Wo können Menschen ohne Krankenversicherung in München Impfungen erhalten?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Gülseren Demirel, Lydia Dietrich, Jutta Koller und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 1.12.2017
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Nach uns vorliegenden Informationen gibt es für Menschen ohne Krankenversicherung kaum Möglichkeiten, notwendige und empfohlene Impfungen kostenfrei zu erhalten. Das Gesundheitsamt deckt unseres Wissen nur den Bedarf bei Impfungen für geflüchtete Menschen ab. Die Projekte ‚Ärzte der Welt‘ und ‚Malteser Migrantenmedizin‘ bieten mit städtischer Förderung und Spendengeldern Impfungen an, können jedoch die Versorgung aus Kostengründen nicht bedarfsgerecht gewährleisten – und sollten dies auch nicht, da Impfungen keine Aufgabe von wohltätigen Vereinen sind, sondern in die Zuständigkeit des Gesundheitsamtes fallen.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Zunächst bedanke ich mich für die Fristverlängerung und kann jetzt die einzelnen Punkte Ihrer Anfrage wie folgt beantworten:
Frage 1:
Welche Impfangebote macht das Gesundheitsamt?
Antwort:
Das Impfwesen des Referates für Gesundheit und Umwelt (RGU) bietet täglich eine unentgeltliche telefonische Impfberatung an. Impfangebote bestehen für Geflüchtete nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und für unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer (in 2017 über 7.000 Impfungen) sowie zur Prävention der Hepatitis B für Migrantinnen und Migranten aus Hochprävalenzländern. Dies Angebot fokussiert auf direkte Familienangehörige von Menschen mit nachgewiesener chronischer Hepatitis B sowie auf ungeimpfte Kinder und Jugendliche. Das Angebot ist unabhängig vom Versicherungsstatus.
In der „Gesprächsrunde zur Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Krankenversicherung“ wurde bereits im Oktober 2017 die Notwendigkeit eines Impfangebotes für Menschen ohne Krankenversicherung erörtert. Das RGU bereitet zur Zeit eine entsprechende Stadtratsvorlage vor, mitder u.a. der Aufbau eines Impfangebots im RGU auch für diese Zielgruppe vorgeschlagen wird.
Frage 2:
Welche anderen kostenlosen oder kostengünstigen Impfangebote gibt es in München? Wie sind diese finanziell ausgestattet, wer stellt die Finanzierung bereit, wie hoch ist die Nachfrage bzw. der Bedarf, und deckt das Angebot die Nachfrage?
Antwort:
In Deutschland leben etwa 128.000 Menschen ohne Krankenversicherung. Sie bilden eine Gruppe, die bei der Umsetzung der nationalen Impfempfehlungen als Gruppe mit erschwertem Zugang zu Impfungen gelten muss: Menschen ohne Krankenversicherung profitieren nicht von den Leistungen nach SGB V oder von privaten Versicherungsträgern, welche die Finanzierung von gesetzlich empfohlenen Impfungen ermöglichen. In der Regel suchen sie Ärztinnen und Ärzte erst dann auf, wenn sie akute medizinische Hilfe benötigen. Vorsorgeuntersuchungen und andere Maßnahmen der Prävention wie Schutzimpfungen werden wenig nachgefragt.
In München kann die Anzahl von Menschen ohne Krankenversicherung über die Anzahl der Personen, welche die Anlaufstellen für Menschen ohne Krankenversicherung aufsuchen, nur geschätzt werden. Im Jahr 2016 waren dies insgesamt 1.037 Personen, darunter etwa 10% Kinder. Derzeitige Impfangebote bei den verschiedenen Organisationen (Ärzte der Welt e.V. open.med., Malteser Migranten Medizin, Praxis an der Pilgersheimer Straße und Praxis Sankt Bonifaz) sind allenfalls anlass- und bedarfbezogen und keinesfalls umfassend. Die Finanzierung erfolgt über den Praxisbedarf oder aus Spendenmitteln.
Die Anlaufstellen für Menschen ohne Krankenversicherung sind bestrebt, Kinder zu impfen, erreichen aber nur etwa ein Viertel der Minderjährigen, die ihre Sprechstunden aufsuchen. Als Problem werden weniger die Kosten für Impfstoffe als die Lösung praktischer Fragestellungen angesehen, welche die logistischen, administrativen und personellen Kapazitäten der zumeist ehrenamtlich tätigen Ärztinnen und Ärzte überschreiten. Alle Organisationen bewerten den Bedarf als hoch, sehen sich aber nicht im Stande diesen zu decken und würden ein entsprechendes Angebot des RGU befürworten und Klienten an dieses verweisen. Wie schon deutlich gemacht, wird der Handlungsbedarf gesehen und derzeit eine Vorlage für die Stadtratsbefassung vorbereitet. Die Sitzungsvorlage soll nach den derzeitigen Planungen noch 2018 in den Gesundheitsausschuss eingebracht werden.