Brexit und seine Auswirkungen auf die in München lebenden Briten
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Rathaus Umschau 64 / 2018, veröffentlicht am 04.04.2018
Brexit und seine Auswirkungen auf die in München lebenden Briten
Antrag Stadträte Sebastian Schall und Thomas Schmid (CSU-Fraktion) vom 28.9.2017
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Ich nehme Bezug auf Ihren Antrag vom 28.09.2017.
Nach Paragraph 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrags betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Artikel 37 Abs. 1 GO und Paragraph 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb eine Beantwortung auf diesem Weg erfolgt.
In Ihrem Antrag führen Sie Folgendes aus:
„Der Stadtrat möge beschließen:
Die Stadt München prüft, ob es möglich ist, auch nach dem 29.03.2019 Briten die rechtzeitig beantragte doppelte Staatsbürgerschaft zu erteilen.
Begründung:
Im Augenblick beantragen viele Briten die deutsche Staatsbürgerschaft, um ihre europäischen Rechte zu sichern. Die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft endet mit dem offiziellen Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union zum 29.03.2019. Nachdem die Bearbeitungs- bzw. Wartezeiten sowohl im KVR als auch bei der MVHS (benötigter Deutschtest) sehr lange sind, stellt sich die Frage, wie mit Beantragungen der deutschen Staatsbürgerschaft umgegangen wird, die zwar vor dem 29.03.2019 vollständig abgegeben wurden, aber nicht mehr rechtzeitig bearbeitet werden konnten. Die langen Bearbeitungszeiten (inklusive Deutschtest über ein Jahr) können nicht zu Lasten der in München ansässigen Briten gehen. Verschärfend kommt hinzu, dass viele der in Deutsch- land lebenden Briten ihr Wahlrecht in ihrem Heimatland verloren haben.
Außerdem soll im KVR überprüft werden, ob das bisherige Verfahren verschlankt werden kann, damit sich die Bearbeitungszeiten verkürzen.
Die Ergebnisse der Prüfung sollen den in München lebenden Briten mitgeteilt werden.“Hierzu kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Das Interesse britischer Staatsangehörige an einer Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist seit dem Jahr 2015 enorm gestiegen. In den Jahren 2010 bis 2014 wurden in München jährlich maximal zehn britische Staatsangehörige eingebürgert. Im Jahr 2015 stieg die Zahl der Einbürgerungen um 150% auf 25, im Jahr 2016 um weitere 152% auf 63 und bis Ende Januar 2018 bereits um weitere 383% auf 241. Im Zeitraum von Anfang 2016 bis Ende Januar 2018 wurden insgesamt 740 britische Staatsangehörige über das Verfahren und die Voraussetzungen einer Einbürgerung beraten. Insgesamt wurden 623 Anträge gestellt.
Gemäß Paragraph 12 Abs. 2 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) muss eine Einbürgerungsbewerberin oder ein Einbürgerungsbewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht aufgeben, wenn er oder sie die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt. Hierbei ist auf den Tag der Einbürgerung und nicht auf den Tag der Antragstellung abzustellen.
Nach aktueller Gesetzes- und Weisungslage müssen britische Staatsangehörige, welche bis zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union nicht eingebürgert wurden, auf die britische Staatsangehörigkeit verzichten, bevor die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband genehmigt werden kann.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern teilte am 02.10.2017 auf Anfrage telefonisch mit, dass derzeit keine Erkenntnisse vorliegen, wie mit bereits laufenden Einbürgerungsverfahren nach dem EU-Austritt Großbritanniens verfahren werden soll und ob es gegebenenfalls eine Übergangsregelung geben wird.
Die Einbürgerungs- und Staatsangehörigkeitsstelle des KVR wird die betroffenen Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerber selbstverständlich umgehend informieren, sobald entsprechende Regelungen bekannt werden.
Was die Warte- und Bearbeitungszeiten für Einbürgerungsanträge anbelangt, darf ich Ihnen mitteilen, dass diese allen voran dem enormen Anstieg der Einbürgerungsanträge in den letzten Jahren geschuldet sind. Diese sind im Zeitraum von 2008 bis 2017 um über 118% angestiegen. Das Kreisverwaltungsreferat hat sich dieses Themenkreises bereits seit Längerem mit Nachdruck angenommen und arbeitet mit Unterstützungdes Münchner Stadtrates kontinuierlich daran, die Bearbeitungszeiten wieder so bürgerfreundlich wie möglich zu gestalten.
So hat der Münchner Stadtrat auf Antrag des Kreisverwaltungsreferates seit 2014 wiederholt mittels Stellenzuschaltungen auf die gestiegenen Antragszahlen reagiert. Die Anzahl der Sachbearbeiterstellen bei der Einbürgerungsbehörde wurde sehr deutlich von 18 auf derzeit 33 erhöht.
Die Schaffung der neuen Stellen hat bislang jedoch leider nur in eingeschränktem Maße zur Verkürzung der Verfahrensdauer beigetragen. Einerseits gestaltet es sich schwierig, qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für die neu geschaffenen Stellen zu finden.
Andererseits erfordert die Tätigkeit in der Einbürgerungsbehörde eine fundierte Einarbeitung, so dass die neu eingestellten Dienstkräfte nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Einarbeitungszeit uneingeschränkt für die Sachbearbeitung zur Verfügung stehen. Infolge der Öffnung der Ausschreibungsverfahren für einen größeren externen Bewerberkreis ohne klassische Verwaltungsausbildung konnten zwischenzeitlich alle 33 Sachbearbeiterstellen besetzt werden.
Neben den personellen Maßnahmen hat das Kreisverwaltungsreferat auch mit organisatorischen Anpassungen der Arbeitsabläufe den langen Warte- und Bearbeitungszeiten entgegengesteuert. Die Einbürgerungsstelle wurde zum 01.06.2017 mit dem Ziel in die Ausländerbehörde eingegliedert, vorhandene Synergieeffekte zu nutzen und Schnittstellen zu optimieren. Weiterhin wurde im Jahr 2017 auf eine buchstabenunabhängige Sachbearbeitung umgestellt und eine zentrale Terminvergabe eingeführt. Außerdem wurde eine Service-Theke eingerichtet, um die Abläufe effektiver gestalten und die Kundenvorsprachen besser steuern zu können.
Die personellen und organisatorischen Maßnahmen haben bereits zu ersten Verbesserungen geführt. Die Warte- und Bearbeitungszeiten konnten zwar noch nicht wie gewünscht auf wenige Wochen, aber dennoch spürbar verringert werden. So dauern Verfahren, in denen eine Einbürgerungsbewerberin oder ein Einbürgerungsbewerber die erforderlichen Nachweise vollständig vorlegt, zwischen drei und sechs Monaten. Selbstverständlich wird das Kreisverwaltungsreferat die Verfahrensabläufe auch künftig weiterhin überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um Beschleunigungspotentiale zu nutzen.Um der Sondersituation der britischen Staatsangehörigen bis zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zum 29.03.2019 gerecht zu werden, sind ab April 2018 wöchentlich 20 Antragstermine ausschließlich für diesen Personenkreis reserviert. Ab diesem Zeitpunkt können Wartezeiten auf einen Termin für die Antragsabgabe von wenigen Monaten garantiert werden. Sollten sich Engpässe bei der Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen britischer Staatsangehöriger abzeichnen, wird die Einbürgerungsstelle hierauf mit der Verschiebung von Personalressourcen zugunsten dieses Personenkreises reagieren.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten.
Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.