bussards oder auch eines Falken durch einen Falkner anbieten, um endlich dieses Problem für Bewohner, Hauseigentümer, die Stadt und den Staat, aber auch für Passanten in den Griff zu bekommen, nachdem alle anderen Versuche mehr oder weniger zu keinem Erfolg geführt haben.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Kreisverwaltungsreferates – städtisches Veterinäramt wie folgt:
Gestatten Sie mir zunächst einige Vorbemerkungen zum Verhalten und zur Biologie von Stadttauben und Greifvögeln.
Die Größe einer Stadttauben-Population hängt vor allem von dem zur Verfügung stehenden Nahrungsangebot und der Anzahl der vorhandenen Nistmöglichkeiten ab. In der Altstadt ist beides in großer Anzahl vorhanden, dementsprechend groß ist hier die Population.Beutegreifer wie Greifvögel haben demgegenüber nur einen kleinen Einfluss auf die Anzahl der Tauben. Als natürliche Feinde der Tauben kommen bei uns nur Wanderfalke, Habicht und Sperber-Weibchen sowie der Uhu in Frage. Diese Vögel jagen andere Vögel und sind auch groß genug, um Tauben zu schlagen. Turmfalken jagen hauptsächlich kleine Säugetiere und gelegentlich kleine Vögel, sind aber für die Jagd auf Stadttauben zu klein. Greifvögel erbeuten hauptsächlich junge und unerfahrene sowie alte und kranke Tiere. Sie können daher einen Beitrag zur gesundheitlichen Kontrolle der Taubenopulation spielen.
Der Landesbund für Vogelschutz e.V. (LBV) – Kreisgruppe München schätzt die Anzahl der in München brütenden Wanderfalken auf drei bis fünf Paare pro Jahr und geht davon aus, dass damit das Stadtgebiet flächendeckend mit Brutplätzen abgedeckt ist. Wanderfalkenpärchen besetzen ein großes Revier, das sie auch gegen andere Wanderfalken verteidigen, so dass die Population in diesem Fall nicht durch zusätzliche Nisthilfen beliebig vergrößert werden kann.
Sperber und Habicht sind Waldbewohner, kommen aber in großen Grünanlagen auch im Stadtgebiet vor. Dem RGU ist bekannt, dass vermutlich durch einen Habicht getötete Stadttauben einige Male in der Nähe des Taubenhauses an der Münchner Freiheit gefunden wurden.
Greifvögel unterscheiden nicht zwischen Stadttauben und anderen Vögeln, das heißt, dass bei ihrem Einsatz auch geschützte Wildvögel beunruhigt oder sogar getötet werden können. Der Einsatz eines Falkners zur Taubenvergrämung im Freien ist deshalb generell nur außerhalb der Brutzeit möglich.
Beim Einsatz von Greifvögeln müssen zudem die tierschutzrechtlichen Aspekte berücksichtigt werden. Bei der Vertreibung der Tauben durch Greifvogeleinsatz sind alle Maßnahmen zu ergreifen, damit den Tieren keine Schmerzen, Leiden oder Schäden ohne vernünftigen Grund entstehen. Besonders die zurückgelassenen Jungtiere können davon betroffen sein. Mit erfolgreicher Vertreibung der Elterntauben laufen die Nestlinge Gefahr zu verhungern oder zu verdursten. Das bedeutet, dass Jungtiere entweder aus den Nestern entfernt und anderweitig versorgt oder im Extremfall sogar getötet werden müssen, um erhebliches Leiden von ihnen abzuwenden. Unter freiem Himmel bestehen erhebliche Zweifel, ob alle von den Elterntieren noch zu versorgenden Jungtiere zuverlässig gefunden werden können.Ein Taubenschwarm löst sich beim Einsatz eines Falkners nicht auf, die Tiere suchen nur einen sicheren Standort auf. Wie bei jeder Vergrämungs-Maßnahme kommt es lediglich zu einer Verlagerung des Problems: Können die Tiere z. B. einen neu vernetzten Balkon oder mit Spikes ausgerüsteten Sims nicht mehr nutzen, weichen sie auf andere Plätze in der Umgebung aus. Das Problem tritt an diesem neuen Standort neu oder verstärkt auf.
Aus den Erfahrungen in der Hofstatt und anderen Ortes zeigt sich auch, dass der Einsatz von Greifvögeln insbesondere anfangs beinahe täglich zu unterschiedlichen Zeiten erfolgen muss. Um den Vergrämungseffekt aufrecht zu erhalten, muss der Greifvogel aber auch danach zwei- bis viermal pro Woche eingesetzt werden. Deswegen ist diese Maßnahme zur Taubenvergrämung insgesamt äußerst kostenintensiv.
Das RGU stuft den Einsatz eines Greifvogels in stark frequentierten mehr oder weniger geschlossenen Räumen aus Gründen des Schutzes der Münchner Bevölkerung als nicht unproblematisch ein: Die eingesetzten Tiere können in einer Situation der Beunruhigung nicht – wie es artgemäß üblich wäre – nach oben oder seitlich ausweichen. In einer solchen Stresssituation kann es nicht ausgeschlossen werden, dass Passanten oder neugierige Kinder bei einer versuchten Landung auf einer Person unabsichtlich durch die Krallen verletzt werden oder sogar angegriffen werden. Demzufolge muss der Einsatz des Greifvogels an strenge Bedingungen geknüpft sein. Unter anderem muss der Greifvogel ausreichend für die Tätigkeit trainiert sein und darf nicht nervös oder schreckhaft auf Menschen und eine fremde Umgebung reagieren. Mit Gewährleistung der Sicherheitsaspekte für den Menschen kann der Greifvogeleinsatz auch aus tierschutzfachlicher Sicht akzeptiert werden. Diesbezüglich obliegt die Entscheidung über die Einsetzbarkeit des Greifvogels alleine dem Falkner.
Obwohl der Einsatz der Greifvögel nicht zum Töten der Tiere erfolgt, sondern nur ihrer Vergrämung bzw. Vertreibung dient, stößt er bei Freundinnen und Freunden der Stadttauben zuweilen auf wenig Sympathie. Dem RGU ist bekannt, dass ein Falkner während des Einsatzes von dieser Gruppe von Bürgerinnen und Bürger auch schon des Öfteren belästigt wurde. Das Referat für Gesundheit und Umwelt befürwortet unter Würdigung aller Aspekte deshalb sanftere und längerfristig wirkende Methoden.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass es bei dieser Fragestellung den einfachen und preiswerten Weg nicht gibt. Nur ein Bündel von Maßnahmen, die auf die jeweilige Situation angepasst sind, kann nachhaltig Erfolg versprechen.
Darauf aufbauend beantwortet das Referat für Gesundheit und Umwelt Ihre Fragen wie folgt:
Frage 1:
Setzt auch die Stadt Falkner mit ihren gezähmten Raubvögeln ein, um grö- ßere Ansammlungen von Stadttauben aufzulösen, bzw. zu reduzieren?
Antwort:
Das Kommunalreferat – Markthallen München beauftragte im Sommer 2017 einen Falkner mit der Taubenvergrämung am Viktualienmarkt. Der Falkner ließ mehrmals morgens einen Wüstenbussard jeweils ein bis zwei Stunden lang fliegen.
Frage 2:
Wenn ja, wie sind die Erfahrungen unter freiem Himmel damit?
Antwort:
Erwartungsgemäß flohen die Stadttauben während der Zeiten, in denen der Greifvogel vor Ort war, vom Viktualienmarkt. Sie kehrten aber nach wenigen Stunden – sobald die Luft wieder „rein“ war – zum Viktualienmarkt zurück. Das am Viktualienmarkt vorhandene Angebot an Futter gleicht die zeitweise Beunruhigung durch den Greifvogel mehr als aus. Auch aus Kostengründen stellte das Kommunalreferat den Versuch deshalb nach ca. zwei Wochen ein.
Frage 3:
Wenn nein, warum wird, bzw. wurde dieses probate Mittel gegen die örtlichen Taubenplagen nicht genutzt, bzw. in Erwägung gezogen?
Antwort:
Siehe dazu Frage 1 und 2.
Frage 4:
Welche Mittel wurden bislang eingesetzt, um die große Taubenkolonie in der nordöstlichen Altstadt aufzulösen, bzw. zu reduzieren und was wurde konkret unternommen, um die täglichen frühmorgendlichen illegalen Fütte- rungsaktionen zu unterbinden?
Antwort:
Eine nachhaltige Bestandsregulierung der Stadttauben auf ein für den Stadtteil erträgliches Maß kann nach heutiger Beurteilung nur durch Reduzierung des Nahrungsangebotes erreicht werden. Die Bekämpfung durch Vertreiben oder gar Töten der Tiere führt nur kurzfristig zur Entschärfung der Situation und ist demnach nicht dauerhaft zielführend. Zudem muss im Sinne des Tierschutzgesetzes ein vernünftiger Grund zur Taubenbekämpfung vorliegen. Nur unter folgenden Voraussetzungen können Tauben als Schädlinge eingestuft werden und damit eine gezielte Bekämpfung begründen:
-Wenn sich mehr als 10 Tiere auf 100 qm aufhalten,
-eine konkrete Gesundheitsgefahr besteht, z.B. Kot in Lebensmittel gelangen kann,
-die Arbeitssicherheit gefährdet ist,
-es sich um denkmalgeschützte Gebäude handelt,
-wirtschaftliche Gründe vorhanden sind (z.B. technische Probleme in einem Betriebsgebäude auftreten können).
Auch wenn die Schädlingseigenschaft von Tauben festgestellt wurde, muss die Bekämpfungsmethode gegenüber dem Tierschutz abgewogen werden. Das Töten von Stadttauben ist nur als letztes Mittel im begründeten Einzelfall zulässig und muss von veterinärbehördlicher Seite geprüft werden.
Konkret sollte die Taubenfütterungsverbotsverordnung für Abhilfe schaffen. Fütterungsaktionen erfolgen jedoch meist verdeckt (z. B. mit Hilfe von Taschen oder Mänteln mit verschließbaren Öffnungen) und im Schutz der Dunkelheit. Solange das Fütterungsverbot der Landeshauptstadt München in Kraft war, wurde jede Anzeige gegen fütternde Personen von der Bußgeldstelle im Kreisverwaltungsreferat entgegengenommen und bearbeitet. Die städtische Verordnung zum Verbot der Fütterung von Stadttauben ist aber nach 20 Jahren Ende 2016 automatisch ausgelaufen. Dies legt das Bayerische Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) fest, das Ermächtigungsgrundlage für ein städtisches Taubenfütterungsverbot ist. Ein Neuerlass des Fütterungsverbots ist derzeit in Vorbereitung und wird dem Stadtrat demnächst zur Beschlussfassung vorgeschlagen.
Frage 5:
Ist es denkbar, dass die Stadt, aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Bussardweibchen „Hillary“ in der Hofstatt, nunmehr auch auf diese „biolo- gische“ und offensichtlich sehr wirksame Methode zurückgreift?
Antwort:
Der Einsatz von Greifvögeln führt aus veterinärbehördlicher Einschätzung nur dann zum nachhaltigen Erfolg, wenn die Vergrämungsmaßnahme in einem begrenzten und geschlossenen und für Tauben nicht einsehbaren Areal, wie im Falle von z.B. Passagen, erfolgt.
Die Maßnahme ist sehr kostenintensiv und muss ständig fortgesetzt werden, um die Tauben auf Dauer fernzuhalten. Darüber hinaus müssen weitere flankierende Maßnahmen (kontinuierliche Beseitigung von Futterquellen, Absperrung von Aufenthalts- und Nistplätzen etc.) durchgeführt werden. In der Hofstatt wurden sowohl die freihängenden Lampen als auch alle Simse im Bereich der Passage mit einem unter niedriger Spannung stehenden Taubenabwehrdraht ausgerüstet. Durch den leichten und tierschutzrechtlich unbedenklichen Stromschlag werden die Tiere am Landen gehindert. Diese ebenfalls kostenintensiven vergrämenden Maßnahmen unterstützen den als erfolgreich angesehenen Einsatz des Falkners in der Hofstatt.
Aus diesen und den oben genannten Gründen (s. Vorbemerkung und die Antworten auf Fragen 1 und 2) sieht das RGU den flächendeckenden Einsatz von Greifvögeln als nicht zielführend an. In begrenzten Objekten und unter Einbeziehung flankierender Maßnahmen kann er aber erfolgreich sein.
Frage 6:
Wenn ja, wann könnte der Auftrag an einen Falkner gehen?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 5.
Frage 7:
Wenn nein, welche Gründe stehen dagegen, einen Bussard oder Falken auch hier einzusetzen?
Antwort:
Siehe Antworten zu Fragen 1, 2 und 5
Frage 8:
Gäbe es auch die alternative Möglichkeit, auf einem hohen – städtischen – Gebäude einen Nistplatz für Turmfalken zu schaffen, durch den Falken hier dauerhaft angesiedelt werden können und das Areal auf Dauer und natürliche Weise weitgehend taubenfrei zu bekommen?
Antwort:
Der LBV hat eine Reihe von Nistmöglichkeiten für verschiedene Greifvogelarten in München geschaffen, die zum großen Teil auch benutzt werden. Bei den Wanderfalken gilt München bereits als voll besiedelt. Prinzipiell ist es aber nur möglich, die Voraussetzung für eine Besiedlung zu schaffen (z.B. durch Öffnen von Turmfenstern oder Anbringen von Nisthilfen). Ob der Platz angenommen wird, liegt allein in der Entscheidung des Vogelpaares. Wie oben bereits dargelegt, wird es ausschließlich über vogeljagende Arten nicht gelingen, die Population der Stadttauben wesentlich zu verringern oder München gar taubenfrei zu machen.
Abschließend möchte ich Sie noch auf die Broschüre „Leben mit Stadttauben“ des RGU hinweisen, die die Thematik noch ausführlicher darstellt. Eine aktuelle Version finden Sie im Internet unter http://www.muenchen.de/bauzentrum Stichwort „Schwerpunkte und Netzwerke“.