Share Deals: Steuern sparen zu Lasten der Landeshauptstadt – auch mit städtischen Immobilien?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Gülseren Demirel, Katrin Habenschaden und Anna Hanusch (Fraktion Die Grünen/ Rosa Liste) vom 22.11.2017
Antwort Kommunalreferent Axel Markwardt:
In Ihrer Anfrage thematisieren Sie, dass „mittlerweile auch die Immobilien- wirtschaft Share Deals entdeckt hat, um Immobilien quasi mobil und damit immer mehr zu Spekulationsobjekten und Derivaten der Finanzwirtschaft zu machen. Ganze Entwicklungsgebiete (z.B. Campus Süd, ehemaliges Zündapp-Gelände) werden steuerfrei hin und hergeschoben. Finanzinvestoren setzen aktuell verstärkt auf Share Deals und sparen auf diese Weise u.a. die Grunderwerbssteuer.
Den Bundesländern entgehen dadurch mittlerweile geschätzt mehr als 1 Mrd. Euro jährlich. Da die Grunderwerbssteuer vom Land an die LH München weitergereicht wird, entgehen damit auch der Stadt Steuereinnahmen in Millionenhöhe. Erst kürzlich wurde laut Presseberichten die Schrannenhalle, eine im Erbbaurecht vergebene städtische Immobilie, im Rahmen eines Share Deals weiterverkauft.“
Sie bitten in diesem Zusammenhang um die Beantwortung der folgenden Fragen:
Frage 1:
War dem Kommunalreferat im Vorfeld bekannt, dass die Schrannenhalle im Rahmen eines „Share Deals“ verkauft werden soll?
Antwort Kommunalreferat:
Die Erbbauberechtigte hat das Kommunalreferat im Mai 2017 telefonisch davon in Kenntnis gesetzt, dass ein Verkauf von Mehrheitsanteilen an der Erbbauberechtigten vorgesehen ist. Mit E-Mail vom 24.5.2017 wurden Verhandlungen hierzu vom beabsichtigten Erwerber der Mehrheitsanteile bestätigt.
Das Kommunalreferat hat den Stadtrat darüber in nichtöffentlicher Sitzung des Kommunalausschusses vom 6.7.2017 bzw. in der Vollversammlung am 26.7.2017 informiert.
Frage 2:
Musste der Erbbaurechtsgeber LH München diesem Verkauf zustimmen oder wurde die Zustimmungspflicht dadurch umgangen?
Antwort Kommunalreferat:
Der Erbbaurechtsvertrag begründet bei einem Verkauf der Erbbauberechtigten oder von Anteilen daraus kein Vorkaufsrecht der Stadt und steht auch nicht unter Zustimmungsvorbehalt. Einem Verkauf des Erbbaurechts hingegen hätte die Stadt vorher zustimmen müssen.
Frage 3:
Die Immobilie am Sattlerplatz soll Presseberichten nach auch im Erbbaurecht vergeben werden. Kann ein späterer Verkauf an Dritte in Form eines Share Deals ohne Zustimmung der LH München ausgeschlossen werden?
Antwort Kommunalreferat:
Das Grundstück soll laut Stadtratsbeschluss (Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft am 7.11.2017) im Erbbaurecht vergeben werden. Als Verhandlungsgrundlage wird hierbei das bei der Stadt übliche Vertragsmuster verwendet werden. Näheres hierzu bitten wir den Ausführungen zu Frage 4 zu entnehmen.
Frage 4:
Auch Wohnbaugrundstücke der LH München für den Konzeptionellen Miet- wohnungsbau sollen künftig nur im Erbbaurecht an Private vergeben werden. Kann ein späterer Verkauf an Dritte in Form eines Share Deals ohne Zustimmung der LH München ausgeschlossen werden?
Antwort Kommunalreferat:
Bei Share Deals handelt es sich um den Verkauf einer Gesellschaft oder von Geschäftsanteilen, d.h. es wird nicht die einzelne Immobilie veräußert, sondern die Gesellschaft oder Anteile daraus, der die Immobilie gehört. Dies ist in den städtischen Verträgen, da es zunächst einmal keine direkten Auswirkungen oder Veränderungen auf den konkreten Vertrag mit sich bringt, grundsätzlich nicht geregelt, nicht verboten und kann somit auch nicht ausgeschlossen werden.
Geregelt in den Verträgen wird nur der Weiterverkauf des Grundstücks bzw. des Erbbaurechts an einen Dritten. Dabei knüpft das Kommunalreferat die i.d.R. erforderliche Zustimmung an die Übernahme der vertraglichen Verpflichtungen und Bindungen, da dies bei einem Weiterverkauf der Immobilie explizit geregelt werden muss. Im Gegensatz dazu gehen bei einem Share Deal die Verpflichtungen und Bindungen aus dem Vertrag direkt auf den Rechtsnachfolger über, da der eigentliche Grundstücksvertrag nicht „angefasst“ wird; die Rechtsposition der Stadt verschlechtert sich insoweit nicht.
Der städtische Erbbaurechtsvertrag enthält allerdings in „Abschnitt VII Schuldrechtliche Vereinbarungen, § 8 Veräußerung und Belastung des Erbbaurechts“ folgende Bestimmung:
„1. Ist eine Personengesellschaft Inhaber des Erbbaurechts, bedarf auch die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils der schriftlichen Zustimmung der Grundstückseigentümerin .... “
Bei Personengesellschaften erfährt das Kommunalreferat demnach von der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen. Wenn die städtischen Interessen weiterhin gewahrt werden, gibt es in der Regel aber keinen Grund, die Zustimmung zu verweigern.
Frage 5:
Können Vorkaufsrechte der Kommunen nach dem Baugesetzbuch (Erhaltungssatzung, SEM) durch Share Deals umgangen werden?
Antwort Kommunalreferat:
Nur der Kauf von Grundstücken löst ein Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch aus. Die Stadt hat daher grundsätzlich keine Möglichkeit über die Ausübung eines Vorkaufsrechts in einen Share Deal einzutreten. Nur wenn eine Umgehungsabsicht nachweisbar wäre, könnte ein Vorkaufsrecht in Einzelfällen in Betracht kommen.
Frage 6:
Ist der LH München die Größenordnung der durch Share Deals entgangenen Grunderwerbssteuer bekannt?
Antwort Stadtkämmerei:
Die Bundesregierung hat am 11.4.2017 anlässlich einer Antwort auf eine Anfrage des Bundestags eine Übersicht der in den letzten Jahren durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung dokumentierten Share Deals veröffentlicht (vgl. BT – Drucksache 18/11919). Aufgrund dieser Veröffentlichung ist der Landeshauptstadt München daher bekannt, dass es in der Vergangenheit nicht grunderwerbsteuerpflichtige Übertragungen von Anteilen an Gesellschaften mit Grundbesitz in München im Rahmen von Share Deals gegeben hat (z.B. die Veräußerung des Wohnungsportfo-lios der GBW – Wohnungen von der Bayerischen Landesbank an die Patrizia Immobilien GmbH im Jahr 2013).
Aus der Antwort der Bundesregierung geht unter anderem auch hervor, dass bei Transaktionen von Wohnungsportfolios mit besonders vielen Wohnungen bereits seit längerer Zeit auch Share Deals zur Anwendung kommen. So wurden beispielsweise in den Jahren 1999 bis 2016 32 Prozent aller Übertragungen von Wohnungsportfolios mit mehr als 800 Wohnungen über Share Deals abgewickelt. Davon entfielen 14 Prozent auf grunderwerbsteuerpflichtige Share Deals und 18 Prozent auf nicht grunderwerbsteuerpflichtige Share Deals.
Da im Allgemeinen keine Anzeigepflicht von Steuergestaltungsmodellen besteht, ist eine genaue Ermittlung der dabei dem Fiskus entgangenen Grunderwerbsteuer allerdings nicht möglich. Infolgedessen ist auch der Landeshauptstadt München die Größenordnung der ihr durch Share Deals entgangenen Grunderwerbssteuer nicht bekannt.
Insgesamt gesehen hinterlassen Share Deals mitunter ein schlechtes Gefühl, da aufgrund der bisherigen Vertragsgestaltung die Stadt vermeintlich nicht eingreifen kann, wenn das Eigentum an einer ehemals städtischen Immobilie oder an einem Erbbaurecht der Stadt mittels eines Share Deals wechselt. Objektiv betrachtet entstehen der Stadt als Vertragspartnerin in einem Grundstücksgeschäft dadurch jedoch keine Nachteile, da mittels der bestehenden Praxis bei der Vertragsgestaltung sichergestellt ist, dass vertragliche Verpflichtungen und Bindungen auch im Rahmen eines Share Deals eingehalten werden (müssen). Anders gestaltet es sich ggf. beim Thema Vorkaufsrechte oder Grunderwerbssteuer; diese Themen liegen jedoch außerhalb der Einflussmöglichkeiten der Stadt und müssten vom Gesetzgeber geregelt werden.